Kabarett-Duo„Reisegruppe Ehrenfeld” über ihr Leben als Paar und Pointen-Schreiber
Köln-Ehrenfeld – Die Eisdiele Liliana auf der Subbelrather Straße: Maja Lührsen bestellt eine Kugel Haselnusseis, dazu noch eine Kugel dunkle Schokolade. Auch Theo Vagedes entscheidet sich für Schoko, nimmt aber noch eine Kugel Joghurt dazu: „Hier gibt es das beste Eis”, sagt er, „deswegen sitzen wir hier auch so häufig zum Arbeiten.”
Kabarett-Duo seit zwei Jahren
Damit meint Theo, dass er und Maja hier an neuen Nummern für ihre Bühnenprogramme schreiben - die beiden sind nämlich nicht nur ein Paar, sondern auch gemeinsam als Kabarettisten tätig: Nach vielen Jahren in verschiedenen Formationen stehen die Zwei seit 2019 als Duo auf der Bühne. „Reisegruppe Ehrenfeld” nennen sich Maja und Theo, die seit 22 Jahren zusammen im Veedel wohnen.
Maja Lührsen und Theo Vagedes waren viele Jahre lang als Solokünstler oder in unterschiedlichen Formationen tätig. Seit 2019 stehen sie als “Reisegruppe Ehrenfeld” zusammen auf der Bühne. Aktuell touren sie mit ihrem ersten gemeinsamen Programm durch Deutschland: „Schnall dich an, Schatz” heißt dieses und nimmt den Zuschauer mit auf eine „grenzenlos komische Fahrt durch den Kosmos der Beziehungen, des Stadtviertels und der Politik.” Nach Auftritten in Frankfurt, Berlin und Stuttgart werden sie im Oktober wieder in Köln spielen: Nicht in Ehrenfeld zwar, dafür aber im Senftöpfchen-Theater am Rhein. Weitere Informationen zur Reisegruppe Ehrenfeld, das Programm und die Tour finden sich im Internet.
Sie stammt eigentlich aus Mannheim, sein Geburtsort liegt sogar noch weiter weg als die baden-württembergische Universitätsstadt: Aufgewachsen ist er zwar in Kassel, geboren aber wurde er in Mexiko - dessen Einwohner viele Eigenschaften mit dem gemeinen Kölner teilen würden: „Sowohl in Mexiko als auch in Köln trinken die Menschen gerne Bier, lieben und besingen sich selbst und haben ein ausgeprägtes Gemeinschaftsgefühl”, so der 52-Jährige, „außerdem geht es bei beiden viel um Fiesta auf der einen und Melancholie auf der anderen Seite.”
Für die Reisegruppe Ehrenfeld ist an diesem sonnigen Freitag aber eher Siesta angesagt. Mit ihrem Eis - im Becher, nicht in der Waffel - schlendern Maja und Theo von der Subbelrather Straße zum Lenauplatz, auf dem alle Sitzbänke belegt sind. Selbiges gilt zur Enttäuschung der beiden zunächst auch für die Tischtennisplatte: „Während der Lockdowns haben wir beide Tischtennis für uns entdeckt”, erzählt Maja, Theo hat sogar seinen 52. Geburtstag an und auf der Platte gefeiert: „Es war zwar saukalt im Januar, aber wir hatten ansonsten alles, was man braucht. Bier und einen Elektrogrill.”
Ordnungsamt löste Feier auf
Diesem ist es auch zu verdanken, dass das wegen des Qualms gerufene Ordnungsamt die kleine Feier nicht auflöste - mitessen, so erzählt Theo, wollten die Mitarbeiter der Stadt aber nicht. Auch abseits der Tischtennisplatte sind Maja und Theo sportlich unterwegs - immerhin haben sich die beiden bei ihrem Studium an der Sporthochschule kennengelernt, an der sie das Fach „Spiel-Musik-Tanz/Bewegungstheater” besuchten: „Als Reisegruppe Ehrenfeld müssen wir unserem Namen ja auch gerecht werden, aktiv sein und uns fit halten”, sagen die beiden, die zweimal in der Woche durch das Takufeld joggen: „Obwohl es bei mir nur noch darum geht, den Verfall aufzuhalten”, fügt Theo lachend hinzu.
