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„Die Zeiten werden härter für Bürger“Haushaltsexperte beurteilt Kölner Finanzlage

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Eine Sitzung des Rates der Stadt Köln

Eine Sitzung des Rates der Stadt Köln

Die Stadt gibt mehr Geld aus, als sie einnimmt. Im Interview spricht Haushaltsexperte René Geißler darüber, was das für die Menschen heißt.

Wie bewerten Sie den Haushalt, den die Kölner Kämmerin vorgelegt hat?

René Geißler: Letztlich tritt das Erwartbare ein: Die Stadt Köln hat zwar wachsende Erträge, aber der Aufwand steigt stärker. Es handelt sich um eine recht klassische Situation: Die Aufwendungen etwa im sozialen Bereich oder im Personalbereich steigen. Dazu kommen die steigenden Baukosten oder die Inflation. Die Stadt versucht dagegen zu steuern, doch die Maßnahmen fallen recht klein aus. Rund 100 Millionen Euro jährlich bei einem Haushalt von mehr als sechs Milliarden Euro ist nicht besonders viel. Die Möglichkeiten der Stadt sind aber auch begrenzt, weil sie viele Aufgaben von Bund und Land übernimmt. Die Stadt hätte noch deutlich stärker die Axt anlegen können, das möchten die Verantwortlichen aber offenbar nicht.

Was meint „die Axt anlegen“?

Dann würde eine Stadt sich von Leistungen trennen oder deutlich weniger investieren oder die Steuersätze massiv erhöhen. Doch dafür braucht es Beschlüsse des Stadtrates, der sich mit höheren Steuern oder anderen Einschränkungen oft schwertut.

René Geißler ist Professor für öffentliche Wirtschaft und Verwaltung an der Technischen Hochschule Wildau.

René Geißler ist Professor für öffentliche Wirtschaft und Verwaltung an der Technischen Hochschule Wildau. Er promovierte mit einer Arbeit zur Haushaltskonsolidierung in Kommunen.

Was kann die Stadt für diese Haushaltskrise? Sie argumentiert damit, dass Bund und Land ihr immer mehr Aufgaben zuweisen, dafür aber nicht bezahlen.

Oft sind es nicht neue Aufgaben, sondern alte, die größer werden. Ein Beispiel ist der erleichtere Zugang zum Wohngeld, den der Bund vor Jahren beschlossen hat. Das muss die Stadt Köln zwar nicht finanzieren, aber das Personal zur Bearbeitung einstellen. Sicherlich rund 90 Prozent der Aufgaben haben irgendwie einen Bezug zu Bund und Land. Das heißt aber nicht, dass die Stadt Köln selbst einflusslos ist. Wie intensiv sie und mit welcher Qualität sie die Aufgabe erfüllt, liegt bei der Stadt selbst. Wenn sie dort Abstriche macht, würden das die Bürgerinnen und Bürger dann aber auch merken.

Angesichts der aktuellen Lage: Mit all diesen Problemen ist die Stadt Köln nicht allein?

Ja. Haushaltsdefizite für das kommende Jahr sind sicher eher die Regel als die Ausnahme. Es wird einfach alles teurer. Die Erträge wachsen zwar auch, aber eben nicht so stark.

Über die nächsten fünf Jahre geht die Kämmerin von mehr als zwei Milliarden Euro Defizit aus. Das klingt dramatisch.

Diese Zahl muss man in das Verhältnis zum Gesamthaushalt setzen, der über sechs Milliarden Euro liegt. Aber klar, es ist eine gravierende Zahl, die Folgen zeigen wird – wenn es so auch eintritt, es sind ja auch erstmal nur Prognosen. Wenn die Prognose sich aber bewahrheitet, muss die Stadt Kassenkredite aufnehmen, deren Bedingungen teurer als in der Vergangenheit sind. Und dann müsste die Stadt ihre eigenen Sparpotenziale in der Haushaltsplanung noch viel stärker als bisher verfolgen.

Und das würden die Bürgerinnen und Bürger merken?

Ja, und zwar über höhere Gebühren und höhere Steuern, die Klassiker eben. Und die Stadt würde die Ausgaben für Investitionsprojekte wohl reduzieren müssen. Das würde über die Qualität von zum Beispiel Straßen und Schulen zumindest mittelfristig sichtbar. Auch Maßnahmen gegen den Klimawandel wären in diesem Umfang nicht mehr möglich.

Es kommen also jetzt erstmal härtere Zeiten auf die Bürgerinnen und Bürger zu?

Ja, auf jeden Fall. Die Zeiten werden härter. Es hängt alles an der Konjunktur und die Stadt Köln ist sehr abhängig von den Steuereinnahmen.

Der Rat soll erst im Februar über den Haushalt 2025/2026 entscheiden. Ab dem 1. Januar gilt also eine vorläufige Haushaltsführung. Was bedeutet das für freie Träger und ihre Arbeit, die bislang Geld von der Stadt erhalten haben?

Die Träger, die noch keine rechtsverbindliche Zusage haben, müssen warten, bis der Haushalt genehmigt ist. Aber etwa Kita-Träger, die schon einen Zuwendungsbescheid haben, oder Firmen mit geschlossenen Verträgen erhalten ihr Geld. Die Stadt darf in der Zeit aber beispielsweise keine neuen Bauprojekte starten.

Üblicherweise rutscht eine Stadt ins Haushaltssicherungskonzept, wenn sie zwei Jahre in Folge mehr als fünf Prozent ihrer Rücklage entnimmt. Sie hat dann weniger Spielraum. Das Land erlaubt nun, dass Verluste in die Zukunft verlagert werden können, um unter der Marke zu bleiben. Über die nächsten fünf Jahre entnimmt die Stadt dreimal mehr als sieben Prozent ihrer Rücklage und zweimal gerade so unter fünf Prozent.

Natürlich sind Zahlen knapp unter der wichtigen Fünf-Prozent-Marke kein Zufall. Dass das Land NRW nun das Haushaltsrecht gelockert hat, ist keine neue Strategie. Wir haben Ähnliches schon während der Covid-Pandemie gesehen. Aber das ist keine Lösung des Problems. Kurzfristig wird eine Eskalation vermieden, aber das Problem der Defizite wird in die Zukunft verschoben. Das ist eine Notlösung, um die Kommunen erst einmal handlungsfähig zu halten.