Interview mit Gaby Köster„Köln ist einfach eine große Baustelle“
- Gaby Köster ist in Nippes geboren und aufgewachsen, spielte sich nach Anfängen im alternativen Karneval live, im Radio und im Fernsehen in die erste Reihe der deutschen Kabarett-Szene.
- Im Januar 2008 erlitt sie einen schweren Schlaganfall, der Köster zu einer langen Pause zwang und sie bis heute körperlich beeinträchtigt.
- Nun hat sie ihr zweites Buch „Das Leben ist großartig – von einfach war nie die Rede“ veröffentlicht. Wir haben mit ihr über ihr Schicksal, ihren Elektro-Rollstuhl, die Hilfsbereitschaft der Kölner, aber auch die Nachteile ihrer Heimstadt gesprochen.
- Aus unserer Best-Of-Reihe.
Frau Köster, acht Jahre nach Ihrem Bestseller „Ein Schnupfen hätte auch gereicht“ kommt mit „Das Leben ist großartig – von einfach war nie die Rede“ ein neues Buch auf dem Markt. Erweitern Sie jetzt alle paar Jahre Ihre Biografie?
Das kann schon sein, auch wenn ich ja jetzt nicht für jedes Buch wieder einen Schlaganfall bekommen kann. Da wäre ich auch nicht bereit zu. Es geht auch so. Aber seit dem ersten Buch, das vielen Menschen Mut gemacht hat, ist halt viel passiert. Und immer, wenn ich auf Leute treffe, ist die erste Frage doch „Wie geht es Ihnen?“, und deshalb habe ich mit meinem Co-Autor Till Hoheneder aufgeschrieben, wie es mir so geht, und was ich so erlebt habe. Ich kann nicht gut über Gefühle reden, aber der Till kennt mich genau, kann zwischen den Zeilen lesen und bringt es auf den Punkt. Da sind diesmal dann auch reichlich Tipps für Einarmige dabei. Man muss schon erfinderisch sein.
Ihr linker Arm funktioniert seit dem Schlaganfall nicht mehr. Hadern Sie mit diesem Schicksal?
Hadern würde ich nicht sagen, ich gebe ja die Hoffnung nicht auf. Hin und wieder kriege ich einen Wutanfall. Aber soll ich mich bis ans Lebensende ärgern? Meckern kann man immer, aber damit ändert man nichts, und es geht einem auch nicht besser.
Erfolge im Fernsehen und auf der Bühne
Gaby Köster
Gaby Köster (57), geboren und aufgewachsen in Nippes, spielte sich nach Anfängen im alternativen Karneval (Stunksitzung, Prunksitzung, Schnieke Prunz) live, im Radio und im Fernsehen in die erste Reihe der deutschen Kabarett-Szene. Für Erfolgsformate wie „7 Tage – 7 Köpfe“ – produziert von Rudi Carrell – und der RTL-Serie „Ritas Welt“ wurde sie unter anderem mit dem Deutschen Comedy-Preis, dem Deutschen Fernsehpreis und dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet.
Im Jahr 2007 startete sie ihr drittes und erfolgreichstes Solo-Programm „Wer Sahne will, muss Kühe schütteln!“. Im Januar 2008 erlitt Gaby Köster einen schweren Schlaganfall, der sie zu einer langen Pause zwang und sie bis heute körperlich beeinträchtigt. Am 7. September 2011 trat sie bei „Stern TV“ erstmals wieder in der Öffentlichkeit auf. Über ihren Schlaganfall und die Zeit danach schrieb Köster zusammen mit Co-Autor Till Hoheneder das Buch „Ein Schnupfen hätte auch gereicht“, das fünf Wochen auf Platz eins der Bestseller-Liste stand, das sie auch als Hörbuch einlas und das mit Anna Schudt in der Hauptrolle verfilmt wurde.
In den vergangenen Jahren wirkte Köster in den Weihnachtsshows von Brings und Tommy Engel mit, war auf Lesereise und auch wieder mit einem Soloprogramm unterwegs. Köster lebt in Weidenpesch, sie hat einen Sohn aus ihrer geschiedenen Ehe mit dem Regisseur Thomas Köller.
