„Köln hat sich angefühlt wie eine Kulisse“Jules Ahoi über die Arbeit am neuen Album
Köln – „Melancholic Dreamwave“ heißt das neue Album des Kölner Musikers Jules Ahoi. Die melancholische Traumwelle, „das ist natürlich ein Fantasiewort“, sagt Jules, der bürgerlich Julian Braun heißt. Dahinter verbirgt sich ein Album, das textlich ein Gedankenstrom ist, gedichtartig angelegt, ein „stream of consciousness“. Darin verarbeitet er nicht nur viele persönliche Themen, sondern er hat es auch so analog wie möglich produziert – in einer Zeit, in der man aufgrund der Pandemie sonst nicht viel tun konnte. Im Gespräch hat Jules Ahoi erzählt, wie es dazu kam und warum sich Köln für ihn im Lockdown fast lebensfeindlich angefühlt hat.
„Ich mache nicht Musik für Streamingdienst xy“
„Ich habe versucht, das Album so im Moment wie möglich zu schreiben, mit den Gedanken, die mir gerade zur Melodie und zu den Akkorden kamen“, erklärt Jules Ahoi den entstandenen „stream of consciousness“. „Der titelgebende Song ‚Melancholic Dreamwave‘ hat die Arbeit lyrisch bestimmt. Von Track eins bis zehn wird eine Geschichte erzählt. Deshalb sollte man das Album auch wenn möglich am Stück hören“, sagt er.
Dass eine Album-Produktion in Zeiten von Streaming-Diensten schon fast „oldschool“ daherkommt, spielt für den Künstler keine Rolle. „Ich höre selbst fast nur Vinyl, nicht Track für Track und keine Playlists. Für mich ist das den Künstlerinnen und Künstlern gegenüber sehr wertschätzend – denn über ein Werk, das zusammenhängt, hat sich ja jemand Gedanken gemacht.“ Wer nur einem Erfolgsmodell hinterherlaufe, der werde damit auf Dauer nicht glücklich. „Ich mache nicht Musik für Streamingdienst xy – sondern weil Musik ein Teil meines Ausdrucks ist“, sagt Jules Ahoi. Erst, wenn man sich von Konventionen freimache, entstehe gute Kunst.
Zurück zu den Wurzeln vom ersten Album „Between Lines“
Von dem, was ihn beschäftigt, hat der 32-Jährige schon immer viel in seine Songs gegeben. „Melancholic Dreamwave“ sei aber noch einmal persönlicher geworden, auch aufgrund des Entstehungsprozesses in der Pandemie. „Dadurch, dass man nirgendwo hingehen konnte, ist das Album ein kleines Fenster zu meiner Seele geworden. Es beschäftigt sich viel mit Familie, Depressionen, Sehnsüchten und Träumen.“ Für Jules Ahoi war die Pandemie eine schwere Zeit, auch, weil er sein letztes Album „Dear_“, das er 2020 veröffentlichte, nicht live spielen konnte.
„Man hat sich alles ganz anders vorgestellt, und dann wird einem plötzlich der Stecker gezogen. Ich habe das Album nur einmal präsentiert, im Kölner Jugendpark“, so der Musiker. Für „Melancholic Dreamwave“ hat sich Jules Ahoi daher zwei Dinge vorgenommen: „Zum einen wollte ich mich wieder zurückbesinnen auf das, was mir wichtig ist in meiner Musik: Gesang und Gitarre. Damit schlage ich vom Stil und der Ästhetik auch einen ziemlich direkten Bogen zu meinem ersten Album als ‚Jules Ahoi‘: ‚Between Lines‘.“ Mit der darauf enthaltenen Aussteigerhymne „Robinson Crusoe“ war dem Musiker der Durchbruch gelungen.
„Melancholic Dreamwave“ ist analog produziert
„Zum anderen wollte ich so viel wie möglich analog produzieren.“ Dazu besorgte sich Jules Ahoi alte Drum Machines aus den 1970er-Jahren im Internet, nahm das Album in der eigenen Wohnung auf. „Ich habe ein kleines Zimmer freigeräumt – und dann quasi alles neben meinem Bett aufgenommen“, sagt er und lacht.
Die analoge Produktion sei für ihn auch eine „Arbeitsbeschaffungsmaßnahme“ gewesen. „Das hat mich am Leben gehalten“, sagt Jules Ahoi heute. Auch, weil er seine Wahlheimat Köln in der Pandemie ganz anderes wahrnahm als sonst. „Ich finde Köln nach wie vor super, es ist mein Zuhause“, sagt er. „Aber was ich an Köln wirklich mag, wie alle, das sind die Leute. Wenn die Menschen von der Straße verschwinden, wird es komisch“, erklärt er.
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„Dann lebt man in einem Betonklotz, Köln ist das Wesentliche genommen. Die Stadt fühlt sich dann fast lebensfeindlich an. Man weiß gar nicht mehr, was man machen soll. Mit Menschen sprechen, ins Café gehen, nichts geht mehr. Köln hat sich angefühlt wie eine Kulisse.“
Traum von einer autofreien Venloer Straße
Für die Stadt und besonders für sein Heimatveedel Ehrenfeld wünscht sich Jules Ahoi deshalb auch von der Politik, dass sich etwas ändert. „Ich hoffe, dass man gemerkt hat, worauf es wirklich ankommt – nämlich auf die Menschen. Man kann sich in der Stadt kaum mehr bewegen, ohne aufzupassen. Alles ist auf LKW und Autos ausgerichtet. Warum kann eine Venloer Straße nicht autofrei werden? Beim c/o pop-Festival hat man gemerkt, wie schön das war. Die Kids haben da gespielt, es gab Musik, Essen, Kultur. Das war wie ein Ausblick in eine Zukunft, wie sie sein könnte.“
Ein Kölner Lieblingsort ist für Jules Ahoi hingegen das „Gloria“. „Ich liebe diesen Laden, den Sound. Ich habe dort schon so viele gute Konzerte gesehen.“ Im Rahmen seiner Tour macht der Musiker nun selbst dort Halt. „Ich habe schon mal ein Video dort gedreht und ein kurzes Akustik-Set gespielt. Aber jetzt eine Show mit kompletter Band zu machen, ist sehr unglaublich.“
Melancholic Dreamwave erscheint am 5. August auf Vinyl, CD und bei allen gängigen Streaming-Plattformen. Das Konzert in Köln findet am 3. Oktober im Gloria statt. Tickets gibt es für rund 25 Euro hier.