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Der Kölner Dom ist „neu“Wie der „Alte Dom“ die Stadt 400 Jahre lang prägte

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Alter Kölner Dom um 1000, Vektographie

Köln – Wenn Ruth Stinnesbeck Besucher durch den Untergrund des Kölner Doms führt, sind viele überrascht von den Dimensionen des Bauwerks: „Die Wenigsten machen sich Vorstellungen über die Ausmaße“, sagt die Archäologin der Dombauhütte. Die Rede ist in diesem Fall nicht nur von den gigantischen Fundamenten des jetzigen Doms, sondern auch von der Größe seines Vorgängers.

Es gab einen Dom vor dem Dom, daran lassen die Mauerreste in der Ausgrabungsstätte keinen Zweifel. Der „Hildebold-Dom“ war zwar schlichter in seiner Gestaltung und weitaus niedriger als sein Nachfolger, aber ebenfalls von imposanter Erscheinung. Bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg war unklar, wo die dreischiffige Basilika genau stand und wann sie existierte. Nur dass es sie gegeben haben musste stand außer Frage.

Mysteriöser „Alter Dom“ trat 1946 zutage

Als 1946 dann Ausgrabungsarbeiten unterhalb des Kölner Doms begannen, lüftete sich so manches Geheimnis. Nach und nach trat das Fundament des mysteriösen „Alten Doms“ zutage. Es zeichnete sich der Grundriss einer Kirche ab, die mit rund 100 Metern Länge immerhin zwei Drittel der Ausmaße des heutigen Doms erreichte und sich wie er von Osten nach Westen erstreckte.

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Die ehemalige Treppe zwischen dem Westteil und des gotischen Chores des „Alten Doms“.

„Wir reden von einem riesigen karolingischen Kirchenbau, errichtet in der gleichen Zeit wie der Aachener Dom, aber eben damals bei Weitem größer und höher in der Bedeutung anzusetzen“, sagt Ruth Stinnesbeck: „Das ist etwas absolut Phänomenales.

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Alter Kölner Dom um 1000, Vektographie

Zusammen mit einer Darstellung im so genannten Hillinus-Codex aus dem Jahr 1025 ergab sich ein stimmiges Gesamtbild. Denn darauf ist auch der oberirdische Teil des alten Doms zu sehen. „Es passt exakt zu dem, was in der Ausgrabung gefunden wurde“, sagt Ruth Stinnesbeck. Westapsis mit zwei flankierenden Türmen, langgestrecktes Mittelschiff mit Querbauten, niedrigere Seitenschiffe – so wurde der Hildebold-Dom im frühen Mittelalter an den nordöstlichen Rand der Stadt gebaut, parallel zur damals noch zur Verteidigung genutzten römischen Stadtmauer. Die Außenmauern des Doms bestanden aus verputztem Tuffstein, das Innere gab sich farbenfroh.

400 Jahre „Alter Dom“ – bis die Pilgerschar zu groß wurde

Als Erbauer gilt Hildebold, der auf Betreiben Karls des Großen 787 erster Erzbischof Kölns wurde. Die bestehende Kirche aus dem sechsten Jahrhundert entsprach offenbar nicht mehr den Ansprüchen der Zeit.

Anfang des neunten Jahrhunderts lässt Hildebold „seinen“ Dom errichten. Dokumente belegen für 857 einen Blitzschlag mit drei Todesopfern und Glockengeläut. Rund 400 Jahre bleibt der Hildebold-Dom stehen, zwischenzeitlich wird er zur fünfschiffigen Kirche erweitert.

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Dann wird auch er zu klein. Die Gebeine der Heiligen Drei Könige, die dort seit 1164 in einem Schrein aufbewahrt werden, ziehen die Pilger in Scharen an. Der Andrang ist so groß, dass die Gläubigen am Dreikönigenschrein nicht stehen bleiben dürfen. Geld für einen größeren und moderneren Neubau ist genug vorhanden – und auch der Glaube daran, das Projekt in einem Zug umzusetzen.

Als 1248 mit dem Bau der neuen Kathedrale begonnen wird, bekommt der Vorgänger noch eine Schonfrist. Eine Hälfte jedenfalls. Damit die Pilger auch während der Bauzeit des Chors die Reliquien verehren können, wird zunächst nur der östliche Teil des Hildebold-Doms abgebrochen. Die andere Hälfte bleibt stehen, während nebenan der Gigant der Gotik in die Höhe wächst. Für einige Jahrzehnte bilden beide Bauten ein kurioses Gespann, nur durch zwei Mauern voneinander getrennt und gleichzeitig architektonisch Lichtjahre voneinander entfernt.

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Alter und neuer Kölner Dom um 1320, Vektographie

Erst als 1322 der Chor des Kölner Doms fertig ist, hat auch für den westlichen Teil des Hildebold-Doms das Stündchen geschlagen. „Alles, was vom alten Dom über den Fußboden herausragte, wurde beseitigt“, sagt Ruth Stinnesbeck. Die übrigen Relikte bewahrte die gotische Kathedrale wie ein Schutzbau – zum Glück für die Archäologen.