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Expertin der Handwerkskammer Köln„Auch viele junge Menschen wollen Karriere machen – aber nicht um jeden Preis“

Lesezeit 3 Minuten
«Bewirb dich jetzt» ist auf einem Transparent am Zaun einer Firma zu lesen, die für Auszubildende im Handwerk wirbt.

Gerade im Handwerk werden junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesucht. Wie kann man ihre Leistungsbereitschaft wecken?

Die Generation Z gilt als wenig arbeitswillig. Ulrike Pütz von der Handwerkskammer Köln weiß, wie junge Menschen zu motivieren sind.

Frau Pütz, Sie beraten bei der Kölner Handwerkskammer junge Menschen in der Ausbildung. Ist der Eindruck richtig, dass die Arbeitsbereitschaft in der Generation Z geringer ausgeprägt ist?

Ulrike Pütz: Das ist eine Meinung, die vielleicht in Teilen unserer Gesellschaft herrscht, die ich aber so pauschal nicht bestätigen kann. Auch viele junge Menschen heute wollen arbeiten und Karriere machen. Sie wollen es aber nicht um jeden Preis. In der Babyboomer-Generation war man froh, wenn man einen Ausbildungsplatz gefunden hatte. Heute fragen die Menschen sich: Was will ich und was kann ich Sinnvolles tun? Und darüber hinaus: Werden meine Werte auch im Unternehmen gelebt? Junge Menschen wollen heute mit ihren Bedürfnissen und Vorstellungen gehört werden.

Was sind das denn für Werte, die junge Menschen in den Arbeitsmarkt hineintragen wollen?

Diversität ist zum Beispiel ein wichtiger Punkt. Werde ich als Frau ernst genommen? Werden religiöse Gepflogenheiten respektiert? Aber auch Feedbackkultur oder ein Mentorenprogramm sind jungen Menschen wichtig. Und viele wünschen sich ein gutes Ausbildungsumfeld und eine moderne Führungskultur, die auf Augenhöhe funktioniert.

Wunsch nach modernen Arbeitszeitmodellen

Wird auch die Viertagewoche gewünscht?

Auf jeden Fall haben junge Menschen das Bedürfnis nach modernen Arbeitszeitmodellen. Das kann die Viertagewoche sein, aber auch eine größere Flexibilität ist denkbar. Oder eine Teilzeitausbildung. Insgesamt wird den Betrieben abverlangt, mit mehr Vertrauen zu führen. Und es gibt durchaus Chefinnen und Chefs, die das bereits tun. Es sind Best-Practice-Beispiele wie die eines Dachdeckers aus unserem Kammerbezirk, der die Viertagewoche bei gleicher Entlohnung etabliert hat. Nachwuchssorgen sind daher für ihn kein Thema. Wenn junge Menschen mit ihren Bedürfnissen gehört werden und etwas Sinnstiftendes tun können, wie es im Handwerk der Fall ist, sind sie auch bereit, sich sehr zu engagieren.

Ulrike Pütz, Berufsberaterin

Ulrike Pütz berät bei der Handwerkskammer Köln Auszubildende.

Trotzdem machen viele nach der Schule erstmal Pause, ein Sabbatical, Reisen, Chillen. Warum arbeiten die nicht gleich?

Wer heutzutage die Schule beendet hat, kann aus einer Vielzahl an Möglichkeiten wählen. Das bietet einerseits viele Vorteile, führt aber auf der anderen Seite auch zu großer Unsicherheit. Deshalb brauchen die Schulabgänger heute oft etwas länger zur Orientierung. Auf der Suche nach dem passenden Beruf unterstützen wir als Handwerkskammer junge Menschen.

Wären da nicht die Schulen in der Pflicht, ihre Absolventen besser vorzubereiten?

Die Berufsorientierung an Schulen ist noch ausbaufähig – in manchen Ländern ist Berufsorientierung sogar ein eigenes Schulfach. In Deutschland kennen viele Jugendliche nicht alle Möglichkeiten, gerade im Bereich der Ausbildungen. Durch das Programm „Kein Abschluss ohne Anschluss“ hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan: Schülerinnen und Schüler erhalten ab Klasse 8 eine verbindliche berufliche Orientierung. Es gibt aber weiterhin ein Informationsdefizit. Mit unserer Karrierewerkstatt helfen wir als Handwerkskammer jungen Menschen, aus 130 Ausbildungsberufen im Handwerk den für sie richtigen zu finden.

Sind junge Menschen auch etwas zurückhaltend, was Hochleistung betrifft, da das Versprechen: „Wer sich anstrengt, kann sich Wohlstand erarbeiten“ so nicht mehr zwingend gilt?

Viele Sicherheiten, die die Babyboomer früher beispielsweise hatten, sind ins Wanken geraten. Die Rente oder das eigene Haus galten damals als erstrebenswertes Ziel. Bei jungen Menschen steht das heutzutage nicht mehr so sehr im Fokus. Zudem haben sich die Arbeitszeitmodelle verändert und damit auch die Rolle der Frau. Heute sind in Beziehungen oft beide berufstätig. Bei der Wahl des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin spielen unbefristete Verträge weiterhin eine große Rolle, denn sie bieten Planungssicherheit.

Und was ist mit Geld? Steuerfreie Überstunden beispielsweise, wie Christian Lindner das vorschlägt? Lockt das die Jungen nicht mehr?

Geld spielt immer eine Rolle. In der Motivationspsychologie bezeichnet man Geld als Hygienefaktor, der jedoch nur temporär Anreize anbietet. Wertschätzung, Entwicklungsmöglichkeiten und Arbeitsinhalte sind Motivationsfaktoren, die langfristig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an das eigene Unternehmen binden.