Fast 900 Personen in Köln haben 2023 eine entsprechende Diagnose erhalten – der zweithöchste Wert in 20 Jahren. Eine Infektiologin erklärt, was dahintersteckt.
HIV, Syphilis, Hepatitis BSo verbreitet sind sexuell übertragbare Krankheiten in Köln
Mehr als 850 Personen in Köln haben im vergangenen Jahr eine Syphilis-, HIV- oder Hepatitis-B-Diagnose erhalten. Es ist der zweithöchste Wert der vergangenen 20 Jahre – doch die Dunkelziffer dürfte noch deutlich höher sein.
Die drei sexuell übertragbaren Krankheiten sind bundesweit meldepflichtig und daher die einzigen Geschlechtskrankheiten, für die beim Robert Koch-Institut, der zentralen Einrichtung der Bundesregierung auf dem Gebiet der Krankheitsüberwachung, verlässliche Zahlen vorliegen. Andere Geschlechtskrankheiten wie Chlamydien oder Gonorrhoe, umgangssprachlich auch als Tripper bezeichnet, unterliegen keiner Meldepflicht.
Syphilis, HIV, Hepatitis B: So viele Menschen sind in Köln betroffen
Doch wer sind die Menschen, die sich infizieren? Wer ist besonders gefährdet? Und wie lässt sich einer Ansteckung vorbeugen? Auffällig ist die je nach Geschlecht unterschiedliche Häufigkeit, mit der Syphilis, HIV und Hepatitis B diagnostiziert werden: Während 2023 in Köln 404 Männer eine Syphilis-Diagnose erhalten haben, waren es lediglich neun Frauen. In drei Fällen war die erkrankte Person divers oder ihr Geschlecht nicht bekannt. Das Robert Koch-Institut schreibt dazu: „Der weit überwiegende Anteil von Infektionen wird bei Männern diagnostiziert (>90 Prozent). Bei Frauen ist die Altersgruppe der 25-29-Jährigen, bei Männern die der 30-39-Jährigen am häufigsten betroffen. Der überwiegende Anteil von Infektionen bei Männern wird von Männern, die Sex mit Männern haben, erworben.“
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Ähnlich sieht die Geschlechterverteilung bei HIV-Diagnosen aus: Hier waren im vergangenen Jahr in Köln 66 Männer und 17 Frauen betroffen. In einem Fall ist das Geschlecht nicht bekannt. Das Robert Koch-Institut weist darauf hin, dass sich HIV- und Syphilis-Infektionen gegenseitig begünstigen: „Angaben zu einer HIV-Koinfektion werden seit dem Jahr 2016 erhoben. Seitdem wurde etwa bei der Hälfte der gemeldeten Syphilis-Infektionen von MSM eine HIV-Koinfektion angegeben.“
Auch bei Hepatitis-B-Diagnosen überwiegt der Anteil der Männer, allerdings weniger deutlich: 219 Männer haben 2024 in Köln eine Hepatitis-B-Diagnose erhalten sowie 142 Frauen. Eine Sprecherin des Kölner Gesundheitsamts sagt dazu auf Nachfrage: „Hepatitis B hat anders als HIV und Syphilis eine andere epidemiologische Verbreitung und Verteilung, sodass sich die Infektionsausbreitung nicht auf Geschlechts-bezogene-Szenen beschränkt.“
Die Zahl der gemeldeten Hepatitis-B-Fälle ist seit 2021 sprunghaft gestiegen. Das hängt aber nicht unbedingt mit einem rasanten Anstieg der tatsächlichen Ansteckungen, sondern mit mehr entdeckten Infektionen zusammen. Clara Lehmann, Leiterin der Infektiologischen Ambulanz der Uniklinik Köln, erklärt: „Die Zahl der Hepatitis-B-Infektionen ist unter anderem deswegen angestiegen, weil mittlerweile mehr getestet wird. Das ist zunächst einmal gut, denn nur, wenn man Infektionen identifiziert, können sie auch behandelt werden.“ Seit Oktober 2021 kann in Vorsorgeuntersuchungen ab 35 Jahren kostenlos auf Hepatitis B und C getestet werden.
Das Kölner Gesundheitsamt verweist in Bezug auf gestiegene Infektionszahlen zudem auf die Auswirkungen der Fluchtmigration aus der Ukraine, wo die Prävalenz von Hepatitis-B-Infektionen höher ist als in Deutschland.
