Kölns geheimnisvollste OrteGrab von Nazi-OB auf Melaten-Friedhof geräumt
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Köln – Auf der sogenannten Millionenallee, der repräsentativen Mittelachse des Melaten-Friedhofs, fehlt seit kurzem eine Grabstätte, die dort – wenn auch etwas versteckt – mehr als 70 Jahre lang existierte. Wo in städtischen Ehrengräbern frühere Oberbürgermeister wie Theo Burauen, John van Nes Ziegler und Norbert Burger bestattet sind, lag bis zuletzt ein schmuckloser Grabstein für ein Stadtoberhaupt aus der dunkelsten Epoche der Stadt.
Peter Winkelnkemper war von 1941 bis zu seinem Tod 1944 Kölns Oberbürgermeister. Bis die Friedhofsverwaltung entschied, die Grabstätte abzuräumen. Zuvor hatte der „Express“ über das Grab berichtet.
Peter Winkelnkemper machte wie sein Bruder Toni, der erst als Kölner Gauamtsleiter und später unter Joseph Goebbels in Berlin tätig war, im NS-Regime Karriere.
1902 im westfälischen Wiedenbrück geboren, zog Winkelnkemper 1924 in die Kölner Südstadt. Nach seiner Promotion trat er in die NSDAP ein und wurde zudem Chefredakteur des Kölner Nazi-Kampfblatts „Westdeutscher Beobachter“. Seit 1934 gehörte er dem Kölner Stadtrat an, ehe er am 1. Januar 1941 zum Oberbürgermeister ernannt wurde. In seine Amtszeit, die geprägt war vom Krieg, fiel die Entdeckung des Dionysos-Mosaiks am Dom, das Winkelnkemper „seinen Gästen immer wieder stolz präsentierte“, wie es in einem Beitrag der Reihe „Geschichte in Köln“ (Band 64) heißt.
Auf dem Kölner Friedhof Melaten beerdigt
Am 24. Juni 1944 wurde Peter Winkelnkemper auf Melaten beerdigt. Seiner Ruhestätte in zentraler Lage fehlten nach 1945 eine Einfassung und ein Grabstein. Auf einem schlichten Holzkreuz stand nur „Winkelnkemper“. „Der Leichnam wurde nie umgebettet. Das Nutzungsrecht an dem Grab endete 1982“, sagt Peter Figgen, Abteilungsleiter beim Grünflächenamt.
Gemeinsam mit dem übrigen Friedhof wurde die Ruhestätte vom damaligen Stadtkonservator „als erhaltenswerte Grabstelle“ eingestuft und unter Denkmalschutz gestellt. Ein Kölner Bürger übernahm daraufhin die Patenschaft für das Grab und verpflichtete sich, es als Denkmal zu erhalten.
Nach dem Tod des Paten wurde das mittlerweile völlig verwitterte Holzkreuz durch einen schlichten Grabstein ersetzt, der den Beginn der Amtszeit Winkelnkempers als Oberbürgermeister fälschlicherweise auf das Jahr 1940 vordatiert. Fast 20 Jahre lag der Stein auf Melaten, bis ihn die Friedhofsverwaltung entfernen ließ: „Die Grabstätte wird nunmehr im Rahmen der laufenden Abräumungen von abgelaufenen Gräbern geräumt.“ Entsprechende Überlegungen habe es bereits zuvor gegeben. Eine erneute Nutzung der Grabstätte sei nicht vorgesehen, teilte ein Sprecher mit.
Den Stein hat die Friedhofsverwaltung nicht vernichtet, sondern erst einmal deponiert. Unterdessen hat ihn das NS-Dokumentationszentrum in sein Depot aufgenommen. Der Grabstein könne als zeitgeschichtliches Exponat etwa für eine Ausstellung dienen, so Direktor Werner Jung.
Um seinen Tod ranken sich Gerüchte
Ein aktueller Aufsatz, veröffentlicht in der Reihe „Geschichte in Köln“, befasst sich mit der Geschichte des Oberbürgermeisters Peter Winkelnkemper. Die Autoren Jürgen Müller, wissenschaftlicher Mitarbeiter des NS-Dokumentationszentrums, und WDR-Archivarin Birgit Bernard, haben für den 33-seitigen Beitrag viele Fakten zusammengetragen: Das Amt des Oberbürgermeisters war unter den Nazis „zu einem Versorgungsamt für verdiente Parteigenossen verkommen“, heißt es.
In der Stadt hatte Gauleiter Josef Grohé das Sagen. Peter Winkelnkemper bewohnte als Oberbürgermeister eine 20-Zimmer-Dienstwohnung in der Friedrich-Schmidt-Straße 60 in Lindenthal. Zu seinen letzten Reden gehörte ein Auftritt im Januar 1944 im Mailänder Teatro Olympia anlässlich des Jahrestages der Machtübernahme durch die Nazis. Der von seiner Frau, der Kölnerin Emmy Boryhs, getrennt lebende Winkelnkemper, Vater zweier Kinder, starb 1944 mit 42 Jahren in einem Ferienhaus bei Nideggen in der Eifel.
Um den Tod ranken sich Gerüchte, seine Ex-Frau behauptete später, er sei von Antifaschisten ermordet worden, auch von Selbstmord war die Rede. Offizielle Todesursache war Herzversagen. (red)
Alte Riehler Kaserne ist heute Gewerbehof
Werbeschilder weisen den Weg in Richtung Parkplatz des Gewerbehofs Barbarastraße im Stadtteil Riehl. Wer sein Auto dort abstellt, hat die freie Auswahl zwischen Supermarkt, Tierfachhandel und einigen Handwerksbetrieben. „Entspannt Einkaufen im Veedel“ – so bewirbt es der Inhaber, die Erbengemeinschaft M. Fischer.
Nur die Gebäudewände aus rotem Backstein verweisen heute noch darauf, was der Gewerbehof früher einmal war: eine Kaserne aus dem Kaiserreich, genauer gesagt: ein Teil davon.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die sogenannte „Fischer-Kaserne“ an der Barbarastraße der kleinere Teil der Riehler Truppenunterkunft. Sie war quasi die jüngere Schwester der „Barbara-Kaserne“, die auf dem Gelände des heutigen Bundesverwaltungsamts an der Amsterdamer Straße stand.
„Die beiden Kasernen müssen Sie immer zusammen denken. Sie hatten nur verschiedene Nutzungen“, sagt Joachim Brokmeier. Der gebürtige Riehler hegt ein reges Interesse für die Geschichte seines Heimatveedels – ein leidenschaftlich gepflegtes Historiker-Hobby.
Tatsächlich fand bei Gründung des in Riehl beheimateten „Bergischen Feldartillerie-Regiments Nr. 59“ im Jahr 1899 nur die erste Abteilung in der Barbara-Kaserne Platz. Abteilung zwei musste bis 1901 in Koblenz-Lützel ausharren, während weitere Unterkünfte gebaut wurden. „Das Militär hatte dafür aber nicht mehr genug Geld und hat sich einen Investor gesucht – so wie man das auch heute macht“, erklärt Brokmeier.
Mit der Routine aus vielen Viertels-Rundgängen führt der 73-Jährige durch das Gelände und seine Geschichte – immer den roten Backsteinen nach. Vor einem langen Bau in dieser Optik hält er schließlich an und erläutert: Es sei eines der ehemaligen Mannschaftsgebäude. „Barbarahof“ steht dort in weißen Lettern geschrieben, das ist neu hinzugekommen. Historisch hingegen ist das markante Stufendach, unter dem die kaiserlichen Soldaten untergebracht waren.
Auf dem gesamten Kasernengelände lebten und exerzierten in Friedenszeiten knapp 3500 Soldaten. Im Krieg waren es wesentlich mehr. Die Rekruten kamen aus dem Rheinland, viele aus Jülich, der Eifel oder dem Bergischen Land. Sie übten auf den Wiesen am Riehler Rheinufer, der sogenannten Mülheimer Heide, die das preußische Militär bereits seit 1818 zur Ausbildung nutzte. Für größere Manöver und Schießübungen fuhren die Soldaten nach Elsenborn in die Eifel.
Wenn sie zurückkamen nach Riehl, erwartete sie ein Essen in den Gemeinschaftsräumen des Wirtschaftsgebäudes (dort befindet sich heute eine Tierfachhandlung) und eine schlichte Pritsche in einer der Mannschaftskasernen.
„Es waren sehr primitive Verhältnisse – ohne Strom und die Latrine draußen“, sagt Brokmeier und fragt: „Wissen Sie denn was am 27. Januar 1902 war?“ Da wurde Kaiser Wilhelm II. 43 Jahre alt, und das Regiment erhielt an diesem Tag den Ehrentitel „Bergisches“. „In Erinnerung an die Schlacht von Worringen 1288“, führt Brokmeier aus.
Diese kriegerische Auseinandersetzung hatte den limburgischen Erbfolgestreit zwischen dem Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg und Herzog Johann I. von Brabant entschieden. Die „bergischen Scharen“ waren damals maßgeblich an dem Sieg des Herzogs beteiligt.
Teile im Zweiten Weltkrieg zerstört
Unterdessen führt Brokmeier an der Längsseite der Mannschaftsgebäude vorbei, in denen heute zum Teil Wohnungen eingerichtet wurden. „Nur noch anderthalb der drei Mannschaftsgebäude sind übrig geblieben. Der hintere Teil wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört“, berichtet er.
Insgesamt sei zu wenig historische Bausubstanz übrig, um die Gebäude unter Denkmalschutz zu stellen. Deshalb wurden die Baureste inzwischen umfunktioniert, aufgestockt und saniert. „Dort hinten ist noch das Erdgeschoss des alten Stabsgebäudes erhalten“, sagt der 73-Jährige und deutet auf das Gebäude.
Im vorigen Jahrhundert saß hier die Verwaltung, preußische Offiziere, die das Leben in der Kaserne organisierten. Heute beheimatet das Gebäude eine Dachdeckerfirma. Zur optischen Abwechslung wurden die roten Backsteine hier weiß übertüncht. „Die runden Fenster beweisen, dass es alte Bausubstanz ist“, sagt Brokmeier.
Weiter geht es zum Kammergebäude, in dem Uniformen, Gewehre und kleine Gerätschaften der Soldaten lagerten. Neue Rekruten wurden hier eingekleidet. Stallungen und Reitplätze lagen direkt gegenüber.
Noch heute könnten Schlachtrösser dort aus den großen Toren geführt werden und davor festgebunden werden. Die in der Wand eingelassenen kleinen Eisenringe, an denen die Pferde festgebunden wurden, existieren noch immer.
Lange Zeit lagerten die schweren Geschütze im Gebäude gegenüber, das heute ebenfalls ein Dachdecker-Unternehmen beherbergt. Erst als der Kaiser am 2. August 1914 die Mobilmachung seiner Armee anordnete, kamen die Waffen zum Einsatz. Zuvor war am 28. Juni der Thronfolger Österreich-Ungarns, Franz Ferdinand, beim Attentat von Sarajevo ermordet worden.
In Folge des sogenannten „Blankoschecks“ Deutschlands an das benachbarte Kaiserreich und der Bedrohung durch die russische und französische Mobilmachung marschierten die deutschen Truppen am 3. August in das neutrale Belgien ein – unter ihnen auch die Riehler Regimenter.
Die Soldaten wurden im Kriegsverlauf an vielen Abschnitten der Westfront eingesetzt. Ende August trafen sie im wallonischen Bièvre erstmalig auf feindliche Truppen. Im Jahr 1916 kämpften die Abteilungen an der Somme. Das Kriegsende 1918 erlebten sie in Verdun. Noch heute erinnert eine Tafel an der Gedenkstätte im Friedenspark an die Gefallenen: 48 Offiziere und 501 Mannschaften und Unteroffiziere verloren ihr Leben während des Ersten Weltkriegs.
Unterkünfte gegen akute Wohnungsnot
Nach der Auflösung des Regiments 1919 wurde das Gelände der Fischer-Kaserne an die Stadt vermietet. Die anschließend hier eingerichteten Notunterkünfte sollten die akute Wohnungsnot lindern. „Damals herrschte die Landflucht. Alle wollten in das reiche Köln, um dort Arbeit zu finden“, sagt Brokmeier, während er an der Rückseite der ehemaligen Stallungen entlanggeht. Dort, wo die Gleise der KVB-Linie 13 verlaufen, liegt die Grenze des heutigen Gewerbehofs
Dann biegt der 73-Jährige rechts ab und bleibt vor einer Schreinerei stehen. Er wolle auf ein interessantes architektonisches Detail hinweisen: Der Giebel des Hauses reicht über das Dach hinaus. Auf der Außenseite formen die roten Backsteine das Dach in einer Art Treppenmuster nach. An jeder Ecke verzieren große Kugeln die Abdeckung des Gebäudes. „Das war damals der Zeitgeschmack“, erläutert Brokmeier. „Es musste nicht alles quadratisch, praktisch, gut sein.“
Damit ist er mit der Führung am Ende, nicht aber mit seiner Erzählung. Bei einem Kaffee in einer ebenfalls auf dem Gelände angesiedelten Bäckerei präsentiert er seine Ansichtskarten-Sammlung – unzählige historische Aufnahmen und Zeichnungen von der Fischer-Kaserne, den Übungen auf der Mülheimer Heide oder dem Offizierskasino an der Amsterdamer Straße.
