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„Innovationslabor der Pflege“Wie ein Kölner Seniorenheim der KI die lästige Dokumentation überlässt

Lesezeit 3 Minuten
Karl Lauterbach besucht die Pflegeeinrichtung „Albert-Schweitzer-Haus“ der Diakonie Michaelshoven.
Es geht um das Thema KI in der Pflege.
Im Bild v.l.n.r. die Pflegekraft Ramona Thieme, die Bewohnerin Lieselotte Stein und Karl Lauterbach, der ihr den Blutdruck misst.

Karl Lauterbach misst der Seniorin höchstselbst den Blutdruck und spricht das Ergebnis in die neue App Voize. Diese übernimmt dann selbständig die Dokumentation.

Voize heißt die App, die das Pflegegespräch aufnimmt, auswertet und die Ergebnisse in ein bestehendes Dokumentationssystem überträgt. Der Bundesminister ist begeistert.

Die Hundertjährige hält künftig eigentlich nur noch ein Schwätzchen mit dem Pflegepersonal. „Ich sehe, Sie haben ihre Medikamente genommen. Ihr Insulinspiegel ist allerdings etwas zu niedrig und Sie sehen heute blasser aus“, sagt die Pflegerin und hat hier im Kontakt mit der Seniorin den Hauptteil ihrer Arbeit schon erledigt.

Üblicherweise schließt sich dem Patientenkontakt selbst eine aufwändige Dokumentation der Vitalparameter und Medikamentengaben an. „Etwa ein Drittel ihrer Arbeitszeit verbringen Pflegende beim Ausfüllen von Tabellen“, sagt Rainer Schmidt, theologischer Vorstand bei der Diakonie Michaelshoven. Gerade im gehetzten Pflegealltag eigentlich eine Verschwendung. Im dazugehörigen Seniorenheim Albert-Schweitzer-Haus in Köln Rodenkirchen gehört dieser Zeitfresser seit einigen Monaten der Vergangenheit an, die Seniorinnen und Senioren rücken damit mehr in den Mittelpunkt der Arbeit. Denn in der Tasche der Pflegenden befindet sich Voize. Eine KI-gestützte App, die eingesprochene Anweisungen per Schnittstelle automatisch in das bestehende Dokumentationssystem überträgt. Einen Fehler macht sie laut Schmidt nur in weniger als einem Prozent aller Fälle. Wenn die Pflegeperson das Zimmer der Hundertjährigen verlässt, genügt also ein kurzer Kontrollblick am Bildschirm und sie kann sich dem Nachbarzimmer zuwenden.

Fünf bis zehn Prozent mehr Senioren könnten so betreut werden

Hier in Michaelshoven ist man voller Hoffnung, dass derlei KI-gestützte Programme die Pflege revolutionieren könnten. Und das ist angesichts der steigenden Zahl der zu pflegenden Personen auch dringend nötig. Drei Vollzeitpflegestellen habe man auf diese Weise allein im Albert-Schweitzer-Haus einsparen und auf die Pflege in einem neuen Haus vorbereiten können. Das kommt nicht nur den aktuellen Bewohnerinnen und Bewohnern zugute, die ihre Pflegezeit nun nicht mehr mit den auszufüllenden Tabellen teilen müssen. „Durch diese Innovation werden wir auf Dauer etwa fünf bis zehn Prozent mehr Seniorinnen und Senioren betreuen können“, sagt Schmidt.

Von so viel guten Nachrichten hat sich auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) anlocken lassen. Er besuchte das Albert-Schweitzer-Haus in Rodenkirchen gemeinsam mit Bundestagsabgeordneten und Co-Chef der NRW-SPD Achim Post (SPD) und fand nur lobende Worte. Ein „Innovationslabor in der Pflege“ habe man hier in Michaelshoven aufgebaut, Kenntnisse der Wissenschaft und aus der Theorie würden hier „beeindruckend“ der Praxis zur Verfügung gestellt. „Damit hat die Diakonie hier etwas geschaffen, das weit über die Region hinaus strahlen wird.“

Arbeitsprozesse in der Pflege durch den Einsatz technischer Neuerungen zu erleichtern, sei eine wichtige Aufgabe für die Gegenwart und Zukunft. Schließlich gelte es, die Pflege kostengünstiger und effektiver zu gestalten, so der Minister. „Hier in Nordrhein-Westfalen droht der Eigenanteil für ein Pflegeheim auf 4000 Euro im Monat zuzulaufen. Die Menschen haben Angst, alt zu werden und das alles nicht mehr bezahlen zu können.“ Eine Reform sei deshalb dringend notwendig.