Jetzt rege ich mich aufEs gibt nur ein Gegenmittel gegen Donald Trump!
- In seiner Kolumne „Jetzt rege ich mich auf” bewertet Frank Nägele die aktuelle Nachrichtenlage oder einfach nur das, was er täglich so erlebt.
- Diesmal geht es um Donald Trump, der wie sein Vorgänger John F. Kennedy einiges dransetzt, die Herzen und die Köpfe der Menschen weltweit zu erreichen. Auch der Kölner!
- Dieser Wertezerstörung kann man sich kaum entziehen, auch in Sülz, Porz, Kalk oder Lindenthal nicht. Es gibt nur ein Gegenmittel!
Am 26. Juni 1963 sprach der damalige US-Präsident John F. Kennedy vor dem Rathaus Schöneberg seinen zur Legende gewordenen Satz: „Ich bin ein Berliner!“ Seine Botschaft ignorierte das Faktische, denn der Sohn einer reichen Dynastie irischer Einwanderer war in Brookline/Massachusetts zur Welt gekommen und hatte sein Leben in den USA verbracht. Berliner war er insofern, als er die Köpfe und Herzen der Menschen in der geteilten Stadt erreichen wollte, die sich auf dem Gipfel des Kalten Krieges sonst alleine gefühlt hätten. In dieser Hinsicht ist sein entfernter Nachfolger Donald Trump auch ein Berliner. Und ein Münchner. Ein Buxtehuder. Und ein Kölner.
Denn er dringt mit seinen Botschaften, vermutlich ohne sich in seiner sozialen Beschränktheit darüber im Klaren zu sein, in die Köpfe aller Menschen und richtet da einen Schaden an, der möglicherweise ebenso groß ist wie das mit jedem Tag seiner Amtszeit bedrohlicher werdende politische Desaster, an dem der aktuelle G-7-Gipfel nichts ändern wird.
Der Grönland-Skandal ist das perfekte Beispiel Trumpscher Wertezerstörung. Der Chef des mächtigsten Landes der Welt zeigt mit dem Finger auf ein Stück Erde und sagt: „Das will ich haben. Ich kaufe es. Her damit!“ Und als dies nicht geschieht, schickt er seinen Zorn über das kleine Dänemark, unter dessen Protektorat die größte Insel der Welt steht. Dieser Vorgang beschädigt alle politischen Errungenschaften, die unsere Zivilisation ihren dunklen Seiten in den letzten 2000 Jahren abgerungen hat.
Die Souveränität anderer Staaten, das allerhöchste Gut, wird selbst unter Freunden außer Kraft gesetzt. Kein Interesse außer das unmittelbar eigene gilt. Wer nicht spurt, muss Drohungen ertragen und Sanktionen fürchten. Normalerweise müssten alle aufrechten Nationen den Kontakt zu solch einem Präsidenten abbrechen. Das geht aber nicht. Er repräsentiert die USA. Man muss wie beim aktuellen Gipfel mit ihm an einem Tisch sitzen.
Und wer, sagen wir einmal, in Sülz, Lindenthal, Kalk oder Porz sitzt, kann sich dieser Wertezerstörung kaum entziehen. Unabhängig von seiner Gesinnung. Ein Mensch, der die Ansichten des amerikanischen Präsidenten teilt, fühlt sich bestätigt darin, sich alle diplomatischen und politischen Ungeheuerlichkeiten vorstellen und sie einfordern zu dürfen. Alles Fremde, Andere, unsere Gesellschaft und Ökonomie scheinbar Bedrohende, muss aufgehalten, gestoppt und zurückgedrängt werden. Dafür darf man Mauern bauen und Menschen entwürdigen und schmutzige Deals aushandeln, den Klimawandel leugnen, wie es der Präsident der Vereinigten Staaten tut.
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Mindestens genauso verheerend ist jedoch, was mit uns anderen passiert. Das Furchtbare wird gewöhnlich. Es nimmt dem Schlimmen einen Teil seines Schreckens. Die Reizschwelle für Empörung und Ekel wird unter dem Trommelfeuer der Gehässigkeiten des US-Präsidenten heraufgesetzt. Handelskrieg, Wettrüsten, Imperialismus, Rassismus, Egoismus, Verachtung für Schwache, Mittellose und Benachteiligte sind geschehende, von Trump gewollte Realitäten. Kein Präsident in der westlichen Welt hat nach dem Zweiten Weltkrieg Personen, Gruppen, Regionen und andere Länder auf eine Art beschimpft und erniedrigt, wie er, der sich um Anstand und gute Sitten genau so wenig schert wie um den moralischen Kodex der zehn Gebote.
Das verändert jeden von uns, der nicht alles ignoriert, auf die eine oder andere Weise. Angemessen wäre ein dauerhafter Protest der Vernünftigen von nicht gekannter Entschlossenheit, die Weigerung, das richtige Fühlen und Denken, das Bemühen um eine bessere Welt und die Sorge um unsere Zukunft der Zersetzung preiszugeben. Allerdings schreitet die Zersetzung täglich voran. Es ist langweilig und uncool geworden, sich über den amerikanischen Herrn aufzuregen, weil es fast alle tun. Man muss irgendwie weiterleben und sich um seinen alltäglichen Kram kümmern. Das nützt ihm wie allen Despoten ungemein.
Im Vergleich zu dem, was durch Trump Normalität geworden ist, wirken viele Bedrohungen unserer weitgehend immer noch freiheitlichen Gesellschaft auf eine Weise harmlos, dass man sie schulterzuckend akzeptiert. Man flüchtet sich in das Kleine, in das Symbolische, das Überschaubare, das wir alle zu verstehen glauben und diskutiert zum Beispiel über das zum Gesicht einer Bewegung gewordene Schwedenmädchen Greta Thunberg auf eine Art, als bedrohe sie die Existenz des Planeten und nicht ein Anti-Demokrat am größten Schalthebel der Macht, nach dessen Vorbild überall auf dieser Welt neue Anti-Demokraten an Einfluss gewinnen.
Flegel im Präsidentenanzug
Trump ist für seine Gegner im Lager der einstigen Freunde eine Art Heimsuchung geworden, auf deren Ende man warten muss wie auf das Ende einer Dürre oder Heuschreckenplage. Sie sind nicht in der Lage, richtige Antworten zu finden und eine gemeinsame Strategie zu entwickeln, die der Wertezerstörung Einhalt gebieten kann. Und so ruht die Hoffnung auf die Rettung der Weltpolitik offenbar alleine auf der nächsten US-Wahl.
Aber mit dem Prinzip der Radikalisierung und Wahrheitsverweigerung wird dieser Präsident sein Lager hinter sich versammeln können. Und das hat schon einmal gereicht, um das zerstrittene Lager derer, die sich für vernünftig halten, zu besiegen.
Ich finde, das einzige Gegenmittel besteht darin, sich nicht damit abzufinden. Dieser Flegel im Präsidentenanzug darf unser Denken nicht bestimmen und unsere Werte nicht zerstören, nicht definieren, was schlimm ist und was schlimmer. Wir dürfen Donald Trump nicht erlauben, ein Buxtehuder zu sein, ein Münchner, ein Berliner und ein Kölner.