Auf den Rückseiten finden sich Briefe der Soldaten an ihre Lieben. „Ich besitze 1400 Ansichtskarten von Riehl“, berichtet Brokmeier stolz. Seitdem ihm 1984 die erste Postkarte in die Hände fiel, ist der 73-Jährige unter die Sammler gegangen. Nachschub findet er auf speziellen Börsen oder im Internet. „Aber es ist schwer, immer noch etwas Neues zu finden. Es gibt keinen Katalog wie bei Briefmarken.“
Die meisten Karten von der „Fischer-Kaserne“ stammen aus der Zeit des Kaiserreichs. Nur eine stammt aus der Zeit des Dritten Reichs. Auf dem Foto werden Soldaten der Wehrmacht auf Adolf Hitler vereidigt.
Das Rheinland ist noch entmilitarisiert, als die Nationalsozialisten 1936 Reichswehrtruppen nach Köln einziehen lassen und die Kaserne reaktivieren. Während des zweiten Weltkriegs beheimatet sie das Artillerie-Regiment Nr. 16 und das Ausbildungsbataillon 317.
Nur von letzterem ist bekannt, wie und wo die Truppe eingesetzt wurde. So kämpften die Soldaten in der zweiten Phase des Westfeldzuges in der Schlacht um Frankreich. Anschließend wurden sie 1942 an die Ostfront im russischen Brjansk versetzt. Im Verlauf des Russlandfeldzuges erlitt die Truppe herbe Verluste.
Eine Entdeckung auf den zweiten Blick
Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs endete auch die Militärgeschichte der Fischer-Kaserne. Die Stadt Köln brachte danach erneut obdachlos gewordene Familien auf dem Gelände unter. In einem der Kasernen-Gebäude entstand für einige Jahre das Filmtheater „Riehler Lichtspiele“.
Während die Barbara-Kaserne an der Amsterdamer Straße in den 1980er Jahren dem Bundesverwaltungsamt weichen musste, blieben große Teile der jüngeren Schwester erhalten. Heute fallen dort zuerst der graue Parkplatz, die Läden und Betriebe auf. Erst auf den zweiten Blick springt der rote Backstein ins Auge.
Das vergessene Nazi-Flugfeld am Merheimer Klinikum
Auf dem Gelände des heutigen Merheimer Klinikums und der Großsiedlung Neubrück betrieb die Wehrmacht einen Fliegerhorst. Rund die Hälfte der historischen Bausubstanz existiert noch.
Eine dunkle Platte listet die Namen der Toten auf. 17 Jugendliche, eigentlich noch Kinder, und ein 37-jähriger Soldat mussten am 28. Januar 1945 bei einem amerikanischen Bomber-Angriff ihr Leben lassen. Es waren Flakhelfer, die den Fliegerhorst Ostheim schützen sollten.
„Sie sind in einem selbst gebauten Bunker elendig umgekommen“, sagt Markus Georgino. Ein Mahnmal an der Ecke Hans-Schulten-Straße/Dattenfelder Straße in Brück erinnert an das Schicksal der überwiegend 16-jährigen Schüler. An diesem Morgen liegen hier zum Gedenken Rosen.
Markus Georgino wohnt in der Nachbarschaft und kennt sich aus mit dem Erbe des Fliegerhorstes Ostheim, der im heutigen Grenzgebiet von Merheim, Brück und Neubrück lag. Der einstige Militärflugplatz erstreckte sich von 1937 bis 1945 auf dem Gelände zwischen Olpener Straße, Rather Kirchweg, Ostmerheimer Straße und Autobahn 3. Neben dem Butzweilerhof und dem Fliegerhorst Wahn war es der dritte Flugplatz in Köln. Erinnern können sich nur noch wenige an dieses Kapitel Kölner Militärgeschichte.
Hangar, Kaserne, Bunker
Die Flugzeughallen, Soldaten-Unterkünfte und Bunker befanden sich vor allem am nordwestlichen Rand einer birnenförmigen, etwa 1,25 Quadratkilometer großen Start- und Landefläche, die eigentlich eine große Wiese war. Davon sind nur noch kleine Teile übriggeblieben. Das Flugfeld wurde in den 1960er Jahren bebaut – mit einer Großsiedlung, die Anfang der 1990er Jahre zum eigenen Stadtteil namens Neubrück aufstieg.
Dennoch erkennen historisch Bewanderte den Fliegerhorst Ostheim noch immer an vielen Ecken. Markus Georgino führt auf einen Geh- und Radweg, der parallel zu Hans-Schulten-Straße und Rather Kirchweg durch einen Grünzug mäandert. „Hier liefen früher die Patrouillen entlang“, sagt der 54-Jährige. Der Weg gehörte zu einer Ringstraße, die um das Rollfeld führte. Zwei Betonpfeiler stehen nutzlos am Rather Kirchweg. Sie gehörten einst zu einer Pforte des Militärgeländes. Es muss lange her sein, dass vergessen wurde, sie abzubauen. Die eisernen Aufhängungen der Tore sind längst verrostet.
Wehrmachtsgebäude noch heute in Betrieb
Wer die großformatigen Relikte des Stützpunkts sehen will, muss auf das Gelände des Merheimer Krankenhauses gehen. Bereits unmittelbar nach dem Krieg wurden die weitgehend intakt gebliebenen Wehrmachts-Gebäude als Hospital beziehungsweise vom Pharmaunternehmen Madaus weitergenutzt. Und noch heute sind einige davon in Betrieb.
Das Rheinland ist in Folge des Friedensvertrags von Versailles noch entmilitarisiert, als die Nazis 1936 Reichswehrtruppen rechtswidrig nach Köln einrücken lassen, darunter auch Verbände der Luftwaffe. Geheime Verhandlungen über die Einrichtung eines Fliegerhorsts finden bereits im Jahr zuvor statt. „Um die militärische Nutzung zu kaschieren, wurde die Anlage zunächst als zivile Luftsport-Einrichtung geplant“, sagt Luftfahrt-Historiker Werner Müller. Tatsächlich dient der Fliegerhorst Ostheim natürlich kriegerischen Zwecken.
Am 10. Mai 1940 schleppen hier 31 Ju-52-Flugzeuge Lastensegler in den Himmel, sie sollen Luftlandetruppen zur Eroberung des belgischen Forts Eben Emael absetzen. „Mit der Einnahme des Forts und den davor liegenden Brücken über die Maas sowie des Albert-Kanals konnten die deutschen Panzerverbände schnell nach Belgien, in die Niederlande und Frankreich eindringen.“ Faktisch habe in Ostheim der Westfeldzug begonnen, sagt Müller.
Jagdflugzeuge waren in Köln stationiert
Schon mit Kriegsausbruch wird das Jagdgeschwader JG 26 auf den Flugplatz verlegt, zudem sind verschiedene Luftwaffenverbände stationiert. Messerschmitt-Jagdflugzeuge werden für ihren Einsatz mit Waffen und Funkgeräten ausgestattet, Piloten aus- und fortgebildet. Am „Tag der Wehrmacht“ 1939 stellt das Militär das erste ferngesteuerte Flugzeug vor. Vor staunenden Zuschauern auf einer Tribüne hebt eine Messerschmitt Bf 109 G-12 vermeintlich führerlos ab. Tatsächlich handelt es sich um einen Gag – der Pilot sitzt versteckt auf dem Rücksitz.
Kurze Zeit später ist Schluss mit lustig: Als der Zweite Weltkrieg beginnt, werden die Flughafen-Gebäude getarnt, Kieswege auf dem Rollfeld sollen das Gelände von oben wie einen Park wirken lassen und den Feind von der militärischen Nutzung ablenken. Ab etwa 1941/1942 werden die Flugzeuge mit einer Lorenbahn bis zur Erker Mühle in Brück gefahren, wenn sie nicht gebraucht werden. Dort werden sie mit Tarnnetzen beworfen, um nicht erkannt zu werden. „So sahen sie von oben aus wie ein Stück Königsforst“, sagt Historiker Fritz Bilz aus Brück.
Für die weitläufige Start- und Landewiese hatten die Nationalsozialisten in den Jahren zuvor Brücker Landwirte enteignet. Das noch heute existierende Brauhaus „Goldener Pflug“ an der Olpener Straße wurde ebenso wie der Fliegerhorst im Jahr 1937 eröffnet. Friedrich Moll, Urologe und Medizin-Historiker am Klinikum Merheim, kennt zwei mögliche Erklärungen der Brauhaus-Benennung. Die erste: Die Landwirte haben sich mit dem Verkauf ihrer Ackerflächen eine goldene Nase – oder eben Pflug – verdient.
Die zweite Version: „Die Gaststätte sollte erst goldener Flug heißen“ – in Anspielung auf den Flugplatz. Das jedoch hätten die Nazis verboten. So sei aus Flug eben Pflug geworden. Wie auch immer: Moll tendiert zur letzteren Erklärung. Enteignungen seien durch die Nazis schließlich so schlecht bezahlt worden, dass es für einen goldenen Pflug nicht gereicht habe.
Kiosk war früher Kaserneneingang
Schon an der Einfahrt zum Krankenhaus-Gelände steht das erste Relikt des Fliegerhorsts. Der heutige Kiosk an der Ostmerheimer Straße war früher der Kaserneneingang samt Arrestzellen. Ein ähnliches Gebäude sowie ein dazugehöriger Mauerrest aus dunklem Stein steht noch an der Olpener Straße auf Höhe der Zufahrt zur Autobahn-Anschlussstelle Merheim. Es gehört mittlerweile zu einem Weinhandel.
Professor Michael Brockmann ist Chefarzt der Pathologie im Krankenhaus Merheim. Das graue Institut ist eines von mehreren zwei- bis dreigeschossigen Klinik-Gebäuden, die ihren Ursprung im „Dritten Reich“ haben. Die einstige Kommandantur, die Dienststelle des Nachrichtenführers, die Flugleitung – alle diese Gebäude sind noch vorhanden, zum Teil allerdings baulich verändert.
Auch Bunker-Anlagen existieren noch. Von den Flugzeug-Hallen ist jedoch nichts mehr übriggeblieben, auch der ehemalige Technikbereich des Fliegerhorst östlich der Ostmerheimer Straße, der bis vor einigen Jahren von der Firma Madaus genutzt wurde, ist verschwunden. Experte Müller schätzt, dass etwa 50 Prozent der historischen Bausubstanz überlebt hat. Dass die Gebäude nicht denkmalgeschützt sind, sei bedauerlich.
Eiserne Verzierungen erinnern an Vergangenheit
Michael Brockmann öffnet die Eingangstür seines Instituts, deren eiserne Verzierungen in Form von Schwingen an die Luftfahrt-Vergangenheit des Gebäudes erinnern. Durch das Treppenhaus mit ebenfalls schwingenartigen Geländer-Dekorationen führt Brockmann bis unter das Dach, öffnet ein Fenster und steigt hinaus auf eine viereckige Plattform, die wie eine in die Jahre gekommene Terrasse anmutet. „Das war früher eine Flakstellung“, sagt der Mediziner – ein erhöhter Punkt, von dem aus möglicherweise auch feindliche Flugzeuge beschossen wurden.
Der Blick schweift über lange Spitzdächer, die den Alliierten eine harmlose Wohnbebauung vorgaukeln sollten. Unterhalb dieser Schein-Dächer waren die Kasernengebäude allerdings durch Betondecken gesichert wie Bunker. Die darunter liegenden Querstreben aus Beton zur Ableitung des Drucks bei Bombenbeschuss sind nach wie vor gut zu sehen.
Kasernengebäude gingen an die Stadt Köln
Wenige Monate nach Kriegsende übergaben die Alliierten die Kasernengebäude der Stadt, die wegen der Zerstörung des Bürgerhospitals am Neumarkt dringend ein neues Krankenhaus brauchte. Die relativ gut erhaltene Bausubstanz war ein Vorteil, ein anderer die Aufteilung der Kaserne in kleinere Einheiten.
„Diese waren nach Auffassung von Experten der Zeit geeignet, die Ausbreitung von Infektionen wie Tuberkulose, Typhus und Ruhr einzudämmen“, sagt Friedrich Moll. Die zentral gelegene Küche wiederum erleichterte die Versorgung der Patienten. Sie gehört zu den Wehrmachts-Bauten, die ihre Funktion bis heute nicht verändert haben. Direkt neben der Küche befindet sich nun die Krankenhaus-Kapelle. Früher befand sich hier das Offizierscasino.
Mehrmals wurde der Fliegerhorst Ostheim beschossen. Als am 28. Januar 1945 die Alliierten einen Bombenangriff starten, verschanzen sich die Flakhelfer an der Ecke Hans-Schulten-Straße/Dattenfelder Straße in einem selbst gebauten Tunnel, den sie mit Betonplatten abgedeckt haben. „Der Tunnel hatte zwei Ausgänge“, berichtet Fritz Bilz: „Einer wurde durch den Angriff mit Erde zugeschüttet, auf die andere Seite ist eine brennende Baracke gefallen.“ Die 17 Schüler und der Flaksoldat ersticken.