Nach ein paar Jahren in Nippes zog Theo im Jahr 2000 nach Ehrenfeld, in eine Wohnung mit Maja, die schon seit 1996 in der Platenstraße wohnte. In der alten Wohnung leben die zwei zwar nicht mehr, dem Viertel aber sind sie treu geblieben: „Uns zieht hier nichts weg”, sagt Maja, „Ehrenfeld ist einfach klasse und für mich mit dem Begriff von Freiheit verbunden.” Immerhin, so sagt sie, gäbe es im Veedel von allem etwas - Arbeiter und Hipster, großstädtischen Trubel und dörfliche Ecken.
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Das soziale Potpourri Ehrenfelds liefert den beiden zudem jede Menge Stoff für ihre Kabarett-Nummern, etwa für den „Ehrenfeld-Rap”, in dem sie die Diversität des Viertels zusammenfassen: „Ehrenfeld ist unser Kiez, Viertel, Veedel / da gibt's Clubs, Kino, Bars, abgeranzt und edel / die Wahrheit der Straße, bettelarm oder reich / Singles, Paare, Eltern, triffst du hier zeitgleich.”
Neben der alltäglichen, zwischenmenschlichen Komik, die sie auf der Straße oder beim Kaffeetrinken beobachten, greifen Maja und Theo dabei auch gesellschaftliche oder lokalpolitische Gegenstände auf. Etwa die Verkehrssituation auf der Venloer Straße: „Ich hasse SUVs”, bekundet Theo etwa inbrünstig, während er an einem Cappuccino mit Hafermilch nippt: „Die passen einfach nicht nach Ehrenfeld und haben auf der Venloer ohnehin kaum Platz.”
SUVs und Gentrifizierung
Aber dass sei das Gute an dem Beruf des Kabarettisten - Sachen, die einen nerven, in humorvolle Stücke verpacken und auf der Bühne verarbeiten: Nicht nur SUVs, sondern auch Gentrifizierung und Clubsterben, sowie die scheinbar unendlichen Baustellen in Köln und Ehrenfeld: „Es geht ja beim Kabarett nicht nur um Spiel und Spaß, sondern auch um Dinge, über die man sich ärgert”, erklären Maja und Theo. Die Nummern der Reisegruppe Ehrenfeld setzen sich aber natürlich nicht ausschließlich mit Themen auseinander, welche die beiden nerven.
Auch viele andere Dinge, die ihnen im Veedel begegnen, halten Einzug in ihre Arbeit: Kinobesuche im Cinenova oder der Fußball, den Maja und Theo gerne im Herbrand’s gucken, die Situationskomik aus Alltag und Beziehung, die kleinen und großen Tragikomödien des Mensch-Seins: „Die Bühne gehört dem Leben und spiegelt dieses wider”, sagt Theo, „es geht ums Nachdenken und Reflektieren, ums Kreativsein und natürlich auch darum, die Leute zu unterhalten.”
Reisen nach Südamerika
So macht man sich mit der Reisegruppe Ehrenfeld nicht nur auf den Weg durchs Veedel, sondern auch durch die Höhen und Schieflagen des Lebens. Und das verbringen Maja Lührsen und Theo Vagedes - wenn nicht in Ehrenfeld - auf Reisen. Vornehmlich mit dem Zug oder auf dem Fahrrad. Etwa auf dem Sattel durch Südamerika oder Australien. Auch im Viertel selbst sind die beiden lieber auf zwei, statt auf vier Rädern unterwegs. Auto fahren können sie zwar, aber das macht in Ehrenfeld schließlich nicht viel Freude. Und bis man einen Parkplatz gefunden hat, ist das Haselnusseis schon lange geschmolzen.