Gute Laune trotz Corona?„Es herrscht eine merkwürdige Stimmung gerade, auch in Köln“
Köln – In Zeiten von Corona gibt es viele Menschen, die auf einmal sehr viel Zeit haben. Das bringt zwar einige auf ziemlich dumme Gedanken, es gibt aber auch welche, die gute Ideen bekommen. Tom Herrmann, Friseur und Make-up-Artist, gehört zur zweiten Gruppe. Sechs Wochen lang musste er seinen Salon an der Aachener Straße pandemie-bedingt schließen. Bei Telefonaten mit Kunden, Begegnungen beim Einkaufen oder Spaziergängen mit dem Hund fiel ihm eine veränderte Stimmung auf.
„Das, was mich sonst an Köln und den Kölnern so begeistert, das Offene, das Freundliche, das Gesellige, der Humor, alles war auf einmal weg – das kölsche Herz muss einen mächtigen Schlag abbekommen haben.“ Der Kölsche, sonst „laut, selbstbewusst, aber harmoniebedürftig“, wirke auf einmal unsicher, fast verschämt. „Daher kam bei mir der Gedanke auf, etwas zu schaffen, dass die rheinische Frohnatur trotz Maske wieder sichtbar wird“, sagt Herrmann. „Natürlich im Rahmen der Regeln. Maske tragen, aber sich dabei dennoch erinnern, wer man ist.“
Aktion #blievjeck will Menschen in Corona-Zeit motivieren
Mit der Aktion #blievjeck will er die Menschen motivieren, wieder optimistischer in die Zukunft zu sehen. Deshalb ruft er alle Kölner auf, Fotos zu machen und ihm zu schicken (etwa per Mail an mitmachen@blievjeck.de). Die Idee ist simpel: Bilder sammeln und verbreiten von Menschen – mit Maske, roter Pappnase und einem positiven Spruch. Und so die Isolation überwinden, eine Art Wiedersehen feiern mit den Mitmenschen. Normalerweise seien Friseure bei der Arbeit gute Zuhörer. Jetzt, in der Krise, seien sie allerdings eher als Coaches gefragt, die steuern müssten, welche Themen wie viel Platz bekommen. „Die Stimmung mit Optimismus zu füllen ist anstrengend, aber durchaus möglich“, so Herrmann.
Tom Herrmann war klar, dass die Kampagne für ihn alleine nicht erfolgreich umsetzbar sein würde. Deshalb nutzte er sein Netzwerk und seine Kundenkartei und holte sich Hilfe bei Profis. Dieter Hamacher, früher Marketingchef bei der Telekom, und Fotografin Jennifer Fey waren begeistert von der Idee und stiegen sofort mit ein. „Es herrscht eine merkwürdige Stimmung gerade, auch in Köln“, sagt Fotografin Jennifer Fey.
Unter den Masken stecken ganz normale Menschen
„Schlecht gelaunte Menschen treffen schlechte Entscheidungen – das sieht man nicht zuletzt an den ganzen Verschwörungstheorien, die gerade von überall her zu kommen scheinen. Ich hatte das Gefühl, dass dringend etwas her muss, das die Laune der Menschen hebt.“ Sie wolle daran erinnern, dass unter den Masken ganz normale Menschen stecken – das falle mit einer Prise Humor leichter.
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Hochmotiviert gingen die Drei an die Arbeit, machten die ersten Fotos und Präsentationen, malten sich schon aus, notfalls die Stadt mit ihren Plakaten in einer Nacht- und Nebelaktion zuzukleistern. Doch soweit kam es nicht, denn eine Anfrage bei der Werbefirma Ströer stieß auch dort auf große Begeisterung, das Positive der Kampagne überzeugte die Macher.
FK-Präsident Christoph Kuckelkorn übernimmt Schirmherrschaft
Ströer unterstützt #blievjeck und stellt kostenlos Freiplätze auf seinen digitalen Werbetafeln zur Verfügung. Das Festkomitee Kölner Karneval (FK) und Präsident Christoph Kuckelkorn übernahmen die Schirmherrschaft „#Blievjeck soll aus meiner Sicht ein wenig Mut machen in dieser Zeit, die für uns alle nicht einfach ist“, so der FK-Präsident. „Dafür steht auch der Karneval – gerade in schwierigen Situationen wie etwa nach dem Krieg oder in Wirtschaftskrisen.“ Die Menschen aller Altersstufen in Köln seien bekannt für ihren Frohsinn, ihre Weltoffenheit und ihre gute Laune.
„Das wollen wir uns durch das Coronavirus nicht nehmen lassen“, so Kuckelkorn. „Zugleich steht der Karneval aber auch für Zusammenhalt und gesellschaftliches Miteinander.“ Der Kölner sei das Verkleiden, das sich Maskieren ja gewohnt. „Nur das dies im Karneval ja eher freiwillig geschieht und man oft eine andere Identität annehmen möchte. Aber eine Maske sollte den Kölnern niemals die gute Laune nehmen.“
Rechtsanwalt lässt Namen schützen
Auch die Agentur Counterpart konnte überzeugt werden, die Kampagne zu unterstützen, man fand sogar einen Rechtsanwalt, der den Namen schützen ließ. Offensichtlich hatte Hermanns Idee einen Nerv getroffen – alle Unterstützer arbeiten kostenlos, die Kampagne #bliev jeck stand im Kern innerhalb von vier Tagen und hat bisher keinen Cent gekostet. Für die Druckkosten von zusätzlichen analogen Plakaten sucht man jetzt einen Sponsor.
„Eine Psychologin hat mir gesagt, Optimismus und positives Denken seien die Grundpfeiler für gesunde, zwischenmenschliche Beziehungen“, erzählt Herrmann, der als 18-Jähriger aus dem Westerwald nach Köln kam und hier menschliche Eigenschaften antraf, die er von zuhause nicht kannte. „Ich fühlte mich gerettet, habe in hohem Maße positive Dankbarkeit der Stadt gegenüber.“ Und er ist Optimist.
Gerade die durch die Krise Verunsicherten würden durch positive Bilder gestärkt. Indem man das Krisensymbol Mundschutz positiv besetzt, helfe man den Menschenbei der Suche nach einem neuen Selbstverständnis. „Humor ist der wohl am meisten belächelte Lebensretter, den wir haben.“