Die Werkstatt für Ortsgeschichte Brück und die Bezirksvertretung Kalk legen regelmäßig am 28. Januar Rosen zum Gedenken an die Opfer des „Nazi-Verbrechersystems“ nieder – eine rote für den Flaksoldaten und 17 weiße für die vom NS-Regime verführten Jugendlichen.
Von Tobias Christ
Das Haus, in dem Serienmörder Peter Kürten tötete
Die Fassade ist schmuckloser als damals, einige Fenster und die Gauben sind verschwunden, das Erdgeschoss mittlerweile braun gekachelt. Und doch hat sich das Gebäude an der Ecke Keupstraße/Holweider Straße in Mülheim nur unwesentlich verändert. Selbst eine Gaststätte gibt es noch. Und die Angabe zum Baujahr: „Anno Dom 1901“ ist an der Spitze der Eckwand zu lesen. Dieses Haus hat viele Wirren deutscher Geschichte überstanden. Und es hat seine eigene, ganz spezielle Geschichte.
Serie von Gräueltaten
Es ist eine unfassbare Serie von Gräueltaten, die der spätere Serienmörder Peter Kürten in diesem Eckhaus begann. Regisseur Fritz Lang hat die Schrecken und die Hysterie, die Kürten in den 1920er Jahren verbreitete, 1931 in seinem Film „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ packend eingefangen.
Kürten mordete zwar vor allem in Düsseldorf, begann damit aber in der damals noch selbstständigen Stadt Mülheim am Rhein. „In der vergangenen Nacht ist in einer Wirtschaft an der Wolfstraße ein scheußliches Verbrechen verübt worden“, schreibt der „Stadt-Anzeiger zur Kölnischen Zeitung“ am 26. Mai 1913: „Anscheinend handelt es sich um einen Lustmord, der an dem neunjährigen Töchterchen des Wirts begangen worden ist.“
Mord in der heutigen Keupstraße
Die Wolfstraße heißt heute Keupstraße. Einst betrieb Peter Klein hier eine Schenkwirtschaft. Es ist spät abends, als Kleins Frau am 25. Mai 1913 die Treppe zu ihrer Wohnung im ersten Stock hinaufsteigt, um noch einmal nach ihrer Tochter Christine zu sehen, die sie schon vor Stunden zu Bett gebracht hat. Nun ist die Neunjährige tot – sie wurde grausam misshandelt und umgebracht. „Mit Bestimmtheit ist anzunehmen, dass der Mörder die Hände und Kleider mit Blut befleckt hatte“, verlautbart der „Stadt-Anzeiger“ am Tag danach.
Peter Kürten, ein auf Wirtshäuser spezialisierter Dieb und gerade aus dem Knast entlassen, will den Trubel der Mülheimer Kirmes nutzen, um an der Wolfstraße seinen nächsten Coup zu landen. Zwar wohnt er bereits in Düsseldorf. Aber in Mülheim kennt er sich aus, denn hier ist er aufgewachsen. Wertsachen findet er in den Räumen über Peter Kleins Kneipe zwar nicht, dafür entdeckt er die Lust am Töten.
Die Lust am Töten
Es regt ihn an, „das Blut rauschen zu hören“, wie er 18 Jahre später im Mordprozess aussagen wird. Vor dem Düsseldorfer Schwurgericht gesteht er 1931 neun Morde und sieben Mordversuche. Christine Klein hat er erst gewürgt, dann mit vier Stichen seines Taschenmessers getötet. Verena Meis, die sich zusammen mit Historikerin Heidi Sack intensiv mit dem Fall Kürten beschäftigt hat, nennt Kürten einen Sadisten. Allerdings war er einer mit augenscheinlich guten Manieren.
Seine Opfer, meist junge Frauen, weiß er mit charmantem Auftreten für sich einzunehmen – um sie später übel zuzurichten. „Kürten litt sein Leben lang unter Geltungssucht. Aufgrund seines gepflegten Äußeren konnte er sich vor seinen Begleiterinnen problemlos als Beamter ausgeben“, sagt Meis, die als Literaturwissenschaftlerin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf arbeitet.
Sadismus, Sodomie, Tierquälerei
Seine ersten zehn Jahre verbringt Peter Kürten in Mülheim. Er hat zwölf Geschwister und einen alkoholabhängigen Vater. Sadismus, Sodomie und Tierquälerei gehören früh zu seinen Taten, wegen Diebstählen und Einbrüchen landet er immer wieder im Gefängnis. Mit acht Jahren stößt er zwei Freunde von einem Floß in den Rhein und spürt große Freude beim Anblick ihres Todeskampfes.
Im Düsseldorfer Hofgarten will er einem Schwan mit einem Messer den Hals durchschnitten haben. Der Geflügelwärter findet das verstümmelte Tier, aber kein Blut. Es ist der Beginn der Legende vom „Vampir von Düsseldorf“.
Dem Mangel an Spuren ist es geschuldet, dass Kürten nicht schon nach dem Mädchenmord von Mülheim gefasst wird. Am Tatort hat er ein Taschentuch mit seinen Initialen vergessen, doch das wird irrtümlicherweise dem Vater des toten Kindes zugeschrieben.
Des Mordes verdächtigt wird hingegen Otto Klein, der Bruder des Schenkwirts, der mit der Wirtsfamilie im Clinch liegt. Aus Mangel an Beweisen muss das Verfahren gegen ihn später eingestellt werden, der wahre Täter bleibt währenddessen auf freiem Fuß. „Kürten hatte Glück“, sagt Verena Meis. Etliche Jahre bleibt er unauffällig. Dann, Ende der 1920er Jahre, beginnt er in Düsseldorf in Serie zu morden; seine Taten lösen eine Massenhysterie aus. 12 000 Hinweise gehen bei der Polizei ein.
Größenwahn eines Verbrechers
Kürten spielt mit dem Feuer. Als eine Leiche nicht gefunden wird, schickt er der Polizei eine Skizze des Ortes, an dem er das Opfer vergraben hat. Manchmal mischt er sich an den Tatorten unter die Leute und erkundigt sich bei der Polizei nach dem Stand der Ermittlungen: „In Düsseldorf wurde er ein bisschen größenwahnsinnig“, sagt Germanistin Meis.
Erst im Jahr 1930 wird der Serienmörder durch Zufall gefasst und gesteht die Taten – auch die von Mülheim. Sein Gnadengesuch wird abgelehnt. Am 2. Juli 1931 stirbt der Serienmörder unter der Guillotine im Hof des Kölner Klingelpütz. Dorthin wird er gebracht, weil das Düsseldorfer Gefängnis über keinen Hof verfügt, der nicht von außen einsehbar ist. Kürten ist 48 Jahre alt, als das Beil fällt.
Von Tobias Christ
Als die Feuerwehr im E-Mobil kam
Angesichts drohender Fahrverbote für Dieselautos denkt in diesen Tagen manch Handwerker und Privatpendler über den Kauf eines Elektro-Fahrzeugs nach. Die Kölner Verkehrs-Betriebe kündigten kürzlich an, sechs weitere Linien mit Elektro-Bussen zu bestücken, um die schadstoffbelastete Kölner Luft zu schonen. Bislang gibt es eine Linie mit elektrischer Beförderung. Das E-Mobil als Hoffnungsträger – das klingt fortschrittlich. Tatsächlich war Köln schon mal viel weiter.
In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts gab es allein in Köln vier Hersteller von Elektro-Fahrzeugen. Ihre Namen: Maxwerke, Ernst Heinrich Geist Elektrizitäts AG, Elektromobilwerke Heinrich Scheele und Kölner Accumulatorenwerke Gottfried Hagen. Zur Jahrhundertwende war noch nicht entschieden, ob der in Köln erfundene Otto-Motor – inzwischen längst Standard unter den Motorhauben – das Rennen machen würde. „Die Ottomotor-Fahrzeuge waren sehr laut und stanken fürchterlich“, sagt Auto-Historiker Immo Mikloweit, Autor des Buches „125 Jahre Automobiles aus Köln“.
Von 1900 bis 1910, als das Auto allmählich die Pferde von den Straßen verdrängte, wurden Dampfantriebe und Elektromotoren deshalb noch als ernst zu nehmende Alternative zum aufdringlichen Benzin-Aggregat gehandelt. Die Kölner Feuerwehr fuhr mit Hilfe von Strom zu ihren Einsätzen. Und die Firma Ernst Heinrich Geist in Zollstock entwickelte „Dynamobile“ – Fahrzeuge sowohl mit Benzin- als auch mit Elektroantrieb. Hybridautos? Alles schon da gewesen.
Wendekreis von zehn Metern
Steinerne Relikte der Kölner Elektro-Ära stehen an der Rolshover Straße in Humboldt-Gremberg sowie an der Vogelsanger Straße in Ehrenfeld. Das hübsch-schlichte Bauhaus-Ensemble an der Ecke Maarweg/Vogelsanger Straße, in dem sich heute Loftbüros befinden, gehörte einst zur Kraftfahrzeugfabrik Heinrich Scheele, die 1898 das erste deutsche Elektromobil produzierte und sich kurze Zeit später auf Nutzfahrzeuge sowie kleinere Omnibusse spezialisierte.
„Letztendlich waren es die Kommunen, die überhaupt über die finanziellen Mittel verfügten, um Scheele-Fahrzeuge anzuschaffen“, so Mikloweit. Die Kölner Berufsfeuerwehr bestellte 1914 einen Feuerwehrwagen bei Scheele. Ein ähnliches Testfahrzeug hatte zuvor nicht nur mit seinem kleinen Wendekreis von zehn Metern, sondern auch durch die Radnabenmotoren überzeugt, die eine „beachtliche Spitzengeschwindigkeit von 35 km/h“ vollbrachten.
Der Verschleiß der Batterien und der Vollgummireifen, die ziemlich unkomfortabel über das Kölner Pflasterstein-Straßen holperten, waren jedoch beträchtlich, die Kosten für die Instandsetzung hoch. Doch Benzinfahrzeuge waren der Feuerwehr nicht geheuer: Beim Nachtanken lief oft Kraftstoff daneben und entzündete sich an den heißen Auspuffrohren. Der Einsatzbereitschaft waren solche Vorkommnisse nicht dienlich.
1906 hatte der Kölner Rat zudem für 15 400 Mark einen elektrischen Krankenwagen bei Scheele bestellt. Dessen 3-PS-Elektromotoren waren an den Hinterachsnaben angebracht, die Höchstgeschwindigkeit lag bei 20 Stundenkilometern, die Reichweite bei 75 Kilometern. Sah dieser Wagen „zum Transport von ansteckend Erkrankten“ noch aus wie eine Pferdekutsche, hatte der zweite Scheele-Krankenwagen schon einen überdachten Führersitz, eine Windschutzscheibe und 4-PS-Motoren. Die Kölner Reichspost setzte ab 1904 einen elektrisch betriebenen „Postselbstfahrer“ ein. Voll beladen brachte er es auf 13 Stundenkilometer. Heute kommt die Post im etwas schnelleren „Streetscooter“ daher.
Batterien kamen aus Humboldt-Gremberg
Die Batterien vieler Scheele-Fahrzeuge stammten von der Firma Gottfried Hagen in Humboldt-Gremberg. An der Rolshover Straße stehen heute noch vier hübsche Backstein-Gebäude aus der Zeit um 1890, als die „Kölner Accumulatorenwerke“ dort ihr rund 52 000 Quadratmeter großes Betriebsgelände bezog. Über dem Eingang eines Künstler-Ateliers ist das elegant geschwungene Firmenlogo samt elektrischer Blitze noch zu sehen. Seit 1884 hatte das Unternehmen Batterien aller Art gebaut, 1904 begann man, unter dem Namen Urbanus auch Elektromobile mit etwa 100 Kilometern Reichweite herzustellen. Denn auch hier war die Hoffnung groß, dass sich elektrische Autos im Straßenverkehr durchsetzen würden.
Lange Aufladezeiten blieben den Urbanuswagen-Fahrern erspart: Die Firma betrieb auf jeder Rheinseite jeweils eine Station, an denen binnen weniger Minuten leere gegen volle Akkus ausgetauscht werden konnten. „Ein sehr kundenfreundliches System“, sagt Immo Mikloweit. E-Mobil-Fahrer der Jetzt-Zeit könnten davon nur träumen. Die Batterietechnologie habe sich zudem nur unwesentlich weiter entwickelt. „Heute sind die Batterien zwar nur halb so groß wie früher“, sagt der 72-jährige Experte: „Aber der Quantensprung ist nach wie vor nicht eingetreten.“
Die Reichweite der Akkus war vor 100 Jahren zwar ausreichend, um sich im Kölner Stadtgebiet fortzubewegen. Aber letztendlich verlor der Elektro-Motor einst aus ähnlichen Gründen den Wettbewerb um die Antriebsart der Zukunft, aus denen er aktuell noch immer kritisiert wird. „Die beschränkte Einsatzfähigkeit war ein Hindernis“, sagt Mikloweit: „Das war dieselbe Diskussion wie heute.“ Auch den harten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen war es geschuldet, dass die Kölner Elektromobil-Hersteller bis zum Ersten Weltkrieg ihre Produktion einstellen mussten. Nur die Kraftfahrzeugfabrik Heinrich Scheele hielt bis 1928 durch. Die Gebäude am Maarweg wurden 1930 von der Stadt übernommen. Die Firma Gottfried Hagen stellte schon 1909 ihre Elektroauto-Sparte ein und beschränkte sich auf Akkus. 1983 war auch damit endgültig Schluss.
