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Jeder zehnte Kölner lebt von Hartz IVCorona-Pandemie verstärkt die Armut in Köln

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Flaschensammler sind in einigen Deutschen Großstädten ein häufiges Phänomen. (Symbolbild)

Köln – Andreas Hupke muss nicht lange überlegen, wenn man ihn zum Thema Armut in Köln fragt. „Die Armut hat eine brutale Stufe erreicht. Es ist erschreckend, was ich mitbekomme“, sagt der Bezirksbürgermeister der Innenstadt. Hupke sieht mehr Obdachlose, mehr Menschen, die nach Flaschen in Mülleimern suchen, längere Schlangen vor den Essensausgaben. Rentner oder Hartz-IV-Empfänger, die sich früher nebenher Geld mit einem Aushilfsjob verdienten, hätten ihre Arbeit in der Pandemie verloren. „Es fallen immer mehr Menschen durch das Raster. Es kann jeden treffen.“

Auch Bernd Mombauer, Geschäftsführer des Kölner Arbeitslosenzentrums (Kalz), hat täglich mit den Problemen von Menschen zu tun, die in Armut abzurutschen drohen. 1154 Beratungen wurden 2021 im Kalz durchgeführt, nicht alle Anfragen konnte sein Team beantworten. Es kommen Alleinerziehende, Langzeitarbeitslose, Soloselbstständige, aber zunehmend auch Menschen, die früher nie etwas mit Armut zu tun hatten. „Die Pandemie wirkt wie ein Brennglas, durch das die Probleme deutlich werden", sagt Mombauer. Viele Menschen, die sich schon vor der Pandemie in einer sozialen Schieflage befanden, seien nun in ihrer Existenz bedroht. „Vielen steht das Wasser bis zum Hals.“

Mehr Arbeitslose, mehr Hartz-IV-Empfänger in Köln

Auch die Zahlen legen nahe, dass die Pandemie die sozialen Probleme für viele Menschen verstärkt hat. So lag die Zahl der Arbeitslosen in Köln im Dezember 2021 bei 51.924. Im Dezember 2019, also vor der Pandemie, betrug der Wert 45.225. Auch die Zahl der Unterbeschäftigten, die beispielsweise Menschen einbezieht, die sich in Fördermaßnahmen befinden, aber dennoch einen Job suchen, stieg von 62.723 auf 65.049. Die Zahl der Haushalte, die Hartz IV bezogen, wuchs von 57.517 auf 59.604 an. Insgesamt lebt etwa jeder zehnte Kölner vom Arbeitslosengeld II.

„Es bekommen aktuell mehr Menschen Geld vom Jobcenter als vor der Pandemie", sagt Martina Würker, Geschäftsführerin des Kölner Jobcenters. „Wir hatten allerdings einen noch höheren Zugang erwartet. Durch die Kurzarbeit und die Flexibilität der Menschen ist dies nicht eingetroffen.” Menschen aus dem Veranstaltungs- und Kulturbereich oder aus der Gastronomie zum Beispiel hätten in dieser Zeit berufliche Alternativen gesucht und gefunden.

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Dass immer mehr Menschen aber an die Schwelle der Armut oder auch darunter rutschen, zeigt auch der Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, der Mitte Dezember vorgelegt wurde und bundesweit einen Rekordwert ausweist. Demnach gelten 16,1 Prozent der Deutschen als arm, etwas mehr als noch vor zwei Jahren. Zum Vergleich: In den 1990er Jahren lag der Anteil bei elf Prozent. Für Köln gibt es keinen Zahlen, NRW liegt mit gut 17 Prozent aber über dem Durchschnitt.

„Pandemie trifft nicht alle Menschen in NRW gleich”

„Die Pandemie trifft alle Menschen, aber nicht alle gleich hart“, sagt Christian Woltering, NRW-Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. So mussten im Lockdown Tafeln und Sozialkaufhäuser schließen, fielen Jobs in der Gastronomie und im Dienstleistungsbereich weg. Zudem waren kinderreiche Familien und Alleinerziehende monatelang durch Homeoffice und Homeschooling stark betroffen. Wer von Hartz IV lebe und auch vor der Pandemie nur recht als schlecht mit dem Regelsatz über die Runden gekommen sei, sei nun von der zunehmenden Inflation und der Preisexplosion für Strom und Gas besonders betroffen. Zudem hätten ärmere Menschen ein höheres Risiko an Corona zu erkranken, weil sie in kleineren Wohnungen lebten und öfter in Jobs arbeiteten, bei denen Homeoffice nicht möglich ist.

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Der Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge

Der Kölner Armutsforscher Christoph Butterwegge beklagt, dass die Politik, die seit dem Frühjahr 2020 milliardenschwere Hilfspakete unter anderem für Konzerne geschnürt hat, sich für die Ärmsten kaum eingesetzt habe. Die Erhöhung des Hartz-IV-Satzes Anfang des Jahres um drei Euro auf 449 Euro reiche nicht aus, weil er nicht einmal die Inflation auffange. „Die, die Hilfe am meisten gebraucht haben, sind sträflich vernachlässigt worden und haben fast nichts bekommen“, so der Wissenschaftler.

Nun fordert Butterwegge den Betrag auf 650 Euro pro Monat anzuheben. Während der Pandemie soll zumindest ein Corona-Zuschlag von 100 Euro hinzukommen, mit dem zum Beispiel Masken, Hygieneartikel oder ein Internetzugang, der für Homeschooling oder Bewerbungsgespräche notwendig ist, bezahlt werden können. Butterwegge verlangt zudem, dass Minijobber in die Sozialversicherung aufgenommen werden sollen, weil sie als Studierende und Rentnerinnen, die sich damit etwas dazuverdienen, weder Arbeitslosengeld I und II noch Kurzarbeitergeld beziehen können.

Andreas Hupke (Grüne)

Bezirksbürgermeister Hupke plädiert dafür, den Genossenschaften und die Gemeinwesensarbeit auszubauen. Es brauche Menschen, die von der öffentlichen Hand bezahlt werden, die etwa für Senioren einkaufen, den Hund ausführen oder vorlesen. Dies werde eine Kommune wie Köln aber nicht im Alleingang stemmen können, die Stadt benötige Hilfe von Land und Bund.