AboAbonnieren

Experte zum Messehallen-Skandal„Eine Abhängigkeit, die mit Klüngel nichts zu tun hat“

Lesezeit 3 Minuten

Die Nord-Hallen der Köln-Messe

  1. Professor Peter Graeff von der Christian Albrechts Universität in Kiel spricht im Interview über den Messehallen-Skandal in Köln.
  2. Darin erklärt der Sozialwissenschaftler warum es sich aus seiner Sicht nicht um Klüngel gehandelt hat und warum Klüngel auch kein spezifisches Kölner Phänomen ist.

Professor Graeff, Sie haben sich jahrelang mit dem Skandal um den Bau der Nordhallen der Köln-Messe beschäftigt. Jetzt stehen Sie im Gürzenich beim Symposium, stellen Ihre wissenschaftliche Arbeit vor und behaupten, dass das perfekte Zusammenspiel zwischen Stadt, Sparkasse, Esch-Fonds, Politik und Köln-Messe gar kein Klüngel war.Das ist für den Laien nur schwer nachvollziehbar. Das war eine Abhängigkeit, die mit Klüngel nichts zu tun hat, eine besondere Situation. Ich nenne das ein Gelegenheitsfenster.

Was soll das denn sein?

Die Situation Anfang der 2000er Jahre war Folgende: Die Messe will expandieren, zeitgleich droht RTL mit dem Rückzug . Das ist wegen der Gewerbesteuer ein Problem für den Medienstandort Köln. Das war eine Win-Win-Situation für alle Beteiligen: Für die Stadtverwaltung, die Messe, die Stadtsparkasse, den Oppenheim-Esch-Holding und RTL. Die Akteure haben diese Gelegenheit nicht selbst geschaffen, um sie zu ihrem Vorteil zu nutzen. Die poppte einfach auf.

Warum ist das kein Klüngel?

Weil man einfach auf ein strukturelles und personelles Muster zurückgreifen konnte, das zuvor schon reibungslos funktioniert hat. Bei der Arena, beim Technischen Rathaus, beim Coloneum. Das Entscheidende ist: Das Projekt war von allen gewollt, die politischen Mehrheitsverhältnisse spielten keine Rolle. Es gab einige kritische Stimmen. Mehr nicht. Klüngel bedeutet, dass beide Akteure einen Vorteil haben. Das war aber nicht der Fall.

Zur Person

Professor Peter Graeff ist Lehrstuhlinhaber am Institut für Sozialwissenschaften an der Christian Albrechts Universität Kiel. Er befasst sich Compliance-Forschung. Er und sein Team haben von der Stadt vorgelegte Daten und Akten weiterer Akteure, Gerichtsverfahren sowie Berichte, Dokumentationen und Einschätzungen von Journalisten ausgewertet und Interviews mit Akteuren von damals geführt.

Die Investoren, der Oppenheim-Esch-Fonds, gingen kein Risiko ein. Doch die Stadtsparkasse? Die war durch ihre Tochterfirmen mit den Mietgarantien extrem geknebelt. Am Ende hat es eine einzige Verurteilung gegeben, die über Geldstrafen hinausging. Der Ex-Sparkassenchef ist zu zwei Jahren verurteilt worden. Korruptionsvorwürfe wurden nie erhoben. Er hat immer beteuert, er habe nur für das Gemeinwohl gearbeitet.

Ein kommunales Kreditinstitut, das Investmentbank spielt. Wie kann das sein?

Die Stadtsparkasse hatte in der damaligen Zeit eine Position, die wir uns heute nicht mehr vorstellen können. Sie war das ausführende Organ der Stadt und der Politik. Sie ist als Ermöglicher aufgetreten. Warum man Köln seit den 1970er Jahren zur Medienstadt machen wollte und dafür mit der Stadtsparkasse unvertretbare Risiken eingegangen ist, kann ich Ihnen auch nicht erklären.

Könnten vergleichbare Deals heute noch funktionieren?

Das ist sehr unwahrscheinlich, weil es die Strukturen so nicht mehr gibt. Und jetzt kommt das Absurde: Über den gesamten Zeitraum war der Bau der Messehallen keine Kathedrale in der Wüste.

Das könnte Sie auch interessieren:

Es wurden Gebäude errichtet oder saniert, die bis heute ihren Zweck erfüllen. Aber am Ende, 2018, vor der Corona-Krise, war sie ein hochprofitables Unternehmen, das gigantische Gewinne gemacht hat.

Dann ist im Nachhinein ja alles prima gelaufen.

Ich will hier nichts schönreden. Den Klüngel gibt es noch immer. Es ist aber nicht nur negativ zu sehen. Er gehört zum gesellschaftlichen Bild der Stadt Köln dazu. Diese Offenheit und Lebenslust ist eigentlich eine positive Eigenschaft. Lassen wir den Alkohol im Karneval mal weg. Es wäre mal interessant, das Großprojekt Köln-Messe mit anderen zu vergleichen, die anders angegangen wurden. Die Kölner Oper zum Beispiel.

Ist Klüngel ein spezifisches Kölner Phänomen?

Nein. Großprojekte, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist, sind per se problematisch. Nehmen Sie nur mal Stuttgart 21 oder den Berliner Flughafen. Das ist dasselbe Phänomen. Der einzige Unterschied ist: Die Lebensfreude ist in Köln.