Von Tobias Christ
Bunker unterm Alter Markt – Die Unterwelt des Rathauses
Genau 21 Stufen führen hinab zu einem Keller-Bollwerk, von dessen Existenz lange Zeit kaum jemand wusste. Und wer es kannte, hoffte, diese 21 Stufen niemals absteigen zu müssen. Am Eingang hängt ein kleines Schild mit der Aufschrift „-2.03 Bunker“.
Die Tür, die sich vier Meter unterhalb des Niveaus des Alter Markts befindet, gehört zum historischen Rathaus und hätte sich für Normalbürger niemals geöffnet. Wäre die Stadt von einer atomaren Katastrophe bedroht oder sonstwie angegriffen worden, wären genau 90 wichtige Mitarbeiter der Verwaltung eingelassen worden. Inklusive Oberbürgermeister natürlich.
60 Zentimeter dicke Betonmauern
Geschützt von 60 Zentimeter dicken Betonmauern hätte der städtische Krisenstab von hier aus die Hilfskräfte des Zivil-und Katastrophenschutzes gelenkt. Der Rathaus-Bunker, offiziell „Befehlsstelle für die Führungsorgane der Stadt“ genannt, ist ein Relikt aus dem Kalten Krieg. Gebraucht wurde er nie, betriebsfähig gehalten wurde er lange.
Die Anlage ist 603 Quadratmeter groß und umfasste 17 Räume, darunter ein Fernmelde-Zentrum, einen Führungsraum, ein Archiv, einen Raum für den ärztlichen Notdienst, Arbeitszimmer für Sachbearbeiter, Bereiche für die Technik, WCs, eine Küche. Geschlafen worden wäre in Schichten: Für 90 Personen standen 30 Betten zur Verfügung. Aber an Schlaf wäre bei einem Atomschlag ohnehin nicht zu denken gewesen.
Grundwasser und Belüftung
Zur Stromversorgung gab es ein Dieselaggregat, ein Brunnen lieferte frisches Grundwasser, und die Belüftungsanlage ließ dank Sand- und Kohlefilter keine Schadstoffe von außen hinein. Die Bunkerwelt hätte – so die Theorie – unabhängig von außen funktioniert.
Ob sie bei einem Atomschlag überhaupt ausreichend Schutz geboten hätte, darf bezweifelt werden. Planmäßig sollte sie es aber zumindest für eine begrenzte Zeit. „Das Öllager war zwar für eine Betriebsdauer von drei Wochen ausgelegt“, sagt Jürgen Opladen vom Bevölkerungsschutz der Feuerwehr, die bis 2009 für den Bunker zuständig war und ihn bis zu diesem Zeitpunkt einsatzbereit hielt: „Vorgesehen war aber eigentlich ein Aufenthalt von zwei Wochen.“
Mobiliar zerstört
Bis vor acht Jahren war das Bunker-Inventar aus dem Jahr 1977 noch komplett vorhanden und funktionstüchtig – prähistorisch anmutende Telefonanlagen, Küchen-Mobiliar, Stühle oder Betten. Doch beim Bau der U-Bahn-Station Rathaus drang Feuchtigkeit in den Bunker ein, die Einrichtung nahm Schaden und musste entsorgt werden. Nur das Notstromaggregat ist von der ursprünglichen Technik stehen geblieben.
Mittlerweile kümmert sich Jörg Wenzel, als Objektbetreuer der Gebäudewirtschaft für das Rathaus verantwortlich, um den Bunker. Die Feuerwehr ist nicht mehr zuständig.
Weg in die Katakomben
Der Weg in die Katakomben des Kalten Kriegs führt zunächst am Trinkwasserbrunnen vorbei, dann durch eine gas- und drucksichere Stahltür, die in einen langen Gang mit vielen weiteren Türen mündet. Viele davon sind an diesem Tag verschlossen, doch der Bereich, in dem Sachbearbeiter den Ernstfall hätten managen müssen, ist offen. Tische stapeln sich hier, die Stadt nutzt den Bunker mittlerweile als Lager.
Eine weitere Stahltür führt zu einem Fluchtweg, der von den anderen Räumen nur durch enge Luken erreichbar ist. Der Fluchtweg hätte genutzt werden können, wäre der offizielle Zugang im Rathaus zerstört gewesen. Der gerade einmal 1,70 Meter hohe Gang endet an einem mehrere Meter tiefen Schacht mit Leiter und einer weiteren Tür – es ist ein Zugang zur U-Bahn-Station Rathaus. An anderer Stelle gibt es einen Leiter-Aufgang, der zu einem Gitterrost auf dem Alter Markt führt. „Rauchabzug – Gitterrost freihalten“ ist von außen auf den Gittern zu lesen. Dass es sich um Ein- beziehungsweise Ausstiege für hohe Verwaltungs-Funktionäre in Lebensgefahr handelte, erfährt niemand.
Baubeginn in den 1950er-Jahren
Was der Bunker kostete, ist nicht überliefert. Die Betonhülle wurde bereits in den 1950er Jahren im Zuge des Rathaus-Wiederaufbaus errichtet. In den 1970er Jahren folgte eine technische Aufrüstung, die laut Feuerwehr 1977 abgeschlossen war.
Die einzige Fluchtburg ihrer Art war es jedoch nicht: Wären Rathaus und Bunker im Kriegsfall zerstört worden, hätte es drei Ausweich-Befehlsstellen für den Krisenstab gegeben – an der Dellbrücker Hauptstraße (Dellbrück), an der Berrenrather Straße (Klettenberg) und an der Wilhelm-Schreiber-Straße (Ossendorf). Sie alle befanden sich auf Schulgeländen und wurden wie ihr großer Bruder unter dem Rathaus vor etwa acht Jahren außer Dienst gestellt. „Man hätte auch alle vier Bunker gleichzeitig in Betrieb nehmen können, jede Stelle hätte dann einen Bereich der Stadt abgedeckt“, sagt Jürgen Opladen von der Feuerwehr.
Und die Zivilbevölkerung? Für sie wären Atomschutz-Anlagen in den U-Bahn-Stationen Kalk Post und Rudolfplatz aktiviert worden. Zudem wurden Hochbunker aus dem Zweiten Weltkrieg an der Elsaßstraße in der Südstadt und an der Herthastraße in Zollstock zu Atomschutzanlagen ausgebaut. Für alle Bewohner der Stadt hätte der Platz niemals gereicht. Der Kalte Krieg hätte für Köln auch grausam enden können.
Als die Schokoladenfabrik Stollwerck unter die Räder kam
Am 6. Juli 1980 ist die spektakulärste Häuserbesetzung Kölns Geschichte. Die Polizei räumt die Gebäude der ehemaligen Schokoladenfabrik Stollwerck, noch am selben Tag wird mit dem Abriss begonnen. 49 Tage lang hatten sich etwa 600 Linke gegen die Pläne der Stadt zur Wehr gesetzt, auf dem weitläufigen, geschichtsträchtigen und nicht mehr genutzten Fabrikgelände Neubau-Wohnungen zu errichten.
Künstler wie Klaus der Geiger, Richard Rogler oder Wolfgang Niedecken von BAP unterstützen die „Bürgerinitiative südliche Altstadt“, die das Motto „Macht Stollwerck zum Bollwerk“ ausgibt. Die Forderungen: die Fabrik erhalten, sozialverträgliche Wohnformen ermöglichen, Künstlern Räume bieten, Grundstück-Spekulanten das Handwerk legen. Doch es hilft alles nichts: Am 6. Juli 1980 ist Schluss.
Freiheit und Lust am Leben
Wenn Angie Hiesl heute am so genannten Räderraum an der Annostraße vorbei geht, wird sie erinnert an eine aktive und wilde Zeit voller Freiheiten und Lust am Leben. Wuchtige Stahlräder sind in einer kleinen Grünfläche in einen gekachelten Sockel eingelassen. Ein zerkratztes Schild erklärt, dass einst zur Kühlung der Schokoladenmasse Kompressoren verwendet wurden, die über diese Schwungräder angetrieben wurden.
Viel mehr als dieses kuriose und recht verwahrloste Industrie-Denkmal ist nicht übrig geblieben von der ehrwürdigen Stollwerck GmbH, Lieferant von Zuckerwaren in alle Welt und zeitweilig Arbeitgeber von mehreren tausend Menschen. Ein paar Meter weiter steht noch der Stumpf eines Stollwerck-Schornsteins, dahinter ragt der mächtige Anno-Riegel empor. Früher war auch er Teil der Schokoladenfabrik, dann wurde er in eine Wohn-Anlage umfunktioniert. Der Rest sind Siedlungen aus den 1980er Jahren, die nichts mehr erahnen lassen von der industriellen und konfliktreichen Vergangenheit dieses Quartiers.
„Ich habe dieses Gelände heiß und innig geliebt“, sagt Angie Hiesl und meint damit die Maschinenhalle und den Annosaal. Nach der Besetzung waren dies die einzigen Fabrik-Teile, die nicht den Neubau-Plänen zum Opfer fielen. Jedenfalls vorerst nicht. Nach 1980 nutzten bildende Künstler und Musiker die Räume an der Annostraße als selbstorganisiertes Kulturzentrum, später wurde es als Bürgerhaus Stollwerck städtisch betrieben. „Absolut bunt und vielfältig“ sei es dort zugegangen, sagt Angie Hiesl, die dort als Performance-Künstlerin aktiv war: „Das war der Kölner Kunstort schlechthin.“
Mit teils hochkarätigen Aufführungen: Die Avantgarde-Band Can spielte hier ebenso wie die Rockgruppe Dunkelziffer oder die amerikanische Singer-Songwriterin Patti Smith. Angie Hiesl führte mehrere Tanz- und Theater-Performances auf und bezog dabei auch die riesigen Schwungräder mit ein, die heute nur noch als Müll-Abladeplatz interessant zu sein scheinen. „Der Räderraum war früher ein geschlossener Raum neben der Maschinenhalle“, sagt Hiesl. Alte Fotos zeigen die damals 32-Jährige, wie sie sich 1986 für ihr Stück „Chambre séparée“ leicht bekleidet an das geschwungene Eisen schmiegt, zusammen mit ihrem Tanzpartner Gerno Bogumil.
„Das Thema war Sinnlichkeit und der Körper in Reibung mit dieser Maschinenwelt, wo der Geruch von Arbeit noch war“, sagt Hiesl. Sie habe die Schwungräder quasi hautnah miterlebt. 1987 wurde auch das Kulturzentrum abgebrochen und durch seine Nachfolge-Einrichtung im preußischen Proviantamt an der Dreikönigenstraße ersetzt, dem heutigen Bürgerhaus Stollwerck.
Authentizität verloren gegangen
Von seinem Vorgänger sind nur die wuchtigen Schwungräder übrig geblieben. Ein Ort, der Angie Hiesl kaum das Lebensgefühl von einst vermitteln kann: „Der Räderraum ist keine Aufwertung der Grünfläche, er steht nicht für das, was er mal war.“ Das Authentische sei verloren gegangen. Authentischer ist eher der Haupteingang des untergegangenen Kultur-Zentrums, den Hiesl vor den Abrissbaggern gerettet hat und nun in ihrem Atelier im Kunsthaus Rhenania aufbewahrt.
Inklusive verblasstem Plakat und einiger Kritzeleien. Als Ort der Erinnerung an politische Grabenkämpfe, die es heute kaum noch gibt, ist das Stollwerck-Gelände in vielen Köpfen verankert geblieben. Andreas Hupke, damals Jura-Student und heute Bezirksbürgermeister für die Innenstadt, war fast jeden Tag dabei, als die alternative Szene die Fabrik-Gebäude besetzte.
Er verteilte Flugblätter, sammelte Geld für die so genannte Volksküche und stieg auf das 37 Meter Kakaosilo, wo er sich am Blick über die ganze Stadt berauschte. Obwohl am Ende das Silo wie die ganze Fabrik dem Boden gleichgemacht wurde, sei das Engagement der Besetzer nicht vergeblich gewesen, sagt Hupke. Dass die neuen Wohnungen sozialverträglich vermietet wurden, sei allein dem Protest zu verdanken: „Mir tut keine Minute leid, die ich mit dafür gekämpft habe.“ Hiesl, damals ebenfalls Besetzerin, macht sich indessen Sorgen um das Wohngebiet. Die Mietbindungen liefen nach und nach aus, sagt sie, die Verdrängung finanzschwächerer Bewohner finde wohl eben verspätet statt.
Von Tobias Christ
Der Grüngürtel als Zwischenstopp auf dem Weg nach New York
Wenn der Hubschrauber vom Typ Sikorsky S-55 am Helios-Leuchtturm vorbeiflog, machte sich Günter Nikolin so schnell es ging auf den Weg zum Inneren Grüngürtel. „Etliche Kinder sind dann dahin gerannt und haben beobachtet, wie er gelandet ist“, sagt der 76-Jährige, der damals am Ehrenfeldgürtel wohnte. Vor einem Maschendrahtzaun träumten die Ehrenfelder Pänz davon, einmal in einem Helikopter zu fliegen. Zumindest für Günter Nikolin blieb es ein Traum.
