194.909 Menschen sind seit der Premiere im Jahr 1997 beim Köln-Marathon mindestens einmal ins Ziel gekommen.
„Positiv bekloppt“Gerd Mausbach lief bisher bei jedem Köln-Marathon mit – verkleidet!
Nein. Gerd Mausbach ist nicht verrückt. Darauf legt er großen Wert. Er ist positiv bekloppt. Ne echte kölsche Jung. Wenn ihm danach ist, hüpft er nach einem Trainingslauf in seinen drei Meter tiefen Gartenteich und taucht mit den Koi-Karpfen um die Wette. Oder sie beobachten ihn aus dem Teich durch das dicke Panzerglas, das er in die Wand seines Fitnesskellers eingelassen hat, wie Gerd die knallrote Boxbirne bearbeitet, wenn er mal verletzt oder der Tag nicht so gelaufen ist, wie er hätte laufen sollen.
In der Regel jedoch läuft es bei Gerd Mausbach. Der 66-Jährige ist einer von 45 Läuferinnen und Läufern, die am 1. Oktober beim Jubiläumsmarathon in Köln zum 25. Mal an der Startlinie stehen werden. 45 von insgesamt 194.907 Menschen, die seit 1997 nach 42,195 Kilometern die Ziellinie mindestens einmal überquert haben. Das allein ist schon aller Ehren wert.
Doch selbst unter diesen Cracks ist Gerd Mausbach einzigartig. Vielleicht weil er den Marathon nicht bloß läuft, sondern lebt. Und zelebriert. Wenn er beim Empfang für den Jubilee-Club auf der Marathonmesse seinen Startbeutel abholt, trägt er grundsätzlich alle Köln-Medaillen um den Hals, weil die so schön scheppern. Auch wenn sie ihn ziemlich nach unten ziehen.
Der Club, dem alle Läuferinnen und Läufer beitreten können, die seit 1997 den Marathon mindestens zehnmal gefinisht haben, muss immer schmunzeln, wenn dat Klimpermännchen kütt. Genau das hat Gerd Mausbach bezweckt und die Truppe, die bei ihren Treffen stundenlang nur übers Laufen redet, ein bisschen aufgelockert.
Die Holzmedaillen, die beim Marathon seit ein paar Jahren aus Nachhaltigkeitsgründen im Ziel umgehängt werden, gefallen ihm gar nicht. „Die fühlen sich nach nichts an“, sagt er. Und scheppern tun sie auch nicht.
Die Startnummern kleben im Fitnesskeller unter der Decke
Man könnte jetzt all die Rennen aufzählen, die Mausbach seit seiner Marathon-Premiere 1997 in Köln bestritten hat. Die Liste ist endlos wie bei allen, die das Fieber einmal gepackt hat: Berlin, New York, Barcelona, Edinburgh, der Rennsteig, die Schwäbische Alb, die 100 Kilometer von Biel. Eine Auswahl seiner Startnummern klebt im Fitnesskeller unter der Decke. Die restlichen ruhen in Kartons.
Aber das wäre nicht die Geschichte des Gerd Mausbach, für den der Marathon immer ein Stück Karneval bedeutet. Deshalb läuft grundsätzlich verkleidet. „Ich bin im Klösterchen geboren. Mein Vater war Präsident des Karnevalsvereins Blau-Gelb. Den gibt es schon lange nicht mehr. Da war ich sogar Kinderprinz und musste Kamelle werfen.“
Mausbach ist als Ganzkörper lackierter Spiderman, als Tarzan und Winnetou gerannt. Als geschlagener Boxer, Hawaiianer, Indianer. In den Pandemie-Jahren 2020 und 2021, als der Marathon ins Wasser fiel und für alle, die das nicht ertragen konnten, virtuell mit der App in der Laufhosen-Tasche allein gegen die Uhr gekämpft werden musste, hat er sich als Corona-Gespenst auf den Weg gemacht. „Auf der Original-Laufstrecke zum Teil mit Gegenverkehr. Das war nicht ungefährlich. Ein Kumpel ist mit dem Rad hinterhergefahren und hat mich versorgt.“
Ulrike, seine Frau, Schneiderin von Beruf, muss die Kostüme nähen. Die beiden kennen sich seit der Schulzeit, das ist bald 40 Jahre her. „Ich war immer scharf auf sie“, flüstert Gerd und schiebt gleich einen seiner Witzchen hinterher. „Ich bin immer laufen gegangen. Aber die Ehe hat gehalten. Ulrike sagt immer zu mir, dass ich nur so bekannt bin, weil ich halbnackt durch Köln laufe. Das stimmt. Aber die Leute lieben das.“
Man könnte noch über vieles reden. Über Lucky, „den schnellsten Yorkshire von Köln“, dem Gerd beim Sechs-Pfoten-Rennen in Bickendorf ein Leopardenfell überstreift und sein Tarzan-Kostüm reaktiviert. „Wir laufen als Dschungelbrüder“, sagt er und lacht sich über sich selbst kaputt.
