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Abstandsregeln werden kaum eingehaltenWie die Stadt an Kölner Hotspots durchgreift

Lesezeit 5 Minuten

Freitagabend (22. Mai) auf dem Brüsseler Platz: Das Ordnungsamt bittet Feiernde, Abstände zu wahren.

  1. In den Kneipen- und Vergnügungsvierteln der großen Städte werden an lauen Sommerabenden die Schutz- und Abstandsregeln kaum mehr beachtet.
  2. Das wurde am Wochenende auch in Köln deutlich. Die Stadt griff durch und sperrte die ersten Plätze ab.
  3. Wir erklären, wie die Hotspots im Kölner Nachtleben in den nächsten Wochen wirkungsvoll geschützt werden sollen.

Köln – Die wenigen Wochen des Lockdowns sind fast vergessen. Als habe es Corona nie gegeben, versammeln sich wieder Hunderte Menschen an Kölns beliebtesten Orten. Die Stadt reagiert und sperrt die ersten Plätze ab. Die Leute kommen trotzdem und gehen erst, wenn die Ordnungsbehörden mit starken Kräften anrücken. Was läuft da schief?

Viele Kölner scheinen den häufig wiederholten Appell von OB Henriette Reker ignoriert oder inzwischen vergessen haben, draußen auf Abstand zu anderen zu gehen. An Christi Himmelfahrt ließen abends mehrere Hundert Menschen am Brüsseler Platz und am Rheinboulevard den bisher wärmsten Tag des Jahres bei Kioskbier und Stehwein ausklingen. Mindestabstände wurden kaum noch eingehalten. Den Bildern dieses Abends ist anzusehen, dass viele offenbar die Krise schon für überwunden halten. Die Stadt sprach von „massenhaft festgestellten Kontaktverbotsverstößen“.

Was war passiert?

Allein am Brüsseler Platz im Belgischen Viertel, auch zu normalen Zeiten eines der beliebtesten Ausgehzentren, kamen bis zu 400 Menschen zusammen, sagte Stadtdirektor Stephan Keller. Das Ordnungsamt schaute dem Treiben nicht länger zu und räumte den Platz kurz vor Mitternacht. Ähnliche Szenen am Rheinboulevard: Auch hier trafen sich nach Angaben der Stadt etwa 400 Leute, es habe teils Ansammlungen von jeweils zehn Personen gegeben, auch hier wurde geräumt.

Der volle Rheinboulevard an Christi Himmelfahrt.

Umgehend reagierte die Stadt und kündigte Sperrungen für den Brüsseler Platz und den Rheinboulevard zum frühen Nachmittag an – zunächst gültig bis 5. Juni. Zu lang, zu unspezifisch und insgesamt nicht zielführend, fanden zwar die Grünen im Kölner Rat. Doch Johannes Nießen, Leiter des Gesundheitsamts, stellte klar: Durch die „extrem hohen Risikofaktoren einer unüberschaubaren Zahl von Personen – nämlich Dauer, Anzahl und Intensität der Kontaktmöglichkeiten“ – sei nur ein Aufenthaltsverbot zur Gefahrenbeseitigung geeignet, ein milderes Mittel sei nicht ersichtlich.

Wie verlief das vergangene Wochenende?

Unterschiedlich, aber es war kaum weniger voll. Am Freitagabend war der Rheinboulevard wieder mit Hunderten Menschen so gefüllt, dass Ordnungsamt und Bereitschaftspolizei anrückten und den Bereich räumten. Die Sperrungen dort existierten dann von Samstag an in Form von teils umgeschmissenen Barken, an denen Zettel mit Hinweisen hingen. Wer wollte, kam wie über eine rote Ampel trotzdem auf die Treppe, was am Samstag bei noch schönem Wetter wieder Dutzende taten. Gegen Abend sei das Ordnungsamt vorgefahren und habe die Menschen bewegen können, zu gehen, sagte eine Stadtsprecherin. Eine Räumung fand demnach nicht statt.

Anders war das am Brüsseler Platz, wo aber auch keine Absperrungen zu sehen waren. Viele seien der Aufforderung zunächst nicht gefolgt, den Platz zu verlassen, heißt es seitens der Stadt. Gegen 22.45 Uhr sei dann geräumt worden.