51 Jahre ist es her, dass auf der Freifläche zwischen Venloer Straße und Vogelsanger Straße die Kinder zum letzten Mal staunen durften. Am 1. April 1966 um 13.30 Uhr war Kölns einziger internationaler, ziviler Hubschrauberlandeplatz Geschichte. Der Flugbetrieb lohnte sich nicht mehr. Der Zaun wurde abgebaut, ebenso die Abfertigungs-Baracke mit der Aufschrift „Hubschrauber-Flughafen Köln“. Nicht abgebaut wurden der Landeplatz selbst und sein Zugang, der heute schräg zum Hauptweg des Grüngürtels verläuft. Es sind die einzigen Relikte dieses Stücks Kölner Luftfahrt-Historie. Wo damals die Sikorskys zu Boden gingen, fliegen heute Basketbälle.
Wo einst die Baracke stand, befindet sich wenige Meter weiter ein – ebenfalls öffentlicher – Tennisplatz.Der kurz „Heliport“ genannte Landeplatz gehörte der belgischen Fluggesellschaft Sabena, die die Hubschrauber ab 1953 als Zubringer für ihre Linie Brüssel-New York einsetzte. Bei Bedarf wurde die Strecke auch nach Lüttich oder Maastricht ausgedehnt, innerhalb Deutschlands wurden zeitweilig Duisburg, Dortmund und Bonn angeflogen.
Gute Verbindung nach Belgien
„Viel ist über den Flugplatz nicht bekannt“, sagt Werner Müller vom Historischen Luftfahrtarchiv Köln. Wahrscheinlich habe ihn Sabena auch gebaut, um den vielen belgischen Streitkräften in Köln eine gute Verbindung in die Heimat zu bieten. Für andere war es eine Verbindung Richtung Übersee. „Denn die Lufthansa durfte in den ersten Jahren nach dem Krieg nicht interkontinental fliegen.“
Den Standort im Grüngürtel kann sich Joachim Bauer vom Grünflächenamt nur mit der Nähe zum Kölner Zentrum erklären: „Das war die einzige innenstadtnahe öffentliche Grünfläche“, sagt Bauer. Es sei damals nicht einfach gewesen, ausreichenden Platz für einen Hubschrauber zu finden. Der Grüngürtel sei noch nicht so gut ausgebaut gewesen wie heute, zudem blockierte noch der Schutt des Zweiten Krieges viele Grundstücke.
Das Flugticket von Köln nach Brüssel und zurück kostete 72 D-Mark, die Flugdauer betrug eineinhalb Stunden. Die Einnahmen bei ausgebuchten Plätzen deckten laut Müller gerade einmal die Hälfte der Betriebskosten. Anfangs wurde Köln mit Maschinen vom Typ Sikorsky S 55 für sieben Passagiere und S 58 für zwölf Passagiere angeflogen, später auch mit zweimotorigen Vertol 44b.
Der Flugdienst sei nur bei gutem Wetter möglich gewesen, so Müller: „Vereitelte schlechte Witterung den Flug, dann beförderte die Sabena ihre Fluggäste mit der Eisenbahn 1. Klasse nach Brüssel.“ Zu den prominenten Nutzern des Landeplatzes zählte am 19. Juni 1956 der belgische Außenminister Paul Henri Spaak, einer der Gründerväter der EU. Er traf in Ehrenfeld ein, um zu einem Blitzbesuch nach Bonn weiterzufahren. Sein Rückflug war der 500. Start seit Bestehen des Heliports.
Um ein Haar wäre es mit der Flugplatz-Baracke vorzeitig zu Ende gewesen. Als im Dezember 1959 in der Nähe ein Feuer ausbrach, wären die Flammen auf das Haus übergeschlagen, wäre die Feuerwehr nicht eingeschritten. So blieb die Baracke noch mehr als sechs Jahre in Betrieb. Als der Heliport am 1. April 1966 geschlossen wurde, hatten die Passagierzahlen stark abgenommen.
Den Umweg über Brüssel musste nun niemand mehr nehmen: Die Lufthansa hatte mittlerweile einen Direktflug von Köln nach New York eingerichtet. Daniel Walter, der einen Steinwurf vom ehemaligen Landeplatz entfernt das „Parkcafé 3.0“ betreibt, wird noch ab und zu von älteren Passanten auf den Heliport angesprochen erzählt er. Wahrscheinlich von Ehrenfeldern, die einst als Kind am Maschendrahtzaun von der großen weiten Welt träumten.Mehr Infos unter www.luftfahrtarchiv-koeln.de.
Von Tobias Christ
Fort IV – In Bocklemünd schlummert der Horror im Untergrund
Es ist eine verstörende Vorstellung, sich hier allein aufhalten zu müssen. Alptraumartig öffnet sich ein finsterer Raum nach dem anderen entlang schier endlos langer Gänge. Es riecht muffig, das Licht ist funzelig oder nicht vorhanden und die Bauschutthügel nehmen immer bizarrere Formen an, je tiefer sich der beklommene Besucher in das Labyrinth von Fort IV in Bocklemünd vorwagt.
Das Wissen, dass ein Teil des Horrorfilms „Creep“ in diesen tageslichtfreien Gewölben entstanden ist, in dem Kate alias Franka Potente sich in der Londoner U-Bahn ein Gemetzel mit einem entstellten Psychopathen liefert, macht das Gefühl nicht besser.
Zum Glück weist Werner Müller den Weg nicht nur hinein in das Bollwerk, das die Preußen 1875 als Teil des äußeren Festungsrings bauten, sondern auch wieder heraus.Der 53-Jährige betreibt das historische Luftfahrt-Archiv Köln und führt am kommenden Wochenende im Rahmen des „Tags des offenen Denkmals“ durch das rätselhafte Fort. „Macht und Pracht“ ist das Motto in diesem Jahr. In Fort IV ist von Pracht zwar wenig zu spüren, dafür haben die Mächtigen umso mehr Spuren hinterlassen.
Wer sich jedoch hier herumgetrieben hat, als die Soldaten abzogen, wer sich etwa die Mühe machte, so viel Bauschutt in die Katakomben zu karren, ist nicht bekannt. Irgendwann mal nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Hühner gehalten und Pilze gezüchtet. Und irgendwann haben Unbekannte stümperhafte Bohrlöcher in einer Betonwand hinterlassen – „wohl auf der Suche nach dem Bernsteinzimmer“, mutmaßt Müller mit ironischem Unterton. Aber Genaues ist nicht überliefert.
Festungsgebäude ist mehr als 200 Meter lang
Besser dokumentiert ist die militärische Vergangenheit des mehr als 200 Meter langen Festungsgebäudes, von dem äußerlich nur die so genannte Kehlkaserne zu sehen ist, die zur Innenstadt ausgerichtete Flanke der ansonsten ins Erdreich geduckten Anlage. Werner Müller bittet in den rechten Eingang, dann in ein stattliches Treppenhaus, das hinab in das mittlerweile unterirdische Erdgeschoss führt.
Von 1909 bis 1914 war hier das Luftschifferbataillon Nummer 3 untergebracht, wohl wegen der Nähe zur Luftschiffhalle in Bickendorf. Im Zweiten Weltkrieg hielt dann der Gefechtsstand der Kölner Luftabwehr Einzug. Werner Müller präsentiert ein altes Foto, das telefonierende Wehrmachts-Soldaten an einem runden Kartentisch zeigt.
Dahinter steht ein Offizier auf einem Podest und zeigt mit einem Stab auf den Tisch. „Von hier aus wurden die Feuerbefehle an die Kölner Flakbatterien gegeben“, sagt der Experte. Ein Beobachtungsturm vor dem Fort gab den Blick frei auf die Stadt und feindliche Bomber-Verbände.
In einem Wäldchen neben der Zufahrt ist das Fundament des vielleicht 20 Meter hohen Ausgucks noch im Dickicht zu sehen. Innerhalb des Forts muss es auch eine Telefonzentrale gegeben haben, wie ein weiteres Foto belegt. Wo sie sich befand, ist jedoch unklar. Aber die Stelle des runden Tischs ist lokalisierbar: Seine Umrisse haben eine kreisrunde Einkerbung im Boden hinterlassen. In einem anderen finsteren Raum rosten die Überreste der Lüftungsanlage vor sich hin.
Die Eingänge eines kleinen Betonbunkers sind halb verschüttet. Viele Räume des Forts wurden im Zweiten Weltkrieg der umliegenden Bevölkerung zum Schutz vor Bombenangriffen zur Verfügung gestellt. Beschossen worden sei das Fort jedoch nicht, sagt Müller: „Die Alliierten wussten ja nicht, was sich hier befindet.“ Je mehr es in das Innere des Forts geht, desto mehr Unrat türmt sich auf.
Immer wieder regen verschüttete Türen und Treppenhäuser die Fantasie an. Was einen morbiden Charme entwickelt, ist für Werner Müller auch trauriger Ausdruck städtischer Versäumnisse: „Der Zustand der historischen Gebäude in Köln, wie dieses Fort, spricht für sich“, sagt er.
„Nur Kunst zählt, nicht unsere reiche Stadtgeschichte“
Für historisch interessierte Touristen sei Köln ein weißes Blatt: „Es ist sehr schade, dass für das Kulturdezernat nur Kunst als Kölner Kultur zählt, nicht aber unsere reiche Stadtgeschichte.“ Den Fort-IV-Besuchern wird er am Wochenende daher auch Fotos eines ähnlichen Bauwerks in Polen zeigen, das aufwändig zu einer Jugendherberge umgewandelte wurde.
Vergessen und weitgehend vernachlässigt wirkt das Fort IV in der Tat. Aber wo sind schon Hinterlassenschaften aus der Preußenzeit im unbehandelten Originalzustand zu sehen? Rostige Haken etwa, an denen Petroleumlampen hingen, Überreste einer Laufkatze, mit der Granaten transportiert wurden oder Überreste von Regalen in Räumen, in denen früher zwölf bis 16 Soldaten untergebracht waren.
„Spannend ist das alles schon“, sagt Werner Müller. Am Ende des langen Ganges führt eine Treppe hinauf und endet abrupt vor einer Wand. Dahinter beginnt das Reich eines Motorrad-Clubs. Zeit, wieder an die frische Luft zu gehen.
Von Tobias Christ
Das erste Freibad ist heute ein Biergarten am Rhein
Zwischen Engelstrompeten, Blauregen und Holztischen steht ein blau gestrichenes, flaches Gebäude nahe des Riehler Rheinufers. Die Sonne wirft ein paar vorsichtige Strahlen auf die Terrasse; auf das Wasser, das irgendwo zur Linken liegt, auf die grüne weite Fläche zur Rechten. Der Blick fällt auf einen Kinderspielplatz, ein buntes Zelt, in dem das Zirkus- und Artistenzentrum Köln zu Hause ist, auf das Colonia-Haus mit dem großen „Axa“-Schriftzug.
Und dann, wenn man ganz genau hinsieht, zeigen sich dazwischen noch einige Überbleibsel, Spuren aus einer ganz anderen Zeit. Früher befand sich hier, am Biergarten „Schwimmbad“, der seinen Namen nicht umsonst trägt, das erste und älteste Freibad Kölns.
„Wenn Sie eine Schippe hätten, könnten Sie es wieder ausbuddeln“, sagt Norbert Effgen. Der Betreiber des Biergartens steht auf der Terrasse zwischen den Tischen und sieht auf das Gelände hinunter. Hätte es die Gastronomie bereits zu Zeiten des Schwimmbads gegeben, es wäre der ideale Aussichtspunkt für den Bademeister gewesen. „Da vorne, beim Spielplatz, war früher das Schwimmerbecken.“ Effgen deutet auf eine lange Holzbank, die an der Spielplatzfläche entlangläuft. An ihr lassen sich die Maße des damaligen Beckens nachvollziehen – sie ist eines dieser Relikte aus alter Zeit.
Das Schwimmbad wurde 1902 als erstes „Licht-, Luft- und Schwimmbad“ Kölns gegründet
Dann fährt Effgens Hand weiter, zur Artistenschule in der Ferne: der ehemalige Standort der Umkleidekabinen. Und ein Stück weiter rechts, jenseits des Weges, wächst Wiese auf dem zugeschütteten Nichtschwimmerbecken. Das Biergartengebäude, vor dem Effgen steht, war früher für Betrieb und Personal reserviert. Die Ausgabefenster eines ehemaligen Kiosks hat er zumauern lassen.
Das Schwimmbad, 1902 als erstes „Licht-, Luft- und Schwimmbad“ Kölns gegründet und auf den Namen „Rheinlust“ getauft, hat eine lange Geschichte. Eine sehr bewegte auch, wie man so schön sagt. Bei seiner Gründung liegt das Bad noch an anderer Stelle, ein Stück näher an der Mülheimer Brücke. Als diese jedoch 1926 saniert wird, muss es weichen – an seinen jetzigen Standort. In den frühen 60er Jahren übernimmt die Stadt das Freibad, baut ein zweites Becken, vergrößert die Liegewiese auf mehr als die doppelte Fläche. Um diese dann, beim Bau des Colonia-Hauses in den 70er Jahren, neu abzustecken. Am Niederländer Ufer entsteht zu dieser Zeit ein neues Wirtschaftsgebäude: der heutige Biergarten.
