Zum Ende des Zweiten Weltkriegs mussten Schüler als Flakhelfer dienen. Bei einem Bombenangriff am 28. Januar 1945 starben 17 Jugendliche in Ostheim.
Angriff jährt sich zum 80. MalGeschichtsverein Brück gedenkt jugendlicher Opfer des Zweiten Weltkriegs
Den Zweiten Weltkrieg hatte Nazi-Deutschland bereits verloren, als im Stadtteil Brück 17 Heranwachsende und der 37-jährige Obergefreite Erich Scholz sterben müssen. Der 28. Januar 1945 ist ein kalter, aber sonniger Tag. Gegen Mittag beschießen amerikanische Bomberverbände die Rodenkirchener Brücke und beschädigen sie schwer. Dann kehrt ein Verband um und nimmt den Fliegerhorst Ostheim ins Visier.
Es sind vor allem junge Flakhelfer, die den Militärflughafen zu diesem Zeitpunkt gegen Tieffliegerangriffe verteidigen sollen. In der Flakstellung am Rather Kirchweg hat Erich Scholz, von Beruf Bergmann, einen Schutzstollen in rund fünf Metern Tiefe anlegen lassen. Als die Bomben fallen, wird der westliche Eingang verschüttet, auf den östlichen fällt eine brennende Baracke: Alle 18 Insassen ersticken.
Seit 25 Jahren erinnert ein Mahnmal an den Tod der jungen Flakhelfer
Am Dienstag jährt sich der Vorfall zum 80. Mal. Seit 25 Jahren erinnert ein Mahnmal an der Ecke Rather Kirchweg/ Hans-Schulten-Straße an den Tod der Jugendlichen und des Soldaten. Das Kunstwerk des Bildhauers Joseph Höntgesberg ähnelt einem Stolleneingang und zählt auf einer Platte die Namen der Opfer auf, die am Ende des „von Deutschen begonnenen Krieges“ ihr Leben lassen mussten. 16 der Flakhelfer waren erst 16 Jahre alt, ein weiterer 17. Zwölf von ihnen kamen aus der Oberschule in Deutz. Der Rest stammte aus der Oberschule Bergneustadt und der Mittelschule in Wiehl.
1942 wurden 120.000 Soldaten der Luftwaffe an die Ostfront verlegt, ersetzt wurden sie auf Befehl Adolf Hitlers nach und nach auch durch Schüler. „Erst waren es 18-Jährige, dann 17-Jährige, hinterher wurden sogar 15-Jährige eingesetzt“, sagt Historiker Fritz Bilz, Gründungsmitglied der Geschichtswerkstatt Brück und Initiator des Mahnmals. Dort veranstalten die Geschichtswerkstatt und die Kalker Bezirksbürgermeisterin Claudia Greven-Thürmer wie in jedem Jahr auch am kommenden 28. Januar eine Gedenkveranstaltung. 17 weiße Rosen sollen als Friedenssymbol an die getöteten Schüler erinnern, eine rote an den Obergefreiten.
Nur einer der Jugendlichen in der Stellung überlebte den Angriff
Nur vier Flakhelfer seien damals mit dem Leben davongekommen, sagt Fritz Bilz. Einer habe zu diesem Zeitpunkt Essen aus der Kantine geholt, ein weiterer hatte frei, weil seine Mutter schwer erkrankt war. Der dritte sei am Tag zuvor zwangsversetzt worden. Der einzige Jugendliche, der innerhalb der Stellung überlebte, war Peter Neuhausen, der sich während des Angriffs unter ein Geschütz geworfen hatte.
Seine Erinnerungen hat die Geschichtswerkstatt 1991 in einem Buch abgedruckt. „Ich selbst war sonst immer im Stollen und jetzt der einzige überlebende Luftwaffenhelfer“, schrieb der damals 16-Jährige: „Die Bergung der Toten und Erstickten war schrecklich. Es waren ja überwiegend langjährige Schulfreunde. Ich bin nicht mehr in den Stollen hineingegangen. Ich habe mich bei den Erstickten an den Wiederbelebungsversuchen beteiligt. Wir konnten aber niemanden mehr retten.“
1944 bestand das Personal der Flugabwehr zu 40 Prozent aus Minderjährigen
Gebhard Aders, Historiker und ehemaliger Archivar der Stadt Köln, nennt die planmäßige Einberufung nahezu aller 15- und 16-jähriger Oberschüler in Deutschland während des Zweiten Weltkriegs in einer Abhandlung einen „einmaligen historischen Vorgang“. 1944 habe das Personal der Flugabwehr im Reichsgebiet zu rund 40 Prozent aus 15- bis 17-jährigen Schülern und Lehrlingen bestanden. In manchen Einheiten auch weitaus mehr.
Am Fliegerhorst Ostheim wurden die ursprünglichen Mannschaften im November 1943 durch Schüler ersetzt. „Das Leben der Oberschüler änderte sich mit der Einberufung einschneidend“, schreiben die Autoren der Geschichtswerkstatt: „Von der Schulbank und dem Elternhaus wurden sie direkt in die Flakstellung beordert, in der sie fortan lebten. Der Ausgang am Wochenende, wenn überhaupt genehmigt, diente dem Besuch der Eltern.“ In ihren Stellungen erhielten die Teenager auch Schulunterricht, eine spezielle Ausbildung zum Luftwaffenhelfer bekamen sie nicht.
Für Bilz sind die Schüler Opfer des Nazi-Systems, es gebe aber wichtigere Opfergruppen
In Köln starben nicht nur in Ostheim junge Flakhelfer noch ganz zum Schluss des Kriegs. Überliefert ist etwa ein Luftangriff am 2. März 1945, der am Nippeser Fröscherweg Luftwaffenhelfern in einer Flakbatterie das Leben kostete. Auf der Website des Historischen Luftfahrtarchivs Köln erinnert sich ein Augenzeuge zudem an amerikanische Panzer, die an der Venloer Straße nach Beschuss eine Stellung von Luftwaffenhelfern regelrecht zermalmt hätten.
Für Fritz Bilz sind die Schüler Opfer des Nazi-Systems: „Die kann man nicht als Täter bezeichnen.“ Dennoch gebe es wichtigere Opfergruppen des Regimes – Angehörige des Widerstands etwa, Ermordete der sogenannten Euthanasie und natürlich Juden. Deshalb habe die Geschichtswerkstatt ursprünglich kein Mahnmal angestrebt. Da ein erster Entwurf aber nicht angemessen gewesen sei, das Thema dadurch aber in der Öffentlichkeit war, habe man sich für die jetzige Version eingesetzt. Dort würden seitdem immer wieder frische Blumen abgelegt, sagt der 80-Jährige – nicht nur am 28. Januar.