Hatte sich das angedeutet?

Ja, vollkommen überrascht haben können die Szenen die Ordnungsbehörden jedenfalls nicht. Seit Beginn der Corona-Krise hatte es immer wieder Menschenansammlungen an beliebten Orten in Köln gegeben, darunter auch im Grüngürtel am Aachener Weiher. Platzsperrungen erteilte OB Reker dennoch bereits kurz vor Ostern eine Absage. Damals habe es nur wenige registrierte Verstöße gegen die Corona-Schutzverordnung gegeben. „Wenn das so bleibt, müssen wir über Platzsperrungen gar nicht nachdenken“, sagte Reker – obwohl es schon damals auf den Plätzen teilweise so voll war, dass Abstände kaum einzuhalten waren.

Der volle Rheinboulevard am sonnigen Wochenende vor Ostern.

In der Zwischenzeit wurde der Rheinboulevard am 23. April, am 9. und 19. Mai, bisweilen mit Unterstützung einer Einsatzhundertschaft der Polizei geräumt. Dort hielten sich zu gewissen Zeiträumen mehr als 700 Menschen auf. Am Wochenende 15./16. Mai wurden 45 Verstöße gegen die Corona-Regeln geahndet. „Leider gibt es immer noch zu viele, die entgegen jeglicher Mahnungen und Bitten ihre Rebellion darin zeigen, sich noch immer in Gruppen, auf dem Rheinboulevard oder in Parks, zusammenzufinden und Streifenteams anzupöbeln. Diese Menschen zeigen einfach nur, dass sie es noch immer nicht verstanden haben“, sagte Kölns Polizeipräsident Uwe Jacob schon Ende April.

Nießen fügte am vergangenen Wochenende hinzu: „Zum Teil halten sich so viele Personen in dem beschriebenen Bereich auf, dass die Einhaltung der Abstandsregeln faktisch nicht möglich ist und durch den bloßen Aufenthalt bereits ein Verstoß begangen wird.“ Die Stimmung gegenüber einschreitenden Ordnungskräften dort sei „vermehrt aggressiv.“

Was sagen Wirte am Brüsseler Platz?

„Ich finde es ausgesprochen unfair, dass der Brüsseler Platz als einziger gesperrt wird“, sagt Angeliki Karpathiotakis vom „Little Candia“. Das sei willkürlich. Schließlich gebe es noch andere Plätze, an denen viel los sei. „Dann stehen die Leute 300 Meter weiter, und da wird dann nicht geräumt“, ist ihre Erfahrung. Vor allem aber seien die Gäste jetzt sehr verunsichert. „Viele denken, das Verbot betrifft auch die Außengastronomie und trauen sich gar nicht, sich bei uns hinzusetzen.“ Sie habe dadurch Einnahmeverluste. So einen schwachen Besuchertag wie den vergangenen Sonntag habe sie noch nie erlebt. „Wir haben es zurzeit ohnehin sehr schwer, jetzt kommt das noch hinzu.“

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Das beklagt auch Alpay Özgül, Chef des „C.C. Kowalski“. „Auf den Schildern der Stadt steht ja einfach nur, dass der Platz gesperrt ist. Das verstehen viele so, als sei auch die Außengastronomie geschlossen. Wir haben jetzt definitiv weniger Gäste.“ Da müsse besser kommuniziert werden. Auch er habe erst aus der Zeitung von der Sperrung erfahren.

Was machen andere Städte in NRW?

Größere Ansammlungen bei hohen Temperaturen sind kein Kölner Phänomen, auch wenn es hier besonders oft zutage tritt. In Düsseldorf haben Polizei und Ordnungsamt mehrfach die Freitreppe am Burgplatz geräumt und gesperrt. In Bonn wurde Mitte April der Frankenbadvorplatz in der Altstadt geräumt, die Heerstraße zur Zeit der Kirschblüte gesperrt, um Touristenströme zu verhindern. Sperrungen gab es auch in Münster, Dortmund und Leverkusen. (mit cv)