Till Hoheneder
Till Hoheneder (52) wurde in den 80er und 90er Jahren mit dem Comedy-Duo „Till & Obel“ deutschlandweit bekannt. Heute ist er ein erfolgreicher Buch-Autor – etwa als Mitautor von Horst Lichter, Atze Schröder, Mike Krüger und Lisa Feller – und schreibt Texte für Bühne, TV und Radio. Hoheneder wurde dreimal mit dem Deutschen Comedy-Preis ausgezeichnet.
Das neue Buch
Das neue Buch „Das Leben ist großartig – von einfach war nie die Rede“ mit vielen äußerst amüsanten Stellen, aber auch welchen, die nachdenklich machen, ist im Ullstein-Verlag erschienen und kostet 20 Euro.
Die erste Lesung des Buchs mit Gaby Köster findet im Rahmen der lit.Cologne Spezial am 16. Oktober im WDR-Funkhaus (Klaus-von-Bismarck-Saal) statt. Da plaudert sie mit Moderatorin Sabine Heinrich über den steinigen Weg zurück in ihr altes Leben und zurück auf die Bühne. Karten kosten im Vorverkauf 14 bis 26 Euro (ermäßigt 10 bis 22 Euro). (NR)
Man muss froh sein mit dem, was man hat. Frauen können mit solchen Schicksalsschlägen besser umgehen als Männer. Jungs hadern mehr. Aber deshalb gehört in jeden einarmigen Haushalt ein Nussknacker. Damit kann man beispielsweise Flaschen aus Weichplastik öffnen, ohne gleich mit Vitaminen geduscht zu werden. Nur beim Schminken hilft auch der nicht. Dazu brauche ich eine Freundin. Wenn ich das selbst mache, wird aus einem Lidstrich schnell mal ein Reißverschluss am Auge.
Dennoch versuchen Sie, aus allem irgendwie noch das Beste zu machen. In Köln sind sie in einer Art Elektro-Rollstuhl op jöck.
Als ich den erstmals ausprobiert habe und noch gar nicht wusste, wie der funktioniert, habe ich mal schnell die Außengastronomie eines Eiscafés in meiner Nachbarschaft umdekoriert. Das Ding fährt 15 Stundenkilometer, und nach 30 Kilometern ist der Akku leer. Das ist nicht schnell, aber man kommt von der Stelle und kann auch mal die Hunde mitnehmen.
Wie viele haben Sie denn?
Fünf. Neuzugang ist Chihuahua Carlito. Den habe ich auf Ibiza, wo ich seit 15 Jahren ein Ferienhaus habe, aus einem Vogelkäfig gerettet – Der Spanier ist ja hochsensibel, was Tiere angeht (lacht). Der Älteste ist ein Labrador, aber der ist eher der Buddy von meinem Sohn Donald. Der Hund hat in der ganzen Zeit, als Donald weg war, auf dessen altem T-Shirt geschlafen.
Ist Ihr Sohn denn inzwischen wieder zurück? Im Buch beschreiben Sie ja, wie er sich nach Argentinien verabschiedet, um dort den ursprünglichen Tango zu lernen.
Ja, ist er. Nach neun Monaten. Gott sei dank heile und echt erwachsen. Alles, was vorher an dem noch jugendlich war, ist weg. Aber er ist ja auch schon 26. Als er sich verabschiedete, konnte ich das erste Mal nach elf Jahren wieder heulen. Weinen ging vorher nicht, wohl auch eine Auswirkung des Schlaganfalls.
Aber wir haben beide gelernt, loszulassen. Wir haben einmal die Woche miteinander telefoniert, und ich habe mich für ihn gefreut, dass er etwas erlebt. Ich habe hier die Lücke gefüllt, indem ich viel unternommen und oft meine Freunde getroffen habe.
Sie waren im Vorjahr in New York. Auch das kann man recht ausführlich nachlesen.
