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Köln-HöhenbergNeuer Gesprächskreis zu psychischen Erkrankungen startet

Lesezeit 4 Minuten
Eine Frau und zwei Männer in einem Großraumbüro

In den Räumen des Vereins im „Worringer Bahnhof“: Martin Vollberg, Ralf Fischer und Verona Kriwet-Baumann (v.l.).

Der Verein Rat und Tat erweitert sein Angebot im Rechtsrheinischen. Ein neuer Gesprächskreis trifft sich erstmals am 4. März in Höhenberg.

Kürzlich erst war eine Frau vorbeigekommen, deren Bruder an Schizophrenie erkrankt ist. Er habe sie permanent belästigt, wollte sogar über den Balkon in ihre Wohnung eindringen. Doch sie hatte Angst und ließ ihn nicht herein. „Sie hatte deshalb schwere Schuldgefühle. Wir mussten sie erst einmal davon überzeugen, dass sie richtig gehandelt hat“, berichtet Ralf Fischer vom fünfköpfigen Vorstand des Vereins Rat und Tat.

Menschen, die an einer psychischen Erkrankung leiden, stellen Familienmitglieder, Partner oder Freunde häufig vor enorme Herausforderungen. Die Mitglieder von Rat und Tat geben dabei wertvolle Tipps und Hinweise, nicht nur am Sitz des Vereins im „Worringer Bahnhof“ in Nippes, sondern auch dezentral in verschiedenen Bezirken. Anfang geht ein neuer Gesprächskreis, der achte insgesamt, in Höhenberg an den Start.

Zu sehen ist der Eingang zu Büroräumen an der Olpener Straße.

Eingang des Sozialpsychiatrischen Zentrums an der Olpener Straße 110

Kooperationspartner von Rat und Tat ist in diesem Fall das Sozialpsychiatrische Zentrum (SPZ) Köln-Kalk, das für diesen Zweck zweimal im Monat Räume an der Olpener Straße 110 zur Verfügung stellt. Das SPZ ist eine Anlaufstelle für Menschen mit psychischen Erkrankungen und ihre Angehörigen, doch „was den täglichen Umgang mit psychisch kranken Menschen angeht und die ganz praktischen Fragen und Probleme, die damit verbunden sind, sind Betroffene die Experten“, erklärt Martin Vollberg, angehender Koordinator des SPZ Köln-Kalk.

Denn Rat und Tat wurde im Jahre 1985 als Selbsthilfegruppe von Angehörigen gegründet. Einige Mitglieder leiten als Moderatoren ehrenamtlich zweimal im Monat die Gesprächskreise für Menschen in ähnlicher Situation. „Manchmal geht es nur darum, dass ein Tabu überwunden werden muss“, berichtet Verona Kriwet-Baumann, die wie Fischer persönliche Erfahrungen mit einem psychisch kranken Familienmitglied gesammelt hat. „Früher wurde gar nicht darüber gesprochen. Wir durften als Kinder noch nicht einmal Freunde mit nach Hause bringen.“

Falsche Vorstellungen herrschen von psychischen Erkrankungen

Noch immer herrsche in zahlreichen Familien die Vorstellung, dass das persönliche Umfeld schuld sei, wenn jemand unter seelischen Problemen leidet. „Obwohl wissenschaftlich längst bewiesen ist, dass das nicht stimmt“, stellt Kriwet-Baumann klar. Unbekannt sei auch, dass Menschen, die mit psychisch kranken Partnern, Eltern, Söhnen oder Töchtern, Brüdern oder Schwestern zusammenleben, ein erhöhtes Risiko eingehen, selbst seelisch zu erkranken.

Deshalb werden in den Gesprächskreisen auch Tipps für alternative Modelle wie betreutes Wohnen gegeben. Auch sei vielen Angehörigen und Freunden nicht klar, auf welche finanziellen Leistungen ein psychisch kranker Mensch Anspruch hat, oder welche Stellen gegebenenfalls Unterstützung bieten. „Die Situation ist gerade im Moment nicht ganz einfach, weil in Köln kaum Wohnungen zu kriegen sind“, sagt Martin Vollberg. Aber weil in den Gesprächskreisen Menschen mit ähnlichen Problemen sitzen, sei die Chance groß, nebenbei den einen oder anderen brauchbaren Tipp aufzuschnappen.

Die Gesprächskreise stehen und fallen mit den Personen, die sie leiten. „Bis vor acht oder zehn Jahren hatten wir schon mal einen Kreis in Höhenberg, der Bedarf ist da. Aber dann ist die Moderatorin verstorben, und wir haben lange keine Nachfolgerin gefunden“, erzählt Ralf Fischer. Der Verein suche ständig Leute, die gern als Moderatoren arbeiten möchten, eine spezielle berufliche Vorbildung sei dafür nicht nötig. „Außerdem bieten wir eine Supervision an, und man kann sich regelmäßig mit den anderen Moderatoren austauschen.“

Seit mehr als 25 Jahren verwaltet der Rat und Tat e.V. zudem die Kölner Stiftung für psychisch Kranke und ihre Angehörigen, die Betroffenen Beträge von 15 Euro bis 11.000 Euro für Kleidung, Sprachkurse, Laptops oder auch mal eine Wohnungseinrichtung zuerkennt. Auf Spenden ist allerdings auch der Verein selbst angewiesen, dessen Arbeit nur zum Teil über die Beiträge seiner rund 180 Mitglieder und die Zuschüsse von Stadt, Landschaftsverband und den Krankenkassen gedeckt ist. „Rund 15 000 Euro im Jahr müssen wir selbst aufbringen“, sagt Fischer. „Eine besonders dankbare Teilnehmerin an einem Gesprächskreis hat mal 1000 Euro gespendet, aber das ist die Ausnahme.“


Der Gesprächskreis in den Räumen des SPZ in Höhenberg, Olpener Straße 110, findet erstmals am Montag, 4. März, statt, und zwar von 18.30 bis 20 Uhr. Danach jeweils am ersten und dritten Montag im Monat zur gleichen Uhrzeit. Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung nicht notwendig.

Eine persönliche, ebenfalls kostenlose Beratung durch Mitglieder von Rat und Tat ist nur am Sitz des Vereins in Nippes, Kempener Straße 135, möglich. Die Termine können von Montag bis Donnerstag in der Zeit zwischen 11 und 13 Uhr telefonisch unter 0221/913 94 01 abgesprochen werden. www.ratundtat-ev.koeln