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Mein VeedelEko Fresh, der Held der „Grembranx“

Lesezeit 6 Minuten

In Humboldt-Gremberg ist Eko Fresh aufgewachsen. Heute wohnt der Rapper mit seiner Ehefrau Sarah in Wahn.

Kalk/Gremberg – Da ist diese Sache mit dem „Stinkefisch“, die den Ton der Geschichte vorgibt. Die das Vor und das Danach markiert. Die seit der Silvesternacht viele hier im Viertel beschäftigt. Und die Eko Fresh zum Held seiner „Grembranx“ gemacht hat; den Straßenzügen im Norden von Humboldt-Gremberg, zwischen der Gießener und der Wetzlarer Straße, in denen der Rapper zehn, vielleicht elf Jahre lang gewohnt hat.

Verbale Abrechnung

Youssef Mäkoui steht an diesem Mittwochnachmittag vor seinem Obstladen in der Taunusstraße. Auf dem Bürgersteig hat sich eine kleine Gruppe gebildet, alle hier freuen sich, ihren „Eko“, ihren „Bruder“, wiederzusehen, viele fragen nach Selfies.

„Dieses Lied über Silvester, das Du gemacht hast, das hat mir gefallen“, sagt Mäkoui, die Begrüßung ist brüderlich, fester Handschlag, dann Schulter an Schulter.

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Für Händler Youssef Mäkoui ist Eko Fresh ein Held.

„Danke.“ Dann versucht er, das Sprichwort mit dem faulen Fisch zu formulieren, der die ganze Küche verdirbt. Er stockt ein bisschen. „Die Menschen sind alle gleich“, sagt er. „Wenn es einen Stinkefisch gibt, macht er alle anderen kaputt.“

Nur wenige Wochen nach den massiven sexuellen Übergriffen an Frauen in der Silvesternacht reagierte Eko Fresh mit einem Song. In „Domplatten Massaker“ rechnet er verbal ab mit den Tätern von Köln: „Ihr unehrenhaften Hauptbahnhoffummler zieht den Ruf von allen Ausländern runter“, rappt er im Video dazu und schiebt hinterher: „Anständige Bürger werden über einen Kamm geschert, auf einmal seid ihr der Sündenbock und keiner kann sich wehr'n.“

Es ist dieses „Wir und Die“-Gefühl gegen das Eko Fresh mit dem Song ankämpfen will. Er, der in Köln geboren ist, dessen Eltern aber aus der Türkei stammen, und der sich als Musiker verantwortlich fühlt für seine Freunde aus der Taunusstraße.

Die genau dort leben und arbeiten, wo noch am gleichen Abend bei einer Razzia mehr als 50 Personen in Wettbüros, Cafés und Kiosken von der Polizei überprüft werden sollen. „Die, die das gemacht haben“, sagt Eko Fresh nur wenige Stunden zuvor, „die sind gar nicht von hier. Trotzdem gucken die Leute auf uns jetzt schlecht. Die wissen gar nicht, dass uns das auch wehgetan hat.“

Eko Freshs Heimat im Visier der Polizei

Sein ehemaliges Zuhause steht seit der Silvesternacht stärker denn je im Fokus der Öffentlichkeit – als Treffpunkt für Kleinkriminelle galten die Gaststätten und Wettbüros auf der Kalk-Mülheimer Straße schon vorher, besonders im Visier der Polizei sind jetzt Männer nordafrikanischer Herkunft. Eko Fresh, den kaum wer bei seinem bürgerlichen Namen Ekrem Bora nennt, läuft deswegen heute anders durch Kalk und Humboldt-Gremberg.

In den Straßen rund um die Taunusstraße war Eko Fresh lange Zuhause.

Er ist der Held all derer, die den Generalverdacht spüren. Er ist ihre Stimme. Weil er für sie aufsteht und rappt: „Brüder und Schwestern, ich weiß, das tut weh, wenn sowas wie «Maghreb-Täter» in den Zeitungen steht.“

Mit seiner Ehefrau Sarah lebt Eko Fresh heute in Wahn. Irgendwann sei es ihm zu viel geworden, erzählt er. Er entschied sich für die Ruhe der Vorstadt. „Bei mir haben oft Leute geklingelt, die wollten mir dann was vorrappen. Irgendwann ging das einfach nicht mehr“, sagt er, während wir die Taunusstraße ein Stück in Richtung Trimbornstraße spazieren.

„Je besser es mit der Musik lief, umso schwieriger war es für mich, ein Privatleben zu haben.“ Trotzdem kommt er noch häufig her. Dann besucht er Freunde und schmiedet Pläne mit Hakan Abi, der das kleine Eck-Lokal „David’ Shop“ an der Ecke zur Feldbergstraße betreibt.

Seine erste Wohnung liegt nur einen Steinwurf entfernt. „Das war schon früher unser Treffpunkt“, erzählt er, „hier haben wir mit Künstlern wie Kay One oder Farid Bang abgehangen und darüber nachgedacht, was wir als nächstes auf die Beine stellen können.“ Entstanden sind Titel wie „Grembranx“ oder „Gheddo“, in denen er vom Leben in seinem Viertel erzählt.

