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Hunderte unterstütztDieses Projekt verhilft Geflüchteten in Köln zu eigener Wohnung

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Herkulesstraße

Die Flüchtlingsunterkunft an der Herkulesstraße in Köln. Massenunterkünfte wie diese soll es zukünftig nicht mehr geben.

Köln – Als Michael Herweg gegen Ende des Jahres 2018 ins Wohnungsamt ging, tat er dies in der Absicht, seine Wohnung als Ferienwohnung anzumelden. Er irrte sich in der Tür, stand unversehens im Raum der Koordinierungsstelle des Auszugsmanagements und kam ins Gespräch mit einer Mitarbeiterin. Diese überzeugte ihn von dem Projekt, Geflüchteten, die in städtischen Unterkünften untergebracht sind, private Wohnungen zu vermitteln, und er hinterließ seine Kontaktdaten.

So kam es, dass er die Wohnung in dem Haus in Brück, in dem er mit seiner Frau wohnt, nicht an Touristen vermietete, sondern an Dimitri Browkow und Elvira Brovkova, die als Spätaussiedler aus Russland nach Köln gekommen waren und in einer städtischen Unterkunft in Dellbrück lebten. Er steckte in einer Lehre zum Zerspanungsmechaniker, sie besuchte einen Integrationskurs.

Die gelungene Wohnungsvermittlung ist einer der vielen Erfolge, die das Auszugsmanagement verzeichnen kann. Herweg und Brokow waren dabei, als am Donnerstag Stadt und Träger Bilanz im Rathaus zogen. Anlass war der Projektstart vor zehn Jahren.

Unterstützung auch bei Behördengängen

2020 hat das Auszugsmanagement 407 Personen bei der Vermittlung in 130 Wohnungen unterstützt. Seit Bestehen des Projekts fanden auf diesem Weg 3912 Personen eine von 1432 Wohnungen. Getragen wird das Projekt von der Stadt sowie dem Caritasverband, dem Deutschen Roten Kreuz und dem Kölner Flüchtlingsrat. Zunächst wurden drei Stellen für Sozialarbeiter und -arbeiterinnen geschaffen, seit 2015 sind es sieben. Hinzu kommt das Engagement ehrenamtlicher Mitarbeiter, die oft Hinweise auf Wohnungen geben, die sich mieten lassen.

Geflüchtete werden nicht nur bei der Suche nach geeignetem privatem Wohnraum unterstützt, sondern zum Beispiel auch bei Wohnungsbesichtigungen und Behördengängen. Nach dem Umzug steht das Auszugsmanagement drei Monate lang als Ansprechpartner für Geflüchtete und Vermieter zur Verfügung, um eventuell aufkeimende Konflikte rasch zu lösen und den Mietern zu helfen, sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden. Vermieter Herweg sprach an, dass kulturelle Unterschiede ein Problem darstellen können: Unter den drei Familien, die sich als Interessenten vorstellten, sei eine nicht in Frage gekommen, weil sie nicht mit seiner Frau habe sprechen wollen.

Wohnungssituation in Köln „eine Katastrophe“

Um „in der Gesellschaft anzukommen“, brauche es eine eigene Wohnung, sagte Sozialdezernent Harald Rau und schickte den Appell hinterher, sich auf solche Mietverhältnisse einzulassen und Mietmöglichkeiten zu melden. Auch Monika Kuntze vom Caritasverband Köln betonte, wie wichtig eine eigene Wohnung dafür sei, selbständig zu werden und sich zu integrieren. Das Auszugsmanagement, dessen Koordinierungsstelle die Rufnummer 0221/221 233 97 hat, sei ein „klassischer Brückenbauer“ – umso nötiger, als die Wohnungssituation in Köln „eine Katastrophe“ sei. Dringend gesucht würden Wohnungen für Großfamilien.

In den zurückliegenden zwei Monaten sei die Zahl der Menschen, die in einer städtischen Unterkunft wohnen, um 100 bis 200 auf 5645 gestiegen, sagte Josef Ludwig, Leiter des Wohnungsamts. Die Zunahme sei im Wesentlichen „saisonal bedingt“, typisch für die Zeit vor den Wintermonaten. Allerdings kommt ein besonderer Umstand hinzu: In „zwei Tranchen“ seien 60 bis 70 so genannte Ortskräfte aus Afghanistan aufgenommen worden. „Wir gehen davon aus, dass weitere kommen“, sagte er.

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Im August 2016 sei die höchste Zahl von Flüchtlingen in städtischen Unterkünften verzeichnet worden: 13.842. Im Fall von Dimitri Brokow, der gut Deutsch spricht, und seiner Frau hat es knapp ein Jahr gedauert, bis sie mit Hilfe des Auszugsmanagements eine eigene Wohnung in Köln hatten. Familien mit vielen Kindern hätten es weitaus schwerer, sagte Ludwig. Fünf Jahre Wartezeit seien keine Ausnahme.