Derweil zeigen sich große Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Gebieten: Während die Syphilis-Inzidenz, also die Zahl der Erkrankten auf 100.000 Einwohner gerechnet, nach RKI-Angaben in Köln zuletzt bei 38,8 lag, beträgt sie im ländlichen Umfeld der Region Köln gerade einmal 7,0 (dazu zählen die Kreise Aachen, Düren, Euskirchen, Heinsberg, sowie der Oberbergische Kreis, Rhein-Erft-Kreis, Rheinisch-Bergischer Kreis und Rhein-Sieg-Kreis, Anm. d. Red.).
Warum gibt es mehr Syphilis-Infektionen im städtischen Raum als auf dem Land?
Woran das liegt, kann Infektiologin Lehmann erklären: „Diese Infektionen kommen vornehmlich bei Männern, die Sex mit Männern haben, vor. Fachsprachlich werden diese als MSM bezeichnet. Gerade Köln ist eine Hochburg für MSM, viele kommen auch aus dem Umland hierhin. Zum einen ist hier die Szene so, dass es viele Clubs, viele Lokale gibt. Zum anderen können Menschen in der Großstadt viel eher ihre Sexualität und ihre Identität ausleben, ohne stigmatisiert zu werden. Daher kommen solche Infektionen in Ballungsgebieten häufiger vor.“
Ähnlich sieht es bei HIV- und Hepatitis-B-Infektionen aus: Hier lagen die Inzidenzen in Köln im Jahr 2023 bei 7,8 beziehungsweise 33,6 Infektionen pro 100.000 Einwohner. Im ländlichen Raum der Region Köln lagen die Inzidenzen bei 2,7 beziehungsweise 25,5.
Eines der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen lautet, sexuell übertragbare Krankheiten bis 2030 so einzudämmen, dass sie keine Gefahr mehr darstellen. Bei HIV-Neuinfektionen ist es bislang gelungen, dass sich die Zahl der Neuinfektionen dank Aufklärung, Tests und Prophylaxe-Angeboten auf einem stabilen Niveau bewegt. In Köln ist die Zahl der HIV-Diagnosen zuletzt auf den niedrigsten Stand seit mindestens 2001 gesunken.
Sexuell übertragbare Krankheiten: Mehr Tests und Aufklärung nötig
Clara Lehmann von der Kölner Uniklinik hält diese Entwicklung dennoch nicht für befriedigend: „Wir haben es immer noch nicht ausreichend hinbekommen, diese Erkrankungen besser zu kontrollieren, engmaschiger zu untersuchen, regelmäßig zu testen. Wir leben in einem reichen Land, wieso geht das nicht?“, sagt sie. „Momentan werden HIV-Tests lediglich auf freiwilliger Basis durchgeführt. Wenn man diese Tests konsequent, zum Beispiel im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen durchführen würde, und nochmal massiv aufklären, könnte man viele bisher unentdeckte Infektionen identifizieren und die Betroffenen direkt therapieren.“
Risikogruppen müssten zudem mehr über sogenannte PrEP-Medikamente aufgeklärt werden (Abkürzung für Prä-Expositions-Prophylaxe: Bei dieser Schutzmethode nehmen HIV-negative Menschen ein HIV-Medikament ein, um sich vor einer Ansteckung mit HIV zu schützen, Anm. d. Red.), fordert Lehmann. Zuletzt waren diese Medikamente jedoch in Deutschland nicht mehr ausreichend verfügbar. „Wir sollten nicht denken, dass alles okay ist. Eine HIV-Infektion ist eine chronische Erkrankung, die man sein ganzes Leben trägt. Man kann zwar gut damit leben, aber die Stigmatisierung, die Betroffene immer noch erleben – im Privaten, im Beruflichen, in der medizinischen Betreuung – ist ganz, ganz furchtbar.“
Auch bei Syphilis-Infektionen sei deutlich mehr Aufklärung nötig, fordert Lehmann: „Syphilis ist eine sexuell übertragbare Infektion, die man lange Jahre überhaupt nicht mehr gesehen hat. Erst vor 15, 20 Jahren traten wieder vermehrt Fälle auf. Zum Teil lässt sich das auf die HIV-Präexpositionsprophylaxe zurückführen. Wer diese Medikamente einnimmt und deswegen ungeschützten Sex hat, kann sich dennoch mit anderen Krankheiten wie zum Beispiel Syphilis infizieren“, so Lehmann. Wichtig sei deshalb auch hier, über die Infektion aufzuklären – auch im medizinischen Bereich. „Es gibt immer wieder Patienten, die von Arzt zu Arzt gereicht werden und keiner kommt auf die Idee, sie mal auf Syphilis zu testen.“