Karrierestart mit der Bravo

Das alles ist lange her. Doch noch heute prägt das Leben auf der Taunusstraße die Musik des Rappers. Seine neue Platte „Freezy“ beschreibt der 32-Jährige als „reflektierendes Album über meinen Weg zum Erfolg“; „vom kleinen süßen Jungen“, der in Musikvideos auf Viva zu sehen war, bis zum „türkischen Mann“, der sich hier im „David’ Shop“ mit der Hilfe seiner Freunde musikalisch neu erfinden musste, um am Ball bleiben zu dürfen.

„Meine anfängliche Karriere lief ja übers Fernsehen und die Bravo“, erzählt er rückblickend. „Irgendwann war ich dann erwachsen und das alles hat nicht mehr zu mir gepasst. Ich hatte den Plattenvertrag verloren und musste von vorne beginnen.“

Aufgewachsen bei seiner Mutter in Mönchengladbach, schmiss Eko Fresh in der elften Klasse das Gymnasium und ging nach Berlin. Als Gast- und Background-Rapper stand er dort mit Kool Savas auf der Bühne, der ihm später zu einem Major-Plattenvertrag verhelfen sollte.

Es kam eins zum anderen, sein Song „König von Deutschland“ stieg 2003 in die Charts ein, „der Rest ist History“, fasst Eko Fresh seine „Story“ zusammen. „Plötzlich war ich über Nacht bekannt und mein Video lief den ganzen Tag auf Viva und MTV.“ Weil ein Streit ihn und Savas jedoch zu Rivalen machte, zog er 2004 zurück in seine Heimatstadt.

Mit dem Kölner Musiker G-Style hatte er zu der Zeit seinen zweiten Hit „Ich bin jung und brauche das Geld“ produziert, da habe der Umzug nahe gelegen, erzählt er. „Wo sollte ich auch hin? Außerdem lebte hier schon damals mein Vater“ – der Musiker, Komponist und Mitbegründer der Arsch-huh-Initiative Nedim Hazar. Eko Fresh begann seine zweite Karriere – über das Internet.

Eko Freshs Lieblingsorte in Kalk und Gremberg

Vom „David’ Shop“ spazieren wir in Richtung Kalk Post. Wir setzen uns ins Café Casablanca. „Hier gibt es das beste Frühstück im Viertel“, schwärmt Eko Fresh, „diese marokkanischen Pfannkuchen, dazu Minztee – ein Highlight.“ Er bestellt einen Milchkaffee.

Wir unterhalten uns über die Kölner Rap-Szene und sein Selbstverständnis als Musiker („Meine eigene Person und die Musik, die ich mache, liegen sehr nah beieinander“). Immer wieder schweift das Gespräch ab, die Silvesternacht durchdringt die Gedanken.

„Bestes Frühstück“ gibt es bei Abdel Kader im „Casablanca“.

Hinter der Theke steht Inhaber Abdel Kader und hört zu. Auch für ihn hat Eko Fresh „Domplatten Massaker“ geschrieben. „Hier hat keiner Bock darauf, schlecht dargestellt zu werden“, sagt Eko Fresh. „Diesen Laden hier – den gibt es schon ewig.

Was sollen diese einfachen Menschen jetzt denken? Alle unter Generalverdacht zu stellen, ist einfach gemein.“ Und dann fügt er einen Satz hinzu, der vielen hier aus dem Herzen spricht: „Ich verurteile die Taten der Silvesternacht scharf, aber man sollte sie nicht auf die Herkunft der Täter zurückführen. Denn die spielt keine Rolle.“

Als wir den kleinen, gemütlichen Laden verlassen, wird Eko Fresh von einem jungen Mann begrüßt. „Schön, dass du wieder hier in der Straße bist“, ruft er ihm zu. „Lass uns einen Kaffee trinken.“ Eko Fresh winkt freundlich ab.

Ob er es bedauert weggezogen zu sein? „Ein bisschen schon“, sagt er, „aber das ist der Lauf der Dinge. Ich habe ja niemanden alleingelassen. Das Viertel floriert, hier leben alle zusammen – Künstler, Studenten, Deutsche, Italiener, Marokkaner, Türken.“

Er erinnert sich an den Sommer der Fußballweltmeisterschaft, als alle auf der Straße vor der Pizzeria „Sahra“ saßen und feierten. „Das war so schön“, sagt er, „ein bisschen wie im Orient. Dafür liebe ich dieses Viertel.“ Und dafür steht er heute als Musiker auf. Weil jetzt seine Freunde Hilfe brauchen.

Eko Freshs neustes Album „Freezy“ erscheint am 22. April. Am 3. November spielt er im Club Bahnhof Ehrenfeld, Bartholomäus-Schink-Str. 65-76.