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Spurensuche in KölnDie Geschichte der Bergbaustadt Kalk

Lesezeit 4 Minuten

Industrie-Denkmal und Prachtbau an der Kalker Hauptstraße.

  1. Mitte des 19. Jahrhundertes wurde versucht, im rechtsrheinischen Köln Kohle abzubauen.
  2. Die Sünner-Brauerei nutzte tiefe Stollen zur Kühlung des Biers

Köln – Ein roter Schriftzug hoch oben zwischen den beiden turmartigen Seitenflügeln des Prachtbaus an der Kalker Hauptstraße sorgt für Verwunderung. „Zechen-Brauerei“ ist da zu lesen, daneben prangen die Symbole des Bergbaus: Schlägel und Eisen, mitten in der Stadt.

Der heutige Sitz der Sünner-Brauerei ist nicht nur als älteste Industriegebäude-Denkmal der Stadt, das noch seine ursprüngliche Funktion erfüllt. Das Haus gilt auch nicht nur als die Geburtsstätte des „Kölsch“, zumindest des Namens. Es ist auch eine Spur in eine Vergangenheit, von der heute kaum noch jemand etwas weiß: In Kalk sollte Braunkohle abbaut werden.

Mitte des 19. Jahrhunderts hatten es einige finanzstarke Unternehmer tatsächlich für möglich gehalten, aus dem damaligen Bauerndorf Kalk ein Braunkohlegebiet zu machen. 1856 erhielt der Deutzer Unternehmer Wilhelm Eckardt die Erlaubnis, die Kohle abzubauen. 35 Meter tiefe Schächte wurden gegraben, ein für die damalige Zeit ungewöhnlich hoher technischer Aufwand war nötig.

An anderen Orten im Rheinland wurde für den Kohleabbau damals nicht annähernd so tief gegraben. Meist betrieb man den so genannten „Kuhlenbau“: Die Kohle wurde aus Löchern mit einem Durchmesser von drei bis vier Metern gebuddelt, bis man auf Grundwasser stieß.

Das war eine Arbeit, die wenig mit dem Stolz der Bergmänner der Ruhrgebietszechen zu tun hatte. Man sprach vom „Klüttenmann“, wie die ehemalige Direktorin des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchivs in Köln, Klara van Eyll, schreibt. Ein „Hauer“, ein „Einfüller“ und zwei, die sich um den Transport kümmerten, bildeten eine „Kameradschaft“ zum Klüttenabbau.

Die Symbole des Bergbaus an der Brauerei-Fassade.

Die mit Wasser und Ton zu einem Brei verrührte Rohkohle wurde in blumentopfähnliche Formen gebracht, die dann mehrere Wochen getrocknet werden mussten.

Kölner Banken und andere Kapitalanleger hatten sich durchaus erfolgreich an zahlreichen Bergbauprojekten in der weiteren Umgebung beteiligt. Bereits 1849 stiegen mehrere Kölner Unternehmer auch in den Ruhrbergbau ein, wo sich die Kapitalanlage in Kürze mit guten Renditen auszahlte.

In Kalk klappte das nicht: Der Betrieb, der sich „Neu-Deutz“ nannte, gab nach mehreren vergeblichen Versuchen auf. Die Zeche wurde 1868 endgültig stillgelegt und das Grundstück an die Sünner-Brauerei verkauft.

Wie die Sünner-Brauerei das Gelände nutzte

Postkarten-Gruß aus Kalk.

Als die Brauer das Gelände übernahmen, konnte sie die Bergbau-Stollen gut gebrauchen. Reinstes Grundwasser wurde zum Bierbrauen verwendet, die Stollenkeller zur Lagerung. Als 1876 die Kältemaschine erfunden wurde, gab es einfachere Möglichkeiten, für kaltes Bier zu sorgen. Die alten Tiefkeller werden jedoch bis heute weiter genutzt. Hier befinden sich Lagertanks.

Brauereichef Christian Sünner hatte sein Unternehmen bereits zehn Jahre zuvor von Deutz ins aufstrebende Kalk verlegt. Neben dem Betrieb „Neu-Deutz“ eröffnete zudem das Ausflugslokal „Zur Zeche“.

Kalk wurde zur Boomtown: Dort, wo wenige Jahre zuvor noch nicht einmal 100 Menschen wohnten, siedelte sich ein Industriebetrieb nach dem anderen an. Aus dem Naherholungsort mit einer Pilgerstätte für die mutmaßlich wunderwirkende Marien-Statue wurde eine stolze Stadt in Preußen, in der schon 1870 über 5000 Menschen lebten.

Bis zur Eingemeindung nach Köln 1910 wuchs die Bevölkerung auf fast 28.000 an. Der Industriezweig „Bergbau“ hatte daran jedoch keinerlei Anteil.

Fuhrwerke zum Klüttentransport vor der Zeche „Neu-Deutz“.

Auch rund einen Kilometer weiter ging eine Unternehmensgründung schief, die auf Kohleabbau setzte. Der Name einer großen Siedlung der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GAG erinnert an das kurze Kapitel der Industriegeschichte von Höhenberg und Buchheim.

1880 nahm hier das Hochofenwerk „Germania“ den Betrieb auf und hoffte mit einem nahe gelegenen Kohleabbau günstig seine Energieversorgung zu sichern. Nach rund zehn Jahren gab man auf.

Nach dem Ersten Weltkrieg übernahm die GAG das brachliegende, 17,7 Hektar große Gelände des Hochofenwerks und baute dort bis 1928 die „Germania-Siedlung“ mit 1400 Wohnungen für Arbeiter, Angestellte und Beamte. Der Name verband sich schon bald nicht mehr mit der Vorgeschichte, sondern mit vorbildlichem großstädtischen Wohnungsbau.

In der „Germania-Siedlung“ bauten zahlreiche namhafte Architekten aus der Zeit der Weimarer Republik für die GAG. Auch hier lässt sich manche Spur der Vergangenheit finden.