Ja, mit Tatort-Kommissarin Anna Schudt, die bei der Verfilmung des ersten Buches mich gespielt hat. Sie ist dafür mit dem Deutschen Fernsehpreis und in New York gar mit dem Emmy als beste weibliche Darstellerin ausgezeichnet worden. Die Preisverleihung fand im Hilton-Hotel statt, das mit seiner Parkhaus-Atmosphäre ziemlich abgerockt wirkte. Da hat Paris Hilton wohl mehr in die Kleidung ihrer Hunde investiert als in ihr Erbe. Wir haben trotzdem richtig lang und laut gefeiert.
Wie war es sonst in New York?
Eigentlich viel zu kurz. Es waren ja nur ein paar Tage. Aber es war für mich schon bewegend, nach 22 Jahren wieder in dieser pulsierenden Metropole zu sein. Früher bin ich da in Turnschuhen geschmeidig durchgelatscht. Im Rollstuhl war das eine ganz andere Perspektive. Ich hatte viele Ärsche im Gesicht. Und vieles ist nicht barrierefrei.
Aber das Gefühl kennen Sie ja auch aus Köln. Oder sehen Sie das anders, da sie häufig durch eine rosarote Brille blicken?
Wenn ich mit dem Rolli unterwegs bin, brauche ich Hilfe. Das Vorurteil „jeder denkt an sich, keiner kümmert sich um den anderen“ ist falsch. Ich habe erlebt: Sprechenden Menschen wird auch geholfen. Ich bin glücklicherweise ja nicht im Wach-Koma – dann müsste ich mit dem Bett auf die Straße. Inzwischen kann ich auch kurze Strecken mit dem Auto fahren – wenn mir dann einer heraushilft.
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Ich gehe gerne shoppen, komme aber in manche Geschäfte gar nicht erst rein. Das ist in Straßburg, wo ich am letzten Wochenende war, besser gelöst. Da gibt es an vielen Läden unten eine Klingel – und dann kommt einer raus und legt eine Rampe hin.
Das passiert Ihnen in Köln in der Form ja eher nicht.
Ne, Köln ist einfach eine große Baustelle. In die Vringstroß komme ich wegen der vielen Sperrungen doch kaum noch. Und dann das ganze Theater mit den maroden Rheinbrücken. Aber wenn der Rosenmontagszug über alle Brücken gehen würde, wären die sicher alle ganz. Davon bin ich überzeugt.
Was steht denn in Ihrem Alltag in der nächsten Zeit noch an?
Ein bisschen TV-Werbung fürs Buch – vom „Kölner Treff“ am Donnerstagabend bis zum „Mittagsmagazin“ und „Volle Kanne“ in der nächsten Woche. Vielleicht folgt danach ja noch eine Lesereise. Dazu male ich weiterhin. Dabei haben mich meine Künstlerfreunde Anton Fuchs und Heike Haupt ganz stark unterstützt. Kunst ist gut für mein Gemüt. Ich entspanne dabei, und mich machen die Farben froh. Derzeit male ich Hunde, und zwar mit einem Beruf, von dem ich glaube, dass er zu der Rasse passt, etwa einen Chihuahua als Briefträger.
Haben Sie Pläne oder Ideen für eine Rückkehr auf den Bildschirm?
Natürlich. Was mich im Fernsehen noch reizen würde, wäre, ein Reisemagazin zu gestalten und zu moderieren. So eine Art „Mit dem Rolli um die Welt“. Ich bin immer gerne gereist, und es ärgert mich schon, dass das nicht mehr so locker geht.
War Aufgeben eigentlich für Sie nie ein Thema?
Das ist nach dem Klassiker, wie es mir geht, die zweithäufigste Frage, mit der ich konfrontiert werde. Und meine Antwort ist stets ein klares Nein. Zum Aufgeben fehlt mir die Zeit und die Lust. Und überhaupt: Wo bleibt denn da die Spannung?
Das Interview ist im September 2019 im „Kölner Stadt-Anzeiger” erschienen. Im Rahmen unserer „Best Of”-Reihe veröffentlichen wir auf www.ksta.de regelmäßig interessante Texte aus unserem Archiv.