Und da wäre noch die Sammelleidenschaft für Oldtimer, die in engem Zusammenhang zu mit seinem Beruf stehen. Mausbach ist spezialisiert auf Ersatzteilhandel für englische Sportwagen, will mit seiner Frau Ulrike das Reisen im Wohnmobil mehr genießen und die gemeinsame Wanderlust ausleben. „Das Geschäft will ich langsam auslaufen lassen“, sagt er. „Man hat ja richtig Hobbystress.“
Aber es gibt auch den anderen Gerd Mausbach. Den Stillen, Nachdenklichen. „Ich habe das Problem, dass ich Corona bekommen habe. Das ist mir schwer aufs Herz geschlagen. Im Mai hatte ich eine schwere Erkältung, musste sogar ins Krankenhaus. Seither geht die Herzfrequenz nicht mehr runter. Ich bin ständig erschöpft und die Ärzte finden die Ursache nicht. Das Laufen fällt mir immer schwerer.“
Am liebsten, sagt seine Frau, würde sie ihm den Start bei seinem Jubiläumsmarathon verbieten. „Ich mache mir schon Gedanken und beruhige mich damit, dass er viel Lauferfahrung hat und die Zeit keine Rolle mehr spielt.“
Für einen Moment wirkt Gerd Mausbach ganz in sich gekehrt. Gäbe es das Jubiläum nicht, würde er auf den Start verzichten, gibt er offen zu. „Der Köln-Marathon ist mein Leben. Wenn der Tag kommt, an dem ich nicht mehr laufen kann und zuschauen muss, werden einige Tränen fließen. Und der kommt vielleicht schneller, als mir lieb ist.“
Und so wird er sich irgendwie durchmogeln, am 1. Oktober. Immer kurz vor dem Besenwagen. Achteinhalb Minuten pro Kilometer hat er ausgerechnet, langsamer darf er sich nicht durch Köln bewegen, sonst könnte das Ziel geschlossen sein, wenn er am Dom für die letzten Meter nach links auf die Komödienstraße abbiegt. Wie sein Jubiläumskostüm aussieht, will er nicht verraten. Nur dass es sehr bunt sein wird. Und unter dem Motto steht: Et hätt noch immer jot jejange.
Auf geht’s, Gerd! Wir nehmen Dich beim Wort.
Mehr als 80 Stunden durch Köln gelaufen
Bei seinen 24 Marathonläufen - das sind 1012,68 Kilometer - hat Gerd Mausbach 80 Stunden, 50 Minuten und zehn Sekunden auf Kölns Straßen verbracht. Seine Bestzeit, 3:18:39 Stunden, stammt aus dem Jahr 2002. Vergangenes Jahr war der Dauerläufer 5:30:15 Stunden unterwegs. Eine Zeit, mit der er beim Jubiläumslauf hochzufrieden wäre.
Sie waren bei allen 24 Läufen am Start
Hubert Andert (Bergisch Gladbach), Claus Bachem, Matthias Bender, Klaus Biermann (alle Köln), Kai-Uwe Bodenstein (Meinerzhagen), Bastian Breustedt (Karlsruhe), Bo Chemineau (Preußisch Oldendorf), Holger Dehmel (Köln), Oliver Eßer (Mechernich), Peter Gottwald (Köln), Gunther Graebel (Duisburg), Joachim Gudermann (Erftstadt), Markus Heisig (Leverkusen), Christoph Herzog (Eschweiler), Rainer Herzog (Bonn), Joachim Heyna (Ahrweiler), Iris Jaschky-Sterzenbach (Troisdorf), Klaus Jesser (Swisttal-Morenhoven), Volker Kaufhold-Diekmann (Bielefeld), Bernd Kayser (Köln), Steffen Kempken (Düren), Michael Kirchner (Elsdorf), Margret Knigge (Leverkusen), Henning Köster (Rommerskirchen), Olaf Krüger (Bochum), Stefan Löhr (Bonn), Axel Marahrens (Hameln), Peter Matheisen (Bergheim), Gerd Mausbach (Köln), Hans-Erich Pazour (Wipperfürth), Sasa Perisic (Bergneustadt), Josef Peters (Kevelaer), Frank Rath, Karl-Heinz Reda, Ralph Remus, Joachim Risch (alle Köln), Sämi Schaub (Oberglatt), Monika Schweie (Lohmar), Frank Schmickler (Köln), Helmut Stammel (Hürth), Rene Stassen (Niederzier), Frank-Karl Szirbek (Leverkusen), Christel Winkels (Kevelaer), Jürgen Wüstenberg (Geldern)