Selina Meurer ist Imkerin – immer noch eine Seltenheit in der Männerdomäne. Jetzt hat sie ihren ersten Honig geerntet.
Imkern im TrendGroße Liebe Biene – Was Selina Meurer an ihren Völkern im Blücherpark so fasziniert
Im weißen Imkeranzug betritt Selina Meurer die Schrebergartensiedlung im Blücherpark. Es ist bereits Abend und nur noch wenige Menschen verweilen in ihren Gärten. Um Meurer herum blüht es, grün, orange, lila. In ihrem weißen Anzug passt sie auf den ersten Blick überhaupt nicht in die Gartenanlage, aber den braucht Selina Meurer, um nicht von ihren Bienen gestochen zu werden. „Entschuldigen Sie“, ruft ein älterer Herr aus einem Garten. Meurer bleibt stehen, lehnt sich ans Tor. „Ihre Bienen, die fliegen die ganze Zeit in meinem Garten herum. Könnte ich da nicht mal so ein Gläschen Honig bekommen?“ Selina Meurer nickt, gerade hat sie den ersten eigenen Honig abgefüllt. Sie verspricht, ein Glas vorbeizubringen, verabschiedet sich und geht weiter.
Am Ende des Weges stehen sechs Holzkisten, sogenannte Bienenbeuten. Hier leben Meurers Bienen. Über einen Kollegen kam sie zur Imkerei, mitten in der Corona-Pandemie meldete sie sich für einen Online-Imkerkurs an und lernte sozusagen alles über Leben und Sterben der Honigbiene: Körperaufbau, Zusammenleben, Haltung. Seit zwei Jahren hält sie nun ihre Völker im Blücherpark.
Mindestens einmal pro Woche schaut Selina Meurer nach ihnen. Sie trägt dicke Handschuhe, um sich vor Stichen zu schützen. Langsam und vorsichtig holt Meurer Wabe für Wabe aus der Beute. Prüfend schaut sie auf die vielen Bienen, die umherkrabbeln, einige hängen in Ketten aneinander. Meurer greift nach einer weißen Flasche und sprüht etwas Milchsäure auf die Wabe, als Mittel gegen die Varroa-Milbe. Seit den 1960er-Jahren befällt sie die Bienen in Europa, schadet ihrem Immunsystem. Sofort schwärmen die Tiere auf, die Imkerin muss kurz innehalten, bis sie ihre Arbeit fortsetzen kann. „Ist ja gut, entspannt euch!“, ruft sie ihren Bienen zu.
Bienen sind keine Haustiere
Das Leben ihres Bienenvolkes fasziniert Selina Meurer – besonders, wenn sie Bienenlarven beim Wachsen zusieht. „Das ist ein total schöner Moment, wenn ich sehe, dass aus einer Puppe ein Köpfchen mit ganz großen Augen herausschaut, das sich gerade freigefressen hat. Ich bin live bei der Geburt dabei.“ Als Haustiere sieht sie ihre Bienen trotzdem nicht. „Ich glaube, da müsste ich sie näher bei mir haben – und streicheln können.“ Anders als beispielsweise bei Hunden könne man sich auch schlechter erklären, warum Bienen sich auf eine bestimmte Art und Weise verhalten. Für Selina Meurer ist das besonders spannend, sie beobachte ihre Tiere und versuche, sie zu verstehen: „Manchmal kann ich richtig zuschauen, wie sie kommunizieren, wenn sie mit dem Hinterleib wackeln und einander zeigen, wo eine gute Futterquelle ist.“
Oft passieren Dinge, auf die Selina Meurer im Imkerkurs nicht vorbereitet wurde. Eines ihrer Bienenvölker hat keine Königin – das ist untypisch, ohne Königin ist ein Bienenvolk normalerweise nicht überlebensfähig. „Völker ohne Königin sind eigentlich total unruhig. Dass meine Bienen so entspannt sind, hat mir am Anfang niemand geglaubt“, erzählt Meurer. Über das Zusammenleben von Bienen weiß man bei weitem nicht alles. Genau das macht die Imkerei für sie so spannend.
Imkern wird immer beliebter
Als junge Imkerin personifiziert Selina Meurer einem Trend: Die Zahl der Imker in Nordrhein-Westfalen hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Aus 62.000 Bienenvölker im Jahr 2014 wurden 163.000 in diesem Jahr. Vor allem in Städten verbringen immer mehr Menschen ihre Freizeit mit dem Imkern, so die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen.
Zudem gäbe es auch immer mehr Imkerinnen, auch wenn die Imker-Szene nach wie vor männlich geprägt ist. „Als ich zum ersten Mal beim Imkerverein war, dachte ich: Hier sind ja nur Männer“, sagt Selina Meurer. Sie schätzt den Anteil an Frauen unter Imkern in ihrem Umfeld auf ein Drittel.
Warum mehr Männer als Frauen Bienen halten, kann sie sich nur schwer erklären: „Natürlich ist das manchmal ein körperlicher Kraftakt. Aber was ich nicht in den Armen habe, habe ich im Kopf.“ Selina Meurer behilft sich beispielsweise mit aufgeteilten Honigräumen – dem Teil der Beute, in dem die Bienen ihren Honig anlegen. „Ein voller Honigraum wiegt oft 20 Kilogramm. Wenn ich aber einen geteilten Honigraum habe, trage ich lieber zweimal 10 Kilogramm.“ Bei der Honigernte unterstützten sie Freundinnen, die mit ihr die vollen Waben zum Auto brachten.
Für den Honig fehlt noch der passende Name
Wenn die Pflanzen verblühen, beginnt für Selina Meurers Bienen der Winter. Sie wiegt die Tiere vorher, kontrolliert noch einmal den Milbenbefall und das Futter. Ansonsten kann sie nur abwarten: „Im letzten Jahr habe ich einfach nur gehofft, dass sie den Winter gut überstehen.“ Erst im Frühjahr, wenn es blüht, werden ihre Bienen wieder ausschwärmen.
In den vergangenen beiden Jahren hat Selina Meurer ihre Bienenvölker fit gemacht und großgezogen. Jetzt ist es Zeit für die erste Honigernte: „Ich nehme meinen Bienen ja eigentlich etwas weg, was sie selber brauchen, um zu überleben“, sagt sie. Mehr als 200 Gläser Honig konnte Meurer abfüllen. Nun will die gelernte Kommunikationsdesignerin ein Etikett gestalten, um ihren Honig bald zu verkaufen. Ihr fehlt nur noch ein passender Name, sie schwankt zwischen zwei Ideen: „Summ-Summ-Honig wäre ein super Name, weil er das Geräusch zeigt, das ich höre, wenn ich bei meinen Bienen bin.“ Selina Meurers zweite Idee: „Dat Honigschnüsschen. Es sind ja auch kölsche Bienchen, die den Honig produzieren.“ Honig entsteht dadurch, dass die Bienen sich den Nektar über ihre Rüssel weitergeben und in ihren Honigmägen ablagern. „Eigentlich ist das ein bisschen, wie gegenseitiges Füttern – oder Küssen“, findet Meurer.