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Kommentar

Kölnerinnen aus dem Osten 35 Jahre nach Mauerfall
„Die Hausfrau hatte bei uns ein total schlechtes Image“

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Lesezeit 3 Minuten
Ulrike Bodinka an ihrem Arbeitsplatz

Ulrike Bodinka aus Wesenberg in Mecklenburg-Vorpommern kam 2000 nach Köln.

Wie war es, als Frau in der DDR zu leben? 35 Jahre nach dem Mauerfall erinnert sich Ulrike Bodinka, Kölner Unternehmerin.

„Ich habe das letzte DDR-Abitur gemacht, im Sommer 1989. 1990 bin ich dann nach München gegangen, wo ich eine Patentante hatte, um eine Ausbildung als Hotelkauffrau zu machen. Erst zehn Jahre später kam ich für einen Job nach Köln. Damals fand ich es so toll, dass ich endlich freiheitlich entscheiden konnte, was ich machen wollte.

Man konnte als Mädel ganz normal Schornsteinfeger oder eben Melker werden – das hieß dann nur nicht Schornsteinfegerin, das war Schornsteinfeger, Punkt
Ulrike Bodinka

Bei uns Zuhause in der Familie hängen an einer Pinnwand Notizen aus dem Tagebuch von Erich Loest, in denen steht: „Jemandem die Freiheit zu erklären, der sie immer hatte, ist nicht möglich.“ In der DDR durfte ich nicht entscheiden, was ich lernen möchte, ich durfte nicht entscheiden, ob ich Abitur machen kann oder was ich studieren möchte. Das wurde vorgegeben. Da konnte es schnell passieren, dass gesagt wurde: „Das können Sie sich abschminken mit Ihrem Abitur, wir brauchen jemanden in der Landwirtschaft: Hier haben wir schon einen Vertrag für Sie vorbereitet als Melker.“ Ich durfte nur Abitur machen, weil mein Vater, ein Handwerker, demjenigen, der zuständig war für die Berufsausbildungswahl, einen Schornsteinkopf an dessen Haus gemauert hat.

Das Aufwachsen in der DDR war sehr reglementiert, aber wir waren alle gleich. Ich habe alles gelernt, was die Jungs auch gelernt haben. Man konnte als Mädel ganz normal Schornsteinfeger oder eben Melker werden – das hieß dann nur nicht Schornsteinfegerin, das war Schornsteinfeger, Punkt. Da war die Gleichberechtigung da, auch wenn es diese Emanzipation natürlich aus wirtschaftlichen Gründen gab: wegen des Fachkräftemangels.

DDR: Im Zentralkomittee gab es nur eine Frau – Margot Honecker

Andererseits hatten wir aber auch nie den Gedanken, nicht zu arbeiten. Die Hausfrau hatte bei uns ein total schlechtes Image, die saß ja nur zu Hause, hat Fenster geputzt und Gardinen gewaschen. Frauen waren durch ihre Jobs auch selbstbestimmter, weil sie sich von ihrem Partner scheiden lassen und danach auf eigenen Füßen stehen konnten. Aber in höheren Führungspositionen hat die Gleichberechtigung dann auch schon wieder versagt. Im Zentralkomitee der DDR zum Beispiel gab es nur eine Frau, Margot Honecker, die Frau von Erich Honecker, die für das Bildungsministerium zuständig war.

Trotzdem mussten sich die Frauen im Westen was anderes erkämpfen. Zum Beispiel war Abtreibung in der DDR ab 1972 legal. Ich meine, warum soll ein alter weißer Mann über meinen Körper entscheiden? Ich möchte nicht, dass irgendwer über meinen Körper bestimmt. Und Gleichberechtigung im Allgemeinen war viel früher gesetzlich festgeschrieben.

Aber als ich in den Westen kam, ist mir der Unterschied nicht so sehr aufgefallen, vielleicht weil es in der Branche, in der ich gearbeitet habe, Frauen in bestimmten Führungspositionen gab.“


Der Film „Die Unbeugsamen II“, der am Montag, 21. Oktober, 19 Uhr, Premiere im Kölner Filmpalast feiert, erinnert an starke Frauen aus der DDR. Produziert hat die Hommage der Kölner Leopold Hösch.