„Die Pumpen hatten wahrscheinlich noch den ersten Weltkrieg erlebt“
Und obwohl das Freibad sich in seiner langen Geschichte immer wieder erfolgreich an die sich wandelnde Umgebung angepasst hat, endet seine Ära bald darauf, im Jahr 1986. 84 Jahre nach der Gründung trägt sich das Bad nicht mehr, die Technik ist veraltet, der Umbau wäre zu kostspielig. „Die Pumpen hatten wahrscheinlich noch den ersten Weltkrieg erlebt“, sagt Effgen. Er weiß, wovon er redet, die Pumpen befinden sich heute noch in seinem Keller.
Durch eine Klappe im Boden der Terrasse geht es hinab ins Dunkle; über Staub, Spinnweben und Laub, zu einer Holztür, deren Schloss so rostig ist, dass sie nur nach einiger Kraftanstrengung nachgibt. Im Kellerraum treffen Generationen an Technik aufeinander: Die alten Pumpen verstauben neben neuen Generatoren, neben den ehemaligen Filterbecken liegen die Anschlüsse für die Wasserversorgung des Biergartens.
Oben im Licht erklärt Effgen, dass nicht nur die alten Pumpen und Filterbecken nach der Schließung des Freibades sich selbst überlassen wurden. „Das Gebäude wurde eingezäunt, alles lag völlig brach. Eine Weile lebten hier Hausbesetzer, aber die Stadt ließ das Gebäude räumen. Danach vegetierte alles weiter vor sich hin.“
Das Gelände sollte nicht verfallen
Es ist Effgen selbst, der den Wert des Grundstücks erkennt. Er wendet sich Mitte der 90er an das Bezirksamt Nippes, legt seine Ideen für den Biergarten dar. „Nach vier Wochen ist der Pachtvertrag unterschrieben. So schnell habe ich die Stadt noch nie erlebt.“
Alle Parteien haben großes Interesse daran, das Gelände nicht weiter verfallen zu lassen. Die Infrastruktur folgt nach und nach: Die Stadt kümmert sich um Wasseranschlüsse, ein Telefonanbieter legt – wenn auch zögerlich – neue Leitungen. Probleme gibt es lange mit der Trafo-Station; zwischenzeitlich arbeitet Effgen mit Dieselmotoren.
Nach einem halben Jahr Arbeit eröffnet der Biergarten 1996 provisorisch. Acht Tische stehen damals auf der Terrasse. Daneben wuchert die Wildnis weiter vor sich hin. Erst etwa zwei Jahre später entsteht auf den zugeschütteten Becken der Spielplatz, bald folgt die Artistenschule. Zwischenzeitlich löst „Axa“ den „Colonia“-Schriftzug auf dem benachbarten Hochhaus ab.
Mittlerweile stehen im Biergarten über 100 Tische
Das Areal entwickelt sich, und der Biergarten wächst stetig: Von 8 auf 15, auf 30, auf 50 Tische. Mittlerweile stehen über 100 auf der Terrasse. Im Sommer, wenn es Fußball-WM gibt oder EM, dann leuchtet hier alles Schwarz-Rot-Gold.
Und wer das alte Schwimmbad vermisst, für den ist die nächste Bademöglichkeit streng genommen gar nicht so fern: Im Colonia-Haus mit dem Axa-Schriftzug gibt es auch ein Schwimmbecken. Das ist allerdings ausschließlich für die Bewohner reserviert.
Von Eliana Berger
Gespenster und Geisterjäger im Haus Fühlingen
Ist es ein Fluch, der auf dem Haus liegt, der jeden Fortschritt verhindert? Oder der Geist, der auf ewig hier auf der Suche nach seiner Geliebten sein soll und wenig Lust auf eine Luxussanierung haben könnte? Das Haus Fühlingen an der Neusser Landstraße ist nach wie vor eine Ruine. Der Bauzaun, den der Besitzer, das Unternehmen Dolphin Trust, hier aufgebaut hat, ist zerstört, sein Bauschild bekritzelt.
Der Überrest des ehemaligen Gutshofs ist seit Jahrzehnten eine Attraktion für Geisterjäger und Abenteuer-Touristen, die sogenannte „hidden“ oder „rotten places“ besichtigten. Das Internet ist voll von ihren Zeugnissen: Seltsame Schatten, die durchs Haus huschen, angeblich unerklärliche Phänomene, Funkgeräte, die sich von selber anschalten, und Türen, die sich von selbst öffnen, sowie Menschen, die schreiend weglaufen und angeblich noch tagelang unter den Folgen der verbotenen Spurensuche leiden.
Ermordeter Zwangsarbeiter als Hausgespenst
Unbestritten ist das Areal gegenüber vom Fühlinger See von Blut getränkt. Hier wurde 1288 die Schlacht von Worringen geschlagen. Im Januar 1943 erhängten Nazi-Schergen den Zwangsarbeiter Edward Margol ohne Gerichtsurteil, weil er versucht haben sollte, eine Tochter des Pächters sexuell zu missbrauchen – die Anschuldigung war erfunden, wie man später nachweisen konnte. Die Geisterjäger haben aus Edward ein Gespenst gemacht, das wegen einer unerfüllten Liebe ruhelos durchs Haus irrt.
In der Silvesternacht 1962 erhängte sich ein Richter im zweiten Stock. Es wird erzählt, dass er für Margols Tod verantwortlich war – eine weitere unbewiesene Spekulation. Später findet man zwei aus unerfindlichen Gründen im Haus eingemauerte Autos. 2007 wird ein weiterer Selbstmord aktenkundig. All das sind Vorlagen für immer neue Fortsetzungsgeschichten, die selbst ernannte Spezialisten für alles Übersinnliche in die Welt setzen.
Ein Priester sollte Geister und Flüche vertreiben – Es hat nicht funktioniert
Angeblich hat ein Kauf-Interessent, der das Haus umbauen wollte, einen Priester über das Gelände geschickt, um die Geister und Flüche zu vertreiben. Die Inszenierung sollte die ungebetenen Touristen beeindrucken und in Zukunft fernhalten.
Es hat nicht funktioniert. Man muss gar nicht im Gebäude herumklettern, um etwas von der seltsamen Aura dieses Ortes zu spüren. Schon einer Gang um das Haus herum vermittelt ein mulmiges Gefühl – das Wissen um die Geschichte des Hauses und seine Geschichten tut seinen Teil dazu.
Mittlerweile ist das meiste des ehemaligen Gutshofs verschwunden. Geblieben ist das repräsentative Haupthaus mit seiner prächtigen Veranda unter Arkaden – zweifellos eine tolle Kulisse für Horror- oder Geisterfilme. 1884 errichtete Eduard Freiherr von Oppenheim auf dem „Blutacker“, wie die Kölner das Schlachtfeld von Worringen nannten, ein prachtvolles Anwesen mit Pferderennbahn und Gestüt. Nur wenige Jahre später dürfte er sich die selbe Frage gestellt haben, wie alle, die heute hier vorbei kommen: Warum nur an diesem Ort?
Die Treppe heruntergefallen, nachdem ein Geist mit ihm sprach
Schon 1907 gaben die Oppenheims den Hof wieder auf und für eine landwirtschaftliche Nutzung frei. Wann er an die Stadt verkauft wurde, ist unklar. In der NS-Zeit wurden hier Zwangsarbeiter eingesetzt. Dieses düstere Kapitel, zu dem die Hinrichtung Margols durch die Gestapo gehört, ist mittlerweile durch Zeitzeugenberichte und Dokumente gut erforscht. Die Leiche des 19-jährigen Polen wurde in der Anatomie der Bonner Universität seziert, seine Überreste wohl einfach verscharrt.
1967 ließ die Stadt Köln mehrere Gebäudeteile abreißen, darunter auch die Reithalle. Türen und Fenster wurden zugemauert. Der Verfall des Haus Fühlingen begann. Schon bald machen die ersten Geschichten vom Geisterhaus die Runde. Fotos sollten belegen, dass Untote herumspuken. Besucher berichteten von Geräuschen, die Unsichtbare machen. Einer behauptete nachdrücklich im Internet, er sei die Treppe herunter gefallen, nachdem er mit einem Geist gesprochen habe.
Wird auch der aktuelle Investor scheitern?
Jahrzehnte lang kümmerte sich die Stadt kaum um ihren ungeliebten Besitz im Kölner Norden. Erst vor wenigen Jahren nahm die Idee Gestalt an, hier ein Luxus-Wohnquartier mit dem denkmalgeschätzten Rest des Hauses zu verbinden. Doch es blieb bislang bei Ideen ohne Taten. Seit 2013 ist das Unternehmen Dolphin Trust in der Verantwortung. Mancher unkt, dass nach weiteren vier Jahren des Verfalls auch dieser Investor scheitern könnte. Die Firma beteuert, weitermachen zu wollen. Die geplanten Wohnungen seien bereits vermarktet worden, so Firmen-Sprecherin Monika Schröder. „Für uns und unsere Käufer wäre es fatal, wenn es nicht weiter geht.“
Geplant sind 34 Wohnungen im „Gutshof am See“ und der Bau einer kleinen Tiefgarage für die Bewohner. Investor und Stadt schieben sich zur Zeit gegenseitig die Verantwortung dafür zu, dass es nicht los geht. Die Stadtverwaltung sagt, dass man auf Wunsch des Investors das Baugenehmigungsverfahren ausgesetzt habe, damit Dolphin Trust die vielen offenen Fragen zur Grundstückserschließung klären könne. Das sei bis heute nicht geschehen. Die Firma sieht das anders: Es gehe nicht voran, weil man auf einen Entwässerungsplan warte, für den die Stadt zuständig sei.
Spuk soll nun von einer Sicherheitsfirma überwacht werden
In der Bezirksvertretung Chorweiler teilte die Stadt vor kurzem mit, dass sie erfolgreich eine Vertragsstrafe eingeklagt habe, weil der Investor seiner Pflicht nicht nachgekommen sei, in einem festgelegten Zeitrahmen mit der Restaurierung zu beginnen. Die Strafe zahlten jedoch die Vorbesitzer. Das Instrument zieht nur einmal.
Dolphin Trust hat zwischenzeitlich den Versuch aufgegeben, das Areal mit einem Bauzaun zu sichern. Ihn immer wieder instand zu setzen, sei zu teuer. Jetzt soll der Spuk regelmäßig von einer Sicherheitsfirma überwacht werden.
von Helmut Frangenberg
Gedenkstätte im Gremberger Wäldchen
Ein Jägerzaun mitten im Wald begrenzt einen Platz des Grauens und Gedenkens, der auch dafür steht, wie die Kölner lange mit ihrer Vergangenheit in der NS-Zeit umgegangen sind. Da wurde lieber an der Mär vom freiheitsliebenden Weltbürger gestrickt, der es Hitler schwer gemacht habe, als sich dem Versagen und Verdrängen zu stellen. Im Gremberger Wäldchen steht ein zwei Meter hoher Stein, in den ein Text in kyrillischer Schrift eingemeißelt wurde. Keiner weiß, wer diesen Stein kurz nach dem Zweiten Weltkrieg aufgestellt hat.
Die Inschrift blieb zunächst nur für diejenigen entzifferbar, die Russisch konnten. Erst vierzig Jahre nach Kriegsende wurde eine Plastik des Künstlers Klaus Balke mit deutschem Text dazu gestellt – so lange hat es gedauert, bis auch die Kölner eine Ausdrucksform des Erinnerns an dieses grausige Kapitel Stadtgeschichte fanden. Die Gedenkstätte befindet sich an der Stelle eines Massengrabs für Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion. Wahrscheinlich haben Russen den Stein zu ihrem Gedenken aufgestellt – aber das ist reine Spekulation.
Das Massaker wurde verdrängt
Die Spurensuche im wunderschönen Gremberger Wäldchen, der wegen seiner geschützten Lage zwischen Autobahnen und Bahntrassen eine wenig berührte, wenn auch recht laute Besonderheit der Stadtnatur ist, führt nicht nur in die NS-Zeit, sondern eben auch in die Nachkriegszeit, in der sich nur wenige mit den Gräueltaten zwischen 1933 und 1945 auseinandersetzen wollten. So wurde auch ein Massaker verdrängt, das am 8. April 1945 mehrere Kölner zu verantworten hatten.
Im Gremberger Wäldchen befand sich ein Zwangarbeiter-Lager, das als Sammellager für erkrankte Arbeiter genutzt wurde. Zeitzeugen berichteten von den elenden Bedingungen, unter denen die Kranken hier leiden mussten. Es wurde „Sterbelager“ genannt, weil fast täglich einer der rund 150 untergebrachten Menschen an seiner Krankheit gestorben sein soll. Am Palmsonntag 1945 vollzogen Volkssturmmänner aus Deutz und Poll mit äußerster Brutalität den Befehl, das Lager aufzulösen. Sie schossen durch die Barackenfenster und zündeten Strohballen an, die sie in die Krankenstationen warfen. Ein 17-Jähriger legte das Feuer direkt unter einigen Krankenbetten, ein Gleichaltriger exekutierte Wehrlose mit Genickschuss, wie aus Akten der britischen Armee hervorgeht.
