Was sind Kölns Grünanlagen, Kulturbauten oder Straßen wert? Wie entwickelt sich ihr Wert? Das ist angesichts großer Investitionen wichtig.
„Große finanzielle Herausforderungen“So steht es um Kölns Finanzen – Kleinste Straße ist null Euro wert
Köln steht in den nächsten Jahren vor immensen Herausforderungen, die viel Geld kosten: Da sind die Zusammenlegung der städtischen Kliniken in Merheim, die Verkehrswende, die Energiewende, ein möglicher neuer U-Bahn-Tunnel in der Innenstadt, die Sanierung der Kulturbauten und der Rheinbrücken.
Angesichts dieser Milliarden-Summen lohnt ein Blick auf den städtischen Haushalt und die Frage, was der Besitz der Stadt Köln wert ist, wie er sich entwickelt, wo eine Stadt überhaupt sparen kann. Es geht unter anderem um Brückenbauten, Gemälde in den Museen oder einzelne Straßen. Ein Beispiel: Die Kölner Grünanlagen stehen mit einem Wert von rund 925 Millionen Euro in der Bilanz. Aber was bedeutet das? Und wie gut ist Köln finanziell aufgestellt für die Zukunft? Voriges Jahr hatte Kämmerin Dörte Diemert „keine Spielräume für zusätzliche Belastungen“ ausgerufen.
Steuererhöhungen waren zuletzt tabu
Die Bestandaufnahme der städtischen Finanzen sei für alle Bürgerinnen und Bürger relevant – sagt René Geißler, Professor für öffentliche Wirtschaft und Verwaltung der Technischen Hochschule Wildau: „Hinter diesen Euro-Zahlen stehen öffentliche Einrichtungen, wie zum Beispiel Straßen, Schulen, Bibliotheken oder öffentliche Leistungen wie Elterngeld, Personalausweis, Baugenehmigungen. Wenn die Zahlen des Haushaltes nicht mehr im Lot sind, muss die Stadt mit Kürzungen reagieren, was mittelfristig zu schlechteren Einrichtungen und schlechterem Service führt. Und das merken die Bürgerinnen und Bürger dann im Alltag an vielen Stellen.“ Und höhere Steuern als Einnahmequellen hat die Stadt Köln in den vergangenen Jahren stets ausgeschlossen.
Im Kölner Haushalt lässt sich analysieren, wie sich der Besitz der Stadt entwickelt (siehe Tabelle). Beispielhaft zeigt das Kölns prominenteste Baustelle, die Sanierung der Bühnen am Offenbachplatz: Von 2017 bis heute ist der Wert gestiegen, und zwar von 308,4 auf die vorläufige Summe von 544,1 Millionen Euro im Jahr 2022. Da der Jahresabschluss noch nicht fertig ist, handelt es sich um eine vorläufige Summe. Der Grund für den Wertzuwachs der Bühnen ist die Sanierung.
Genau anders verhält es sich mit dem Museum Ludwig: Sein Wert ist in den vergangenen fünf Jahren von 97,7 auf 80,3 Millionen Euro gesunken. Und Kölns kleinste Straße, die 16 Meter lange Tipsgasse, ist statt 76 Euro nun nur noch null Euro wert, weil sie abgeschrieben ist. Geißler sagt: „Wenn die Werte im Jahresverlauf sinken bedeutetet dies, dass die Abschreibungen nicht durch Instandhaltung ersetzt werden. Also der bekannte Investitionsstau.“
In Köln sind davon vor allem die Kulturbauten betroffen, in den nächsten Jahren stehen etliche Sanierungen an: Römisch-Germanisches Museum, Museum Ludwig und Philharmonie, Museum für Ostasiatische Kunst, Wallraf-Richartz-Museum und das Museum für Angewandte Kunst. Dazu kommen viele Schulen und die Rhein-Brücken.
Summen sind laut Experte keine realistischen Markwerte
Bei den Grundstücken, die auch heute noch unbebaut sind, hat sich nicht viel getan: Aus 490 sind seit 2017 vorläufig 487 Millionen Euro geworden. Anders ist es bei Straßen und Wegen, deren Wert von 598 auf 452,1 Millionen Euro gefallen ist, auch Parkhäuser und Tiefgaragen sind weniger wert: Statt 10,2 sind es nur noch 6,3 Millionen Euro.
Allerdings sind diese Summen laut Geißler nur Statistik, sie haben nichts mit einem realistischem Marktwert zu tun. Geißler sagt: „Größtenteils sind die Vermögensposten nicht verkäuflich. Ihr Buchwert gilt nur auf dem Papier, es handelt sich um keinen realen Wert. Die Stadt Köln kann nicht sagen, dass sie hundert Millionen Schulden deckt, in dem sie Parks oder Schulen für hundert Millionen Euro verkauft.“ Das gilt laut Geißler auch für die Bilanzsumme, die zuletzt sogar gestiegen ist.
Bessere Zahlen als prognostiziert
Für die nächsten Jahren bis 2027 geht Kämmerin Diemert von vielen hunderten Millionen Euro Verlust aus, je nach Art der Bilanzierung summiert sich das auf bis zu 836 Millionen Euro. Das bleibt nicht ohne Konsequenzen, im Haushalt heißt es dazu: „Langfristig muss die Stadt Köln nicht nur den Haushalt konsolidieren, sondern das in den vergangenen Jahren reduzierte Eigenkapital im Sinne einer nachhaltigen Haushaltswirtschaft wieder aufbauen. Entsprechend muss der städtische Haushalt in den nachfolgenden Jahren Jahresüberschüsse erwirtschaften.“ Auch Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) hatte zuletzt angekündigt, die Stadt müssen den Gürtel enger schnallen und alles auf den Prüfstand stellen.
Allerdings ist ein Haushalt immer auch eine Prognose, es kann sich schon mal anders entwickeln: Beispielsweise war die Stadt für 2020 aufgrund von Corona von einem Minus von 51,3 Millionen Euro ausgegangen, doch durch finanzielle Hilfen von Bund und Land war es letztlich ein Plus von 234,6 Millionen Euro. Auch 2021 war es statt eines Defizits ein hohes Plus von 181,6 Millionen Euro, unter anderem weil die Stadt die Corona-Kosten außerhalb des Haushaltes isolieren darf. Doch damit ist es ab 2026 vorbei.
Finanzexperte Geißler ist nicht besonders optimistisch, er sagt: „Zweifelsohne steht die Stadt Köln vor eminent großen finanziellen Herausforderungen. Selbst wenn man diese buchhalterisch oder durch etwaige Sparmaßnahmen mindert, bleiben natürlich die Probleme in der Realität bestehen, also Brücken, Schulen, öffentlicher Personennahverkehr etc. Die einzige 'Lösung' wäre, auf Wirtschaftswachstum zu hoffen, so wie 2014 bis 2019, aber das ist angesichts Energie, Russland/China, Demografie trügerisch und würde auch nicht reichen.“