„Unglaublich, was Menschen wegschmeißen“Kölnerin kämpft gegen tägliche Verschmutzung
Köln-Ostheim – Unangenehme, ja brutale Wahrheiten stehen auf dem Schild, das sich die ältere Dame über den Friesennerz gehängt hat: „Ein Zigarettenfilter macht 40-60 Liter Trinkwasser ungenießbar. Es dauert 10-15 Jahre bis ein Zigarettenfilter verrottet ist“, steht dort, und darunter: „Im Tabak einer Zigarette befinden sich 5000 chemische Fremdsubstanzen, davon sind mindestens 50 Krebserzeugend!“ Heide Bergkammer setzt auf Schockeffekte, weil gutes Zureden und Appelle an die Einsicht offensichtlich nicht mehr ausreichen.
„Es ist eine Katastrophe: Menschen werfen einfach alles weg und zerstören damit die Natur, ihre eigene Lebensgrundlage“, schimpft die bald 76-Jährige, die sich immer noch eine 20- bis 30-Stunden-Woche antut. Ehrenamtlich, versteht sich. Beinahe täglich ist sie mit Zange, Handschuhen und Müllsäcken, die von den AWB gestellt werden, im Waldbadviertel unterwegs und sammelt auf, was sie an Abfall vorfindet: Verpackungen von Fast-Food-Restaurants, benutzte Präservative, Binden, Spritzen, auch mal Nummernschilder.
Die Empörung ist groß
„Unglaublich, was die Menschen alles wegschmeißen“, sagt sie auf dem Parkplatz neben dem Waldbad, dessen Umgebung an diesem Tag Ziel ihrer privaten Reinigungskampagne ist. Bergkammer schüttelt den Kopf: „Nicht einmal Abfallbehälter gibt’s hier. Und immer wieder muss sie mit den Handschuhen ganze Haufen von Zigarettenkippen aufklauben, da haben Fahrer offensichtlich ganze Aschenbecher ausgeleert.
Entrüstet erzählt sie, wie sie vor einer Kita Erzieherinnen beobachtet hat, die ihre Filter achtlos auf dem Bürgersteig „entsorgten“. Dann setzt es umgehend eine strenge Ermahnung von Heide Bergkammer: „Die sind schließlich Vorbilder für die Kinder, und die wiederum sind unsere Zukunft. Sie sollen es einmal besser machen als wir.“ Mit solch rigorosem Einschreiten macht man sich nicht nur Freunde, das ist ihr klar. „Aber ich bekomme auch viel Lob und Zuspruch, wenn Passanten sehen, was ich tue.“
Heide Bergkammer, die in Düsseldorf geboren wurde, war beruflich unter anderem in der Modebranche tätig. Sie hat lange in der Schweiz gelebt, wo es in puncto Sauberkeit ganz anders zugehe, wie sie erzählt. Sie beschreibt sich als achtsamen Menschen, der gern in der Natur unterwegs ist, Wert auf gesunde Ernährung legt, Sport treibt und sich der Meditation widmet. Aus familiären Gründen war sie nach Köln ins Waldbadviertel gezogen, vor vier Jahren dann begann sie ihre Reinigungsaktionen aus Empörung über die Zustände.
Neuzugänge sind willkommen
„Über Facebook hat meine Tochter nach Mitstreitern gesucht, seit Ende 2019 sind wir eine kleine Gruppe, darunter viele jüngere Eltern im Alter zwischen 30 und 45 Jahren.“ An jedem letzten Samstag trifft man sich um 10 Uhr vor der ehemaligen Bäckerei an der Ecke Bertha-Benz Karree, Hans-Offermann-Straße, dann schwärmt man aus, bis 15 Uhr wird gesammelt. „Wer nicht so viel Zeit hat, braucht natürlich nicht die ganze Zeit dabei zu sein“, sagt Bergkammer.
Das könnte Sie auch interessieren:
Neuzugänge seien natürlich herzlich willkommen, es wäre schön wenn noch mehr Kölner in ihren Veedeln Verantwortung übernehmen würden, sagt Heide Bergkammer noch. Vereinsgründungen wie die „Kölner Rhein-Aufräum-Kommando-Einheit“ (Krake), die am Rheinufer unterwegs ist, seien schon mal ein Hoffnungszeichen. Dann trägt sie die orangefarbenen Säcke an den Rand des Parkplatzes, wo sie von den AWB-Mitarbeitern abgeholt werden. Drei sind heute voll geworden: „Im Sommer sind es leicht doppelt so viele.“