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Workshop „Verrückt? Na und!“Wie eine Kölner Schule die Wichtigkeit mentaler Gesundheit vermittelt

Lesezeit 4 Minuten
Eine junge Frau mit blonden Haaren steht vor einer Tafel.

Lucia Roosen beim Workshop an der Katharina-Henoth-Gesamtschule.

An der Höhenberger Gesamtschule werden Tutoren zum Thema psychische Gesundheit „ausgebildet“. Seit Corona haben viele junge Leute mit psychischen Problemen zu kämpfen.

Lukas Podolski hatte sich für einige Monate ganz aus dem Spielbetrieb zurückgezogen, nur wenige kennen den Grund: Das einstige FC-Idol litt an einer Depression. Nun ist eine Pressekonferenz anberaumt, und Podolski ist mit einer Journalisten-Meute konfrontiert, die ihn unerbittlich mit Fragen bombardiert: „Was fehlt dir denn genau?“, „Warum haben Sie sich gerade jetzt geoutet?“, „Meinst du, dass du jetzt noch eine Chance bei einem großen Verein hast?“

Frei erfundene Podolski-Szene soll Schüler trainieren

Podolski ist sichtlich überfordert, berät sich mit seiner Managerin und sagt dann: „Kein Kommentar“, und „Ich möchte jetzt nicht darüber reden.“ Die kleine Szene ist natürlich frei erfunden, und zwar von einer Schülergruppe, die sie beim „Verrückt? Na und!“-Workshop an der Katharina-Henoth-Gesamtschule vor einer Tutoren-Gruppe der Jahrgangsstufe 12 aufführt. Anhand der Szene üben sie. Bevor die jungen Leute in Gruppen kurze Rollenspiele erdachten, hatten sie schon darüber diskutiert, wie man am besten mit Menschen umgeht, die psychische Probleme haben.

Deshalb wissen sie nun, was beim „Podolski-Interview“ schiefgelaufen ist: „Die Schwierigkeiten sollte man keinesfalls so direkt ansprechen“, sagt einer der Schüler, ein Mädchen meint: „Man darf ihn nicht so unter Druck setzen - ist doch klar, dass er sich zurückzieht.“ Lucia Roosen bestätigt das: „Wenn zu viel auf euch einprasselt, müsst ihr euch dem nicht stellen.“

Workshops der Kölner Regionalgruppe „Verrückt? Na und!“

Wenn das für Podolski gilt, dann erst recht für Jugendliche, die gerade mit Themen wie Pubertät, Freundschaft und schulischem Leistungsdruck zu tun haben, heißt das übersetzt. Roosen, Studentin der Sozialpädagogik, hat kürzlich die Kölner Regionalgruppe von „Verrückt? Na und!“ (VNU) gegründet. Ein Workshop-Angebot, das der Verein „Irrsinnig Menschlich“ ins Leben gerufen hat, um mit Schülern ab der achten Klasse über psychische Krisen und geeignete Bewältigungsstrategien ins Gespräch zu kommen und das Thema von seinem Stigma zu befreien.

„Die Corona-Krise hat viele Schüler enorm belastet, gerade an unserer Schule gibt es viele Kinder und Jugendliche, deren Eltern sie nicht in dem Maße unterstützen können, wie es wünschenswert wäre“, sagt Tutor Kay Jesko, der den Workshop für seine Schüler aufmerksam verfolgt. Von der Politik fordern die Pädagogen Unterstützung, neben Schulsozialarbeitern auch präventive Angebote wie VNU.

Nachdem es bundesweit bereits 100 Standorte gibt, ist VNU nun auch in Köln angekommen, Kooperationspartner ist hier der Kölner Verein für Rehabilitation. „Die Gruppe hat derzeit 18 Mitglieder aus den Bereichen Psychologie und Sozialpädagogik. Wir bieten die Workshops gegen eine Aufwandsentschädigung an. Berufstätige Mitglieder werden dafür häufig von ihren Arbeitgebern freigestellt“, erzählt Roosen. Für mehr als zwei Workshops im Monat reiche es aber noch nicht, in Köln sind aber auch Regionalgruppen aus anderen Städten tätig.

Feste Strukturen, mit Vertrauten reden, Hobbys pflegen

Die Tutoren-Gruppe der Gesamtschule hat an diesem Vormittag gelernt, dass man Menschen mit psychischen Problemen einfühlsam behandeln sollte, und dass man, wenn man selbst betroffen ist, am besten mit Vertrauenspersonen redet, seinem Tagesablauf eine feste Struktur gibt und sich mit einem Hobby oder sportlichen Aktivitäten ablenkt. Und vor allem, dass man Hilfe in Anspruch nehmen sollte, vom Schulsozialarbeiter, von einer Psychologin, einer telefonischen Beratungsstelle.

Das bekräftigt Mascha Krupka, die als Betroffene von ihren Erfahrungen erzählt: „Mit 16 bin ich in eine Klinik gegangen, das ist nicht so schlimm wie man denkt“, berichtet sie. Danach sei sie in einer Wohngruppe untergekommen, dort habe man sehr viel miteinander geredet oder Ausflüge unternommen, das habe ihr sehr geholfen. Am Ende ihres Vortrags stellen ihr die Schüler viele Fragen, alle danken ihr für ihren Mut.

Sozialpädagogin Elena Schmieder beruhigt die Schüler noch: „Den Anspruch, psychisch vollständig gesund zu sein, kann kaum jemand erheben.“ Für Oberstufenleiter Winfried Schneider, der schon Anfang des Jahres die Thementage „Psychisch stark“ an der Höhenberger Gesamtschule organsiert hatte, ein weiterer Grund, allen Schülern solche Workshops anzubieten. Für die Jahrgangsstufe 12 waren insgesamt sechs Tage angesetzt: „Das hat uns die GAG finanziert, ich hoffe, wir finden auch weiterhin Sponsoren.“

Schulen, die sich für einen „Verrückt? Na und!“-Workshop interessieren, können sich direkt an die Regionalgruppe wenden. verrueckt-na-und@koelnerverein.de


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