Iris Berben über Frauen in Filmbranche„Wir sind penetrant und bleiben dran“
- Iris Berben, 72, ist eine der erfolgreichsten Schauspielerinnen Deutschlands.
- Ab dem 20. Oktober ist sie in Sönke Wortmanns Komödie „Der Nachname“ zu sehen.
- Berben engagiert sich gegen Antisemitismus und steht für Feminismus.
- Am vergangenen Sonntag war Iris Berben zur Filmpremiere in Köln. Wir haben sie zum Interview getroffen – die Schauspielerin über Selbstkritik, Gleichberechtigung in der Filmindustrie und mutige Frauen im Iran.
Köln – Wenn man schon so lange vor der Kamera steht wie sie, sind sie noch kritisch mit sich selbst und nervös vor den Reaktionen?Berben: Beides mehr! Beides wird eher mehr als weniger. Ich glaube, wenn man jung ist, wenn man anfängt, hat man ein viel größeres Selbstbewusstsein, weil man denkt: Hier bin ich! Je länger man diesen Beruf macht, desto mehr Verantwortlichkeit hat man. Man hat nicht mehr viel, hinter dem man sich verstecken kann. Ich kann jetzt nicht mehr sagen, ich musste das machen, ich habe finanzielle Gründe gehabt, oder ich möchte gerne, dass ich bekannter werde. Ich bin in einer Situation, die eigentlich die schönste ist für diesen Beruf, nämlich sich für oder gegen etwas entscheiden zu können. Dafür bist du dann auch verantwortlich. Aber das ist auch ein guter Motor.In Ihrem aktuellen Film „Der Nachname“ geht es unter anderem um Männlichkeit, Weiblichkeit, Selbstbestimmung der Frau. Sie sind ein Symbol für eine starke Frau und haben sich in einer Zeit durchgesetzt, die patriarchalischer war als heute. Ist es in der Filmindustrie heutzutage gleichberechtigt?Es ist gleichberechtigter, aber es ist immer noch nicht da, wo es sein sollte. Wir können anfangen bei der Bezahlung, die immer noch nicht gleich ist. Wir können es auch sehen in sämtlichen Gewerken: Regie, Produktion, Kamera. Natürlich gibt es da schon viele Frauen, aber die Parität ist immer noch nicht hergestellt. Das merken wir an den Filmhochschulen, da ist es paritätisch. Aber der Alltag dann ist 30-70. Dann kommt das Privatleben dazu: Wir haben immer noch nicht die Möglichkeiten, ein Familienleben, oder ein Privatleben zu führen, Kinder erziehen zu wollen und weiterhin zu arbeiten.Viele Dinge sind noch nicht da, aber wir sind nicht mehr wegzudenken in unseren Forderungen. Und wir sind penetrant und bleiben dran. Das müssen wir auch. Den Staffelstab musst du jedes Mal an die nächste Generation weitergeben und sagen: Nimm dir deine Rechte und kämpfe dafür.Was muss denn noch passieren und was glauben Sie wie lang dauert es, bis es wirklich ausgeglichen ist?
Also wenn ich ihnen erzähle, dass ich in den 60er und 70er Jahren schon für Frauenrechte auf die Straße gegangen bin, dann könnte man verzweifeln, dass man im Jahre 2022 immer noch über diese Themen redet. Wir leben aber auch in einer Zeit, die so komplex ist und die so Herausforderungen hat, dass Menschen verunsichert sind. Dann haben wir wiederum politische Gruppierungen, die genau diese Unsicherheit versuchen auszunutzen und auch ein anderes Frauenbild wieder darstellen wollen. Wir kämpfen also an unterschiedlichen Fronten. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie lange es noch dauert, aber wir müssen auf der Hut sein, wir müssen wach sein, und wir müssen einfordern. Und wir müssen uns, das finde ich immer ist ganz wichtig, auch die klugen Männer an die Seite holen.Es darf kein gegen die Männer arbeiten sein, sondern mit ihnen. Und es gibt verdammt viele kluge, willige Männer, die uns unterstützen. Und die paar Uneinsichtigen, die es immer noch nicht begriffen haben – da müssen wir eben hartnäckig bleiben.
Stichwort „Auf die Straße gehen“: Im Moment kämpfen im Iran Frauen für ihre Freiheit. Was würden Sie diesen Frauen sagen, wenn Sie die Möglichkeit hätten?
Oh mein Gott, ich würde ihn tatsächlich nur sagen: Wie mutig seid ihr! Wenn man sieht, was dort möglich ist und mit welcher brachialen Gewalt auch dieses diese Machtdemonstrationen der Mullahs geschehen, dann kann man ihnen mit tiefster Achtung gegenübertreten und sagen: Ihr seid mutig. Ich wünsche euch, dass der Mut weiter bleibt. Ich wünsche euch viele Verbündete auf der Straße. Ich wünsche euch vor allen Dingen auch viele Männer als Verbündete, weil das ein Weg wäre, der nochmal zu einer größeren Veränderung führen würde.
Was muss denn Ihrer Meinung nach Deutschland tun, um diesen Frauen auch dort zu helfen?
Ich kann es Ihnen gar nicht beantworten. Wir müssen als Gesellschaft ganz stark unsere Forderungen auch an dieses Regime dort immer wieder übermitteln. Wir müssen die Aufmerksamkeit immer wieder auch auf die Unterdrückung der Frauen dort lenken. Aber es müssen mit Sicherheit natürlich auch politische Druckmittel gefunden werden. Ich bin überfragt, weil ich weiß, wie fragil alles miteinander zusammenhängt.
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Gleichzeitig gewinnen die Rechten in Deutschland an Beliebtheit. Sie engagieren sich schon seit Jahren gegen Antisemitismus. Ist es tatsächlich so, dass in Deutschland die Rechten mehr Zulauf bekommen oder ist es nur eine erhöhte Aufmerksamkeit, die sie erhalten?
Es wird ihnen natürlich viel Aufmerksamkeit geschenkt. Das ist auch eine Diskrepanz: Man sollte aufgeklärt sein, man soll wissen, wo es hinläuft, aber dadurch kriegen die auch eine andere Lautstärke. Und wo sind wir? Unsere Stimmen müssen lauter sein. Aber sie kriegen auch einen Zulauf. Da merkt man die Verunsicherung der Menschen. Es sind so starke große Krisen, die uns verändern. Unsere Welt wird nicht mehr die sein, die sie war. Das ist die Aufgabe der Politik, die mit am vordergründlichsten ist in meinen Augen: Menschen mitzunehmen und ihnen sagen, es wird nicht mehr werden, wie es war, aber wir müssen jetzt versuchen als Gesellschaft Wege zu finden, wie wir mit neuen Herausforderungen umgehen. Die Menschenfänger bekommen jetzt gerade verängstigte, verunsicherte Menschen über die herrschende finanzielle Angst, über Kriegsangst, über Corona. Es ist dieses Jahr ein so großes Paket. Menschen angstfrei zu kriegen - das ist sicher ein großer Traum, den ich hätte und der schwer ist herzustellen. Wir müssen als Gesellschaft immer wieder versuchen diese verunsicherten Menschen nicht den Rechten zu überlassen, die glauben mit einfachen Antworten auf so komplexe komplizierte Fragen antworten zu können.