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Jeanette Biedermann im Interview„Ich liebe es, wenn der kölsche Dialekt losgeht“

Lesezeit 4 Minuten

Jeanette Biedermann beim Gespräch im Savoy-Hotel

  1. Schauspielerin und Sängerin Jeanette Biedermann hat eine Zeit lang in Köln gewohnt.
  2. Der Karneval ist ihr ein wenig suspekt, Röggelchen liebt sie.
  3. Mit uns hat sie außerdem über ihr Comeback, ihre Flucht aus der DDR und den Verlust ihres Vaters gesprochen.

Warum war zehn Jahre nach dem vorläufigen Aus Ihrer Solo-Karriere nun der richtige Zeitpunkt für ein Comeback?

Das hat sich ergeben. Unser drittes Bandmitglied von Ewig wollte mehr Zeit mit seinen Kindern verbringen. Das hat uns erst einmal in ein tiefes Loch geworfen. Ich habe mich ins Theater gestürzt und keine Musik mehr gemacht. Dann habe ich wieder angefangen zu schreiben. Eines der ersten Lieder war „Solo-Trip“. Der hat einen Knoten in mir gelöst: Ich habe beim Schreiben geweint, weil es so ein unglaublich schönes Gefühl war.

Ihr neues Album „DNA“ ist im September erschienen. Warum dieser Titel?

Wenn es an den Albumtitel geht, steckt man noch mitten im Produktionswust. Alles ist sehr emotional. Wie soll ich die ganze Welt in ein oder zwei Worte stecken, dachte ich. Lasst es uns „Das Neue Album“ nennen, schlug ich vor. Die Anfangsbuchstaben sind DNA: Das war ein Zeichen, denn Musik ist meine DNA, und das, was man hört, ist meine DNA. Es ist definitiv mein persönlichstes Album.

Sie haben eine Zeit lang in Köln gewohnt. Was schätzen Sie an der Stadt?

Ich liebe es, schon allein, wenn der kölsche Dialekt losgeht. Als Berlinerin ist mir der Karneval allerdings ein wenig suspekt.

Da läuft man durch pinkelnde Einhörner durch. Ich finde den Ausnahmezustand schon lustig, natürlich solange alles friedlich abläuft. Und ich liebe die Röggelchen. Das haben wir in Berlin nicht. Die sehen aus und schmecken ja wie kleine Brote. Herrlich.

Ihre Tour führt Sie am 8. Februar 2020 ins Carlswerk Victoria. Damit treten Sie nach längerer Zeit wieder in größeren Hallen auf. Was fühlen Sie dabei?

Ich freue mich wahnsinnig. Für die Leute, die mich seit 20 Jahren kennen, wird es eine Zeitreise, und die, die neu dazugekommen sind, sehen, was ich am Anfang gemacht habe. Ich werde „Rock My Life“ spielen, aber in der Johannes-Oerding-Version von „Sing meinen Song“ und „We’ve Got Tonight“ in einer schönen Blues-Version, aber auch Ewig-Songs.

Zur Person

Jeanette Biedermann (39) wurde in der DDR geboren, in Bernau bei Berlin. Mit den Eltern floh sie 1989 in den Westen. Bekannt wurde sie mit der TV-Soap „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“. Parallel dazu veröffentlichte sie 2000 ihr erstes Album „Enjoy“. Biedermann ist mit Jörg Weißelberg von der Deutsch-Pop-Band „Ewig“ verheiratet und engagiert sich ehrenamtlich für das Rote Kreuz. (gam)

In „Deine Geschichten“ verarbeiten sie den Tod Ihres Vaters 2016. Haben Sie lange gezögert, ein Lied darüber zu schreiben?

Ich verarbeite sehr viel durch Musik. Manchmal wird mir erst Wochen später klar, was ich damit gemeint habe. Bei „Deine Geschichten“ war es so, dass ich erst einen anderen Song schrieb, der aber so traurig ist, dass ich ihn niemals veröffentlichen werde. Was will ich mit so einem Lied? Will ich weinen, traurig sein? Nein, ich möchte Hoffnung verbreiten.

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Man kann an jemanden wieder auf schöne Art denken, wenn etwas Schorf über die Wunde gewachsen ist. Es sind auch Vaters Geschichten, die mir am meisten fehlen. Als ich geboren wurde, hat er im gesamten Mietshaus das Treppenhaus geputzt, weil alles perfekt sein sollte, wenn ich komme.

1990, als wir schon im Westen waren, brachten meine Eltern mich auf mein erstes Konzert von Tinas Lichtermeer. Ich saß auf seinen Schultern, und er schaute die ganze Zeit zu mir herauf, um zu sehen, ob es mir gefällt. „Deine Geschichten“ ist der wichtigste und schönste Song in meinem Leben.

Als Neunjährige sind Sie mit Ihren Eltern über die Deutsche Botschaft in Prag in den Westen geflüchtet. Wie beeinflusst Sie die Fluchterfahrung heute noch?

Ich muss andauernd daran denken, gerade jetzt, wo es 30 Jahre her ist. Meine Eltern waren ein Teil der friedlichen Revolution. Ich bin stolz auf sie. Ich war neun und konnte nichts dazutun. Heute kann ich nachvollziehen, was es bedeutet, alles hinter sich zu lassen für die Freiheit: die innere und die räumliche Freiheit.

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Jeannette Biedermann beim Interview

Im Westen mussten wir komplett neu anfangen. Meine Eltern waren direkt wieder fleißig, haben Arbeit und eine Wohnung gefunden. Sie waren nur mit einer kleinen Reisetasche geflüchtet.

Sie waren von 1999 bis 2004 Marie Balzer bei „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“. Seit 2013 spielen Sie Theater. Was gibt Ihnen die Schauspielerei, was Sie in der Musik nicht finden und umgekehrt?

Als Musikerin setze ich mich immer mit meinem Inneren auseinander. Einen Song wie „Deine Geschichten“ wollen die Menschen jetzt hören. Ich spiele dieses Lied in einem Radiostudio, es ist zehn Uhr morgens, öffne mein Herz und erlebe alles noch mal.

Ich habe es unterschätzt, weil es mich jedes Mal aufreißt. Danach läuft mir vielleicht eine Träne herunter, aber ich habe wieder ein Stück rausgelassen. Als Schauspielerin kann ich genau davon Abstand nehmen, ich kann etwas zumachen und in eine andere Person schlüpfen. Das ist heilsam.