Auf der linken Rheinseite war der Krieg zu dieser Zeit schon vorbei, auf der rechten Seite sollte dies drei Tage nach dem Blutbad geschehen. Verantwortlich waren nicht Nazi-Schergen, sondern „einfache“ Bürger aus Poll und Deutz, die in der Schlussphase des Kriegs – vor allem aus den Reihen der Hitler-Jugend – zum Volkssturm eingezogen worden waren. Weil der Fall nach dem Krieg nicht anständig aufgearbeitet wurde, ist bis heute manches unklar. Richter der britischen Armee hatten zwar die beiden Hauptverantwortlichen für die Tat unmittelbar nach dem Krieg zum Tode verurteilt, doch die Urteile wurden nie vollstreckt.
Namen der Toten sind weiterhin unbekannt
45 Jahre nach Kriegsende sorgte der Bericht eines ehemaligen Zwangsarbeiters bei seinem Besuch in Köln dafür, dass sich wieder mehr Menschen für die Morde interessierten. Es habe sich um eine Strafaktion gehandelt, weil entflohene Arbeiter ein gestohlenes Kalb gegessen hätten. Akten aus London, die der ehemalige Leiter des Porzer Stadtarchivs, Gebhard Aders, erst 1997 auswerten konnte, ergaben ein anderes Bild: In Verhören bei der britischen Militärpolizei hatten Täter ausgesagt, das Lager habe wegen einer angeblichen Seuchengefahr „geräumt“ werden müssen. Sie beriefen sich auf einen entsprechenden Befehl. Aders sagt, die deutschen Strafverfolgungsbehörden seien später von den Engländern informiert worden. Doch es sei noch nicht einmal ein Aktenzeichen angelegt worden. Als er nach jahrelangen Recherchen selbst die Namen von zwei besonders brutalen Tätern herausfand, waren die kurz zuvor gestorben.
Wie viele Tote im Gremberger Wäldchen begraben wurden, weiß man nicht genau. Die kyrillische Inschrift spricht von 74 sowjetischen Bürgern, „die während ihrer Gefangenschaft unter dem Faschismus in den Jahren 1941 bis 1945 ermordet wurden“. Da man nicht weiß, wer den Stein aufgestellt hat, weiß man auch nicht, woher die Information stammt. Auch die Namen der Toten sind weiterhin unbekannt.
Von Helmut Frangenberg
Die Notkirche im Paulushaus
Gläubige, Kegelsportler, Nazis, Kommunionskinder, Hausbesetzer und psychisch Kranke – die Loreleystraße 7 hat schon viele Menschen beherbergt. Der Schriftzug über der Toreinfahrt ist Zeugnis dafür, dass hier nach dem Zweiten Weltkrieg auch Gottesdienste stattfanden: „Notkirche St. Paul“. Die Geschichte des Südstadt-Hauses ist untrennbar mit St. Paul verbunden.
Der Grundstein für das von dem Kölner Architekten Stephan Mattar geplante Gotteshaus wird 1906 gelegt, zwei Gehminuten von der Loreleystraße entfernt. Die Kirchweihe erfolgt 1908. Später gibt es immer wieder Pläne für ein Pfarrheim direkt an der Kirche. 1926 geht schließlich das Grundstück Loreleystraße 7 in den Besitz der Pfarre über. Ein Jahr darauf bezieht die Gemeinde ihr Paulus-Heim, ebenfalls nach Plänen Mattars errichtet.
Nur wenig ist aus dieser Zeit überliefert. Auf einem Foto aus den 1930er Jahren zwängen sich junge, fröhlich dreinblickende Männer in die Kegelbahn im Keller, den Kaplan in ihrer Mitte und Getränke in der Hand. Am 12. Dezember 1936 verkündet die „Kölnische Zeitung“: Die Loreleystraße 7 wird zum Heim der Hitlerjugend, die Nazis haben das Haus für sich beansprucht. Im Krieg nimmt es keine größeren Schäden.
St. Paul wird zerstört
St. Paul hingegen wird beim Peter-und-Paul-Angriff im Juni 1943, bei dem auch Stephan Mattar ums Leben kommt, durch Brandbomben beschädigt. In der Folge kommen weitere Schäden hinzu. Immer wieder werden Reparaturen durchgeführt. Die Seitenschiffdächer werden instand gesetzt, Teile der Kirche provisorisch abgetrennt, Gottesdienste sind weiter möglich.
Am 31. Oktober 1944 trifft ein weiterer Angriff St. Paul. Die Kirche wird durch Bomben zerstört, die Außenmauern, der eiserne Dachstuhl und das Turmmassiv bleiben erhalten. Bei Kriegsende liegen im Kircheninneren Schuttberge, das Gerüst des Kirchturms ist geschmolzen. Schienen werden in die Kirche gelegt, um die Trümmer fortzuräumen. Die Arbeiten dauern zwei Wochen an, in denen Dutzende Frauen, Männer und Kinder den Kriegsschutt aus St. Paul entfernen.
„Man war froh, dass man überhaupt Räume zur Verfügung hatte“
Wie im ganzen Land werden bereits bestehende Gebäude auch in Köln zu Notkirchen umfunktioniert. „Man war froh, dass man überhaupt Räume zur Verfügung hatte“, sagt Martin von Bongardt, der ein Buch über die Pfarre St. Paul geschrieben hat. In der Südstadt fällt die Wahl 1945 auf das Paulus-Heim, das den zusätzlichen Schriftzug „Notkirche St. Paul“ erhält. Ein Saal im Erdgeschoss dient als Kirche, wer den Raum betritt, schaut auf den Altar an der Gegenwand.
Im Dezember 1949 notiert der damalige Pfarrer Johannes Prior zur Enge der Notkirche insbesondere an Feiertagen: „Eine kleine Kirche bei einer so großen Gemeinde bringt an solchen Tagen Unruhe. Die große Pfarrkirche muss im neuen Jahr werden!“ Doch auch im Folgejahr ist St. Paul noch nicht fertig, Prior merkt an: „Die Lage der Notkirche in der Nähe des Bonner Walls bringt immer mehr Störung durch Jugendliche, die Enge veranlasst viele, die Kirchen der Nachbarschaft aufzusuchen.“
Marianne Esser, 78 Jahre alt und 1949 Kommunionskind in der Notkirche St. Paul, hat keine so negativen Erinnerungen. „Da hat es ausgesehen wie in einer normalen Kirche“, sagt sie. Ihr ist der Saal im ersten Stock stärker im Gedächtnis: „Am Buß- und Bettag haben wir dort für die alten Leute ein kölsches Stück aufgeführt.“
1951 zieht die Gemeinde wieder in die große Paulskirche
Im Sommer 1951 zieht die Gemeinde endlich wieder in die große Paulskirche, gefeiert wird das mit einer Kirmes im Hof der Loreleystraße 7. In den Folgejahren ist hier ein Kindergarten untergebracht. Von 1965 bis 1966 wird das Paulus-Heim schon wieder zur Notkirche, da St. Paul renoviert wird. Diesmal befindet sich die Kirche im Pfarrsaal im ersten Stock. Bis in die 1990er Jahre sind immer wieder soziale Einrichtungen im Haus untergebracht, alle paar Jahre wechselt die Nutzung. Am Ende steht es leer, ist stark sanierungsbedürftig. Noch während die Pfarre mit der Caritas über einen Verkauf verhandelt, wird das Paulus-Heim im März 1995 besetzt.
Der Kirchenvorstand stimmt einer polizeilichen Räumung zunächst zu, Gespräche zwischen den Hausbesetzern und Gemeindemitgliedern verhindern das jedoch. Die Besetzer verlassen das Haus im April kurz nach Aufstellung eines Baugerüsts. Im Sommer 1998 sind die Renovierungsmaßnahmen abgeschlossen, die Caritas installiert in der Loreleystraße ein sozialpsychiatrisches Zentrum. Psychisch kranken Menschen, oft isoliert und ohne Sozialkontakte ist es eine Anlaufstelle. Im ersten Stock des Paulushauses, wie es inzwischen heißt, sitzt seit 1999 das Zentrum „Seelsorge und Begegnung für psychiatrieerfahrene Menschen“.
Seit 90 Jahren gibt es das Paulushaus. Menschen in Not finden hier noch immer ein offenes Ohr. Die Backsteine der Außenwand sind inzwischen mit Graffiti überzogen. Die Paulus-Statue, die ursprünglich auf Höhe des ersten Stocks auf die Loreleystraße schaute, hat nur ihren Sockel zurückgelassen. Die marode Kegelbahn, auf der vor rund 80 Jahren die jungen Männer posierten, gibt es auch noch – aber hinter verschlossener Tür. Gekegelt wird hier schon lange nicht mehr.
Von Hendrik Geisler
Geburtsstunde der Ehrenfelder Polizeiwache
Ein ohrenbetäubender Knall jagt den Ehrenfeldern an einem Freitagmorgen vor 29 Jahren einen gewaltigen Schrecken ein. Der Boden erzittert wie bei einem Erdbeben, eine Staubwolke hüllt die Venloer Straße ein. Das Haus Nummer 354 wird in seinen Grundfesten erschüttert. Risse jagen die Fassade hinauf, Wände stürzen ein, das Dach fällt in sich zusammen, als sei eine Bombe eingeschlagen.
17 Menschen werden bei der Gasexplosion am 15. April 1988 verletzt. Dass in dem Mehrfamilienhaus niemand ums Leben kam, grenzt an ein Wunder. Bei Bauarbeiten für die neue U-Bahn-Strecke hatte ein Bagger eine Gasleitung beschädigt. Als Techniker die Leitung absperren wollten, kam es zur Detonation.
Das Unglück war zugleich die Geburtsstunde der Polizeiwache an der Venloer Straße, gleich neben dem Bahndamm – „der Urknall“, wie es ein Ehrenfelder Polizist ausdrückt. Denn in das neu aufgebaute Haus zog vier Jahre später, im April 1992, die Polizei als Mieter ein – und blieb bis heute. In den Zeitungen erntete die Behörde seinerzeit auch heftige Kritik: „Während die Opfer der Explosion nicht wussten, wo sie hin sollten, sicherte sich eine Kölner Polizei-Delegation das Gelände für ihr neues Zuhause“, schrieb der „Express“.
Fakt ist: Die neu errichtete Wache in Ehrenfeld war damals die modernste in ganz Köln, nebenbei auch die erste, die von vornherein als Polizeiwache konstruiert wurde. Bis dahin hatte die Behörde bestehende Bürohäuser genutzt und sie den eigenen Erfordernissen notdürftig angepasst – zum Ärger der Beamten, denn die Umbauten waren häufig nicht alltagstauglich.
Peter „Fritz“ Laßka bricht heute noch der Schweiß aus, wenn er an die enge Treppe denkt, die in der ehemaligen Polizeiwache am Melatener Weg in den Keller hinab zu den Zellen führte. In dem Gebäude an der Ecke zur Vogelsanger Straße waren die Ehrenfelder Polizisten bis zu ihrem Umzug 1992 untergebracht. „Das waren ungefähr 20 Stufen“, erinnert sich Laßka (58), damals junger Hauptwachtmeister, heute erfahrener „Dorfsheriff“ in Ehrenfeld. „Wir haben die Leute immer zu zweit runtergebracht. Wenn ein Gefangener betrunken war und sich wehrte, konnte es schwierig werden.“ Der ein oder andere sei die Treppe eher hinabgefallen als -gestiegen.
Die Treppe gibt es heute immer noch, auch die Toiletten im Keller, aber aus den Zellen wurden Lagerräume. Auch sonst erinnert in dem Gebäude am Melatener Weg nichts mehr an die Polizei. „Da ist nichts übrig geblieben“, bestätigt Seyfi Ögütlü, Generalsekretär des Verbands der Islamischen Kulturzentren e.V. Dem 1973 in Köln gegründeten VIKZ sind bundesweit mehr als 300 Moscheevereine angeschlossen. Der Verband hat das Haus 1992 von der Polizei übernommen und gekauft, hat es saniert, renoviert, ein bisschen umgebaut und seinen Hauptsitz dort eingerichtet.
Von außen erkennt man noch heute die niedrige Zufahrt zum Hinterhof. „Da haben die jungen Kollegen immer die Blaulichter von den VW-Bullis abgefahren“, erinnert sich Hauptkommissar Laßka. Heute ist die Einfahrt zum Gelände videoüberwacht. Davon konnte die Polizei damals nur träumen. „Wir hatten nicht mal eine gesicherte Tür, geschweige denn eine Schleuse wie heute. Wer rein ging, stand direkt vor dem Wachhabenden.“
Manchmal, wenn Laßka als Funker im so genannten Cebi-Raum Dienst hatte (benannt nach der Einsatzbearbeitungssoftware Cebius), ließ er die Eingangstür der Wache gleich ganz offen stehen – damit wenigstens ein bisschen Luft reinkam. „Der Raum war sehr klein, hatte nur ein Fenster, das sich nicht öffnen ließ, wo aber die Sonne draufknallte. Und damals rauchten ja auch noch alle. Die Luft da drin war schlimm.“ Zusätzlich ratterte stundenlang der Fernschreiber. „Wenn man nach einer Nachtschicht nach Hause fuhr, hatte man Kopfschmerzen.“ Mit frischer Luft auf der Wache war das offenbar generell so eine Sache. Laßka erinnert sich an seinen Kollegen, der den Fuhrpark verwaltete. Dessen Arbeitsplatz war in der Tiefgarage, ganz hinten durch. „Der arme Kerl saß den ganzen Tag im Abgas-Nebel.“
Ein bisschen Hektik kam Mitte der 80er Jahre auf, als in NRW die ersten Frauen zur Polizei kamen. Vier fingen damals gleichzeitig am Melatener Weg an: eine pro Dienstgruppe. Auch räumlich war man am Melatener Weg nicht auf die Revolution vorbereitet: Den knapp hundert männlichen Beamten diente ein Raum als Umkleide, Aufenthaltsraum und Ort für das Feierabendbierchen zugleich. Und nun musste plötzlich eine Umkleidemöglichkeit für die neuen Kolleginnen geschaffen werden.
Aber auch das hat geklappt. Dennoch – dem Melatener Weg trauert Laßka nicht nach. Der alte Standort liegt zwar nur 500 Meter Luftlinie von der jetzigen Wache entfernt. Für die Beamten aber war es 1992 ein Quantensprung.
Teich wurde auch Fru-Loch genannt
Hubert Jussenhoven war ein berüchtigtes Original. Schwimmen soll er nicht gekonnt haben, aber als Bademeister am Fronweiher brachte er es anderen bei.
Die Kinder waren über einen Flaschenzug mit einem Seil verbunden. Ließ Jussenhoven es locker, mussten sich die Kleinen selbst über Wasser halten. Nur aufgepumpte Fahrradreifen unter ihren Armen sorgten für Auftrieb. Manchmal sei der Bademeister nicht ganz bei der Sache gewesen sein, sagt Hans-Josef Heinz vom Worringer Heimatarchiv, der in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg selbst „am Galgen“ hing.
Wer nicht gerade am Galgen hing, konnte seinen Spaß haben. Die Worringer nannten den kleinen Teich, der sich noch heute in der Rheinaue zwischen den Langeler Damm und die Neusser Landstraße kauert, auch Fru-Loch – frohes Loch. Garant für feucht-fröhliche Stunden war der Schwimmclub Worringen 1919, ein munteres Häufchen Feierwütiger, der den Weiher kurz nach dem Ersten Weltkrieg für seine Zwecke herrichtete.
Aus dem frohen Loch ist ein verlassener, morbider Ort geworden. Die Uferbefestigung aus Holz ist längst verrottet, die Betonplatten vor einem kleinen Backsteinhäuschen, das vielleicht mal eine Umkleidekabine war, sind zum Teil zerbrochen. An den Stehtischen stand schon lange niemand mehr. Neben dem Backstein-Häuschen auf der Böschung befindet sich ein noch kleineres Toilettenhäuschen. Die Herzchen in den Holztüren sind erhalten geblieben. Der Rest: moosbewachsen, laubbedeckt, fast versteckt hinter Sträuchern und Bäumen. Geschwommen wird hier seit 50 Jahren nicht mehr.
1931 entstand ein auf Benzinfässern schwimmendes Podium mit Sprungturm, Umkleidebaracke und Laufsteg. An Land entstand eine feste Umkleidebaracke. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Anlage komplett zerstört und danach wieder aufgebaut. Wieder gab es ein auf Pontons schwimmendes Podium, wieder wurden Schwimmwettkämpfe ausgetragen. Doch in den 1950er Jahren stiegen die Ansprüche allmählich, der Wunsch nach einem Freibad wurde lauter. Das kam zwar nicht, dafür aber ein Hallenbad, das mittlerweile auch nicht mehr existiert.
Mitte der 1960er Jahre dann, wenige Jahre vor Eröffnung der neuen Schwimmstätte, war der Fronweiher endgültig abgemeldet. „Die Schwimmanlage wird aufgegeben und verschrottet“, heißt es in der Vereinschronik. „Zuletzt wurde der Weiher noch vom Angelverein genutzt“, sagt Hans-Josef Heinz. Doch auch diese Zeit ist vorbei. Am Zaun um das frohe Loch heißt es nun: „Angeln verboten“.
Die Bahntrasse, der Köln-Ehrenfeld seine Existenz verdankt
Unbestritten ist der Heliosturm das Wahrzeichen Ehrenfelds. Dass in seinem Schatten ein kleiner Rest jener Verkehrstrasse zu finden ist, der Ehrenfeld überhaupt seine Existenz zu verdanken hat, ist dagegen kaum bekannt.
Direkt an der Heliosstraße, auf dem Hof einer Autowerkstatt, liegen Schienen im Boden. Ein paar wenige Meter lange Eisenstücke sind der letzte Rest der einstigen Lebensader, oder vielleicht besser: der Nabelschnur Ehrenfelds. Die rätselhaften Gleise waren mit der Schienenstrecke von Köln nach Aachen verbunden. Am einst „Eiserner Rhein“ genannten Schienenstrang siedelten sich Mitte des 19. Jahrhunderts erste Fabriken an – die Keimzellen Ehrenfelds.
Die Rheinische Eisenbahn dampfte vorbei an Fabrikanlagen, Arbeitersiedlungen, Straßen voll mit Fußgängern und Pferdekutschen. Ehrenfeld wuchs, wurde Gemeinde, Stadt und schließlich 1888 Stadtteil von Köln. Die Bahn transportierte ihre Ladung noch bis 1923 ebenerdig durch das Industrieviertel. Bis 1901 gab es kaum Autoverkehr in der Gegend – die Bahn war das Hauptverkehrsmittel.
Mehrere Firmen waren unmittelbar an das Schienennetz angebunden
Die Bogenviadukte, über die Regional-, Güter- und Fernzüge heute hinwegrauschen, entstanden zwischen 1913 und 1923, damit der Gürtel für den Autoverkehr geschlossen werden konnte. Der Verlauf der alten Bahnstrecke lässt sich immer noch verfolgen, denn die ebenerdige Trasse und die höhergelegten Gleise verliefen größtenteils parallel. Vom Herbrand-Gelände zwischen Vogelsanger und Herbrandstraße ging es entlang der Glasstraße und vorbei am Gaswerk am Maarweg und dem Bahnhof Belvedere in Müngersdorf – der einstigen Endstation.
Die Weiche an der Heliosstraße ist ein Überbleibsel des Schienenanschlusses der Helios-Werke. Die Helios AG für elektrisches Licht und Telegraphenanlagenbau verfügte damals über einen eigenen Gleisanschluss. Die Schienenreste unter dem Tor der Kfz-Werkstatt Klütsch führen Richtung der heutigen S-Bahn-Trasse. Auf diesem Weg transportierten die Helios-Werke ihre Lieferungen direkt zu den Güterzügen.
Mehrere Firmen im Veedel waren unmittelbar an das Schienennetz angebunden. Allerdings lasse sich kaum noch überprüfen, welche dazu zählten, meint Johannes Maubach von der Bürgervereinigung Ehrenfeld. Er ist Experte für das alte Ehrenfeld und zeigt in seinem Buch „Auf den Spuren der alten Ehrenfelder Industrie“ wie es um die Jahrhundertwende dort ausgesehen hat. Höchstwahrscheinlich hatten die Waggonfabrik Herbrand & Co., die Gasfabrik an der Widdersdorfer Straße und die Rheinische Glasbauhütte AG einen privaten Gleisanschluss. Auf dem Gelände der ehemaligen Gaswerke ist heute ein Schrottplatz. Auch hier gibt es immer noch Überreste der Schienen. - Janine Grosch und Heribert Rösgen
Kaum sichtbare Luftschutzbunker
Die Herbstsonne leuchtet über der Kölner City – und die Fragen lasten schwer auf dem Gemüt. Welche Dramen haben sich unterhalb dieses Eisenrosts abgespielt, welche Ängste wurden ausgestanden? Gab es sogar Tote? Das kleine Viereck im Altstadt-Pflaster ist das Gegenteil des wolkenlosen Himmels. Es war ein Stück Hölle – oder zumindest der Ausgang aus der Hölle.
Robert Schwienbacher, Vorsitzender des Kölner Instituts für Festungsarchitektur Crifa, hat den „Luft-Schutz-Relikten des Zweiten Weltkriegs im Kölner Stadtgebiet“ ein ganzes Foto-Buch gewidmet.
Die Bewohner verkrochen sich in den mit Stahl- oder Holzträgern zumeist nur unzureichend gesicherten Räumen vor den Bombardierungen des Zweiten Weltkriegs. War der Kellereingang verschüttet, konnten sie (mit Glück) die weit verbreiteten Keller-Durchbrüche zum Nebengebäude als Fluchtweg nutzen – oder den Notausstieg, der im Ernstfall mit einer gas- und druckdichten Platte verschlossen wurde. „Die Verbindungen von Haus zu Haus waren vorgeschrieben“, sagt Schwienbacher. „Einen Notausstieg hatte nur, wer es sich leisten konnte.“
Früher Bunker, heute Parkhaus
Schätzungsweise zwei Drittel aller Kölner Gebäude waren mit einem Luftschutz-Raum ausgestattet, manche davon waren öffentlich zugänglich. Darüber hinaus hat das Institut für Festungs- Architektur bislang rund 100 öffentlich zugängliche Tiefbunker aus dem Zweiten Weltkrieg lokalisiert, von denen viele aber nicht mehr existieren. Dazu kamen 28 Hochbunker, von denen 24 noch existieren.
Die meisten sind stehen geblieben und zum Beispiel als postmoderne Bürokomplexe getarnt worden. Robert Schwienbacher führt zur Raiffeisen-Waren-Zentrale am Breslauer Platz. Ein Teil des Gebäudekomplexes mit der verspiegelten Fassade war früher ein Hochbunker für 3.000 Menschen. Genutzt wird er heute als Parkhaus – so, wie ihn Architekt Wilhelm Riphahn von Anfang an als Zweitnutzung angelegt hatte.
Südlich des Reichensperger Platzes, an der Riehler Straße, kehrt Robert Schwienbacher zu den kleinen Spuren des Kriegs zurück. Das Kellerfenster eines Mehrfamilienhauses wurde einst zugemauert. Nur ein Ziegelstein fehlt. „Auch dahinter befand sich früher ein Luftschutz-Raum“, sagt Schwienbacher. Das kleine Loch diente zur Lüftung des Kellers und wurde im Ernstfall einfach zugesetzt. Es ist ein kleiner schwarzer Fleck auf einer strahlend weißen Stuckfassade. - Tobias Christ
Die Geschichte der längsten Bahnlinie Kölns
Geht man mit offenen Augen von der Deutz-Mülheimer Straße über die Mülheimer Freiheit bis in die Düsseldorfer Straße, fallen an verschiedenen Hauswänden seltsame Metallrosetten auf. An manchen dieser Rosetten sind auch kleine Schwenkarme angebracht.
Merkwürdig ist auch die Beschriftung einer Hauswand gegenüber der Deutz-Mülheimer Straße 202: „Mülheim“. Nur noch wenige Menschen wissen, dass es sich dabei um Relikte Kölner Verkehrsgeschichte handelt.
Hier verlief einst die Trasse der Straßenbahnlinie „O“ – wie Opladen –, die mehr als 50 Jahre lang Köln mit Opladen verband. Die Linie war eine von mehreren Vorortbahnen Kölns.
Bis 1904 fuhr die elektrische Bahn bereits bis zur Mülheimer Freiheit, die in der damals noch selbstständigen Kreisstadt einfach „Freiheit“ hieß. Die Eröffnung der elektrifizierten Verlängerung nach Opladen erfolgte 1906.
Im Laufe der Jahre änderte sich die Linienführung der „O“. Ab 1928 begann sie beispielsweise in Höhenberg, Frankfurter Straße. Nach der Übernahme durch die Bahnen der Stadt Köln startete sie zeitweise am Heumarkt, zeitweise aber auch am Wallraf-Richartz-Museum. Zwischen 1942 und 1943 wurden der Domhof und der Dom als Kölner Endhaltestelle angesteuert.
Da bis zum Kriegsende immer wieder Rheinbrücken beschädigt oder zerstört wurden, fuhr die Linie „O“ entweder über die Hindenburgbrücke – die heutige Deutzer Brücke – oder die Hohenzollernbrücke. Linksrheinisch wurde der Betrieb der Linie Ende 1944 ganz eingestellt und rechtsrheinisch bis Anfang 1945 lediglich die Außenstrecke aufrecht erhalten.
Bomben zerstörten das Zentrum Mülheims Ende Oktober 1944 derart, dass hier keine Bahn mehr verkehren konnte. Ab September 1945 konnte schrittweise der Betrieb der Bahn zwischen Keupstraße und Opladen aufgenommen werden. Ab 1948 verkehrte sie wieder zwischen Neumarkt und Opladen. Doch in Mülheim hatte sich die Linienführung wieder geändert. Statt über die Mülheimer Freiheit fuhr die Bