Die Zahl der Rheinländerinnen und Rheinländer, die unter Schlafproblemen leiden, hat sich in den vergangenen Jahren vervielfacht. Ein Kölner Schlafmediziner nennt Gründe und gibt Ratschläge.
Gesundheit NRWSo oft lassen sich Kölner wegen Schlafmangels krankschreiben
Rheinländerinnen und Rheinländer schlafen deutlich schlechter als noch vor zwanzig Jahren. Nach Auswertungen der AOK Rheinland/Hamburg haben sich die Fälle körperlich bedingter Schlafstörungen seit 2004 verdreifacht. Bei den psychisch begründeten Schlafstörungen sind die Fallzahlen sogar sieben Mal so hoch wie vor 20 Jahren, allerdings auf einem niedrigeren Niveau. In beiden Diagnosegruppen gab es im Jahr 2023 so viele Fälle wie nie zuvor. Als Gründe für die Zunahme schlafloser Nächte sieht Alexander Prickartz, Chefarzt und Schlafmediziner am Kölner Hildegardis-Krankenhaus, beispielsweise die Nutzung von Bildschirmen, insbesondere in den Abendstunden. „Der Schlaf-Wach-Rhythmus wird dadurch gestört, da das blaue Licht die natürliche Melatoninproduktion hemmt“, sagt Prickartz auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Aber auch der zunehmende Bewegungsmangel, verstärkter Konsum von „Koffein, Alkohol und verarbeiteten Lebensmitteln“ sowie „Stress und die Neigung zu einer ständigen Erreichbarkeit durch Smartphones“ führt er als Ursachen für einen schlechteren Schlaf an.
Unruhig in den Kissen wälzen sich nach Auswertung der Daten Männer etwas häufiger als Frauen. Vor allem von organischen Ursachen wie krankhaften Atemaussetzern während der Nacht sind sie häufiger betroffen. Grundsätzlich steigt die Zahl derer, die wegen Schlafprobleme eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom Arzt erhalten, mit dem Alter deutlich an. Verursachten in der Gruppe der 30 bis 39 Jahre alten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 100 Versicherte lediglich knapp 36 Krankheitstage wegen Schlafstörungen, so waren es bei den Über-60-Jährigen schon mehr als 87 Krankheitstage im Jahr.
Auch die Branche hat den Zahlen zu Folge Auswirkungen auf die Schlafqualität des nachts. Besonders schlecht schlafen Menschen, die in der Metallerzeugung und Metallbearbeitung tätig sind. Auf 100 Versicherungsnehmer kommen hier mit knapp 85 schlafstörungsbedingten Krankschreibungstage und damit fast dreimal so viel wie in der Branche Finanzen und Versicherung. Besonders von nichtorganischen Schlafstörungen betroffen sind Menschen in der Pflege. Vergleichsweise gut schlafen den Zahlen zu Folge Mitarbeiter im Gastgewerbe, in der Kommunikation, im Baugewerbe sowie bei Autohändlern und Werkstätten.
Auch ein Blick auf die Landkarte offenbart deutliche Unterschiede. Besonders stark von organischen Schlafstörungen betroffen sind Menschen in Wuppertal. Statistisch gesehen fehlen hundert Versicherte pro Jahr fast 50 Tage, weil sie nachts keine Ruhe fanden. In der Spitzengruppe finden sich auch der Rhein-Berg-Kreis (39 Tage), der Rhein-Erft-Kreis (36 Tage). In Köln und dem Rhein-Sieg-Kreis sind die Menschen mit um die 31 Tage etwas weniger betroffen, es folgen Leverkusen und Euskirchen mit je 28 Tagen, besonders ausgeruht erscheinen die Menschen in Aachen, wo pro Jahr nur knapp 25 Krankentage pro 100 Versicherte wegen organisch bedingten schlechten Schlafs auflaufen. Bei den Zahlen zu den Krankschreibungen wegen nichtorganischer Schlafstörungen liegt Köln Rheinland-weit auf Platz acht mit knapp 13 Fehltagen pro hundert Arbeitnehmer. Eher wenig betroffen sind Frauen und Männer im Rhein-Sieg und im Oberbergischen Kreis. Hier kommen 100 Versicherte zusammen auf je Kreis gerade einmal knapp neun Tage Ausfall.
Abgesehen von den Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit, schwächt der Schlafmangel laut Alexander Prickartz vom Hildegardis-Krankenhaus aber in erster Linie den Gesundheitszustand der Betroffenen. Grund dafür ist, dass dem Schlaf entscheidende Aufgaben für das Funktionieren körperlicher wie geistiger Abläufe zukommen: Körperzellen werden regeneriert, das Immunsystem gestärkt, Erlebtes verarbeitet und Erinnerungen gespeichert. „Auch das emotionale Gleichgewicht wird im Schlaf reguliert; Schlafmangel führt daher nicht selten zu Stimmungsschwankungen.“ Erholsamer Schlaf sei außerdem wichtig zur Regulierung des Stoffwechsels „und hilft, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes zu senken“, so Prickartz. Wer zu wenig schläft, sei daher nicht nur oft reizbarer, sondern auf Dauer auch vermehrt von Krankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes, Herzerkrankungen, Depressionen, Angststörungen und Übergewicht betroffen. „Durch eine erhöhte Tagesmüdigkeit steigt die Gefahr von Unfällen im Straßenverkehr, aber auch zu Hause und auf der Arbeit“, sagt Prickartz.
Die AOK rät Arbeitgebern in diesem Zusammenhang zu mehr Betrieblicher Gesundheitsförderung. Schlafstörungen könnten laut Kasse gemildert werden durch flexible Arbeitszeiten und Homeoffice-Regelungen, die es Arbeitnehmern erleichtern, gemäß des eigenen Biorhythmus zu arbeiten. Neben Arbeitnehmern, die unter hohem Stress sowie Schichtarbeit und Überstunden leiden, sind auch gerade junge Eltern zuweilen von chronischem Schlafmangel betroffen. „Studien zeigen, dass insbesondere Mütter in den ersten Lebensjahren ihrer Kinder weniger erholsamen Schlaf bekommen“, sagt Prickartz. Der „Fragmentierung des Schlafes“, zu der nächtliche Unterbrechungen in Form hungriger Kinder führen, stehen laut Prickartz aber bei jungen Eltern oft positive emotionale Aspekte entgegen: „Der Kontakt zum Kind und positive Gefühle von Nähe, Liebe und Verbundenheit können ein tiefes emotionales Wohlbefinden fördern.“
Wer medikamentös nachhelfen will, kann das mit Baldrian versuchen
Vom unkritischen Griff nach freiverkäuflichem Melatonin raten Schlafmediziner wie Prickartz ab. „Man sollte beachten, dass frei verkäufliches Melatonin aus dem Drogeriemarkt nicht den gleichen strengen Herstellungs- und Qualitätskontrollen unterliegt wie zugelassene Arzneimittel aus der Apotheke; Dosierung und Reinheit können daher variieren“, so der Mediziner. Für unproblematisch hält Prickartz die Einnahme von Präparaten auf Baldrian- oder Hopfenbasis.
Grundsätzlich rät der Arzt aber dazu, die Ursachen der Schlaflosigkeit zu identifizieren. Wer den wachen Stunden zwischen den Laken ein Ende bereiten möchte, der könne nämlich auch ohne medikamentöse Unterstützung viel Erfolgsversprechendes ausprobieren. Dazu gehöre ein regelmäßiger Schlafrhythmus, der auch am Wochenende nicht vom Alltag abweicht, ebenso wie ein Abschalten von Bildschirmen, mindestens eine Stunde vor dem Zubettgehen. Verzichten sollte man auf Koffein am späten Nachmittag oder Abend, Alkohol generell „nur in Maßen konsumieren“. Stattdessen motiviert Prickartz zu mehr Bewegung im Alltag, sowie Lesen oder Meditation vor dem Schlafengehen. Und auch die Schlafumgebung kann zu erholsameren Träumen führen: „Achten Sie auf eine dunkle, kühle und ruhige Schlafumgebung, die frei von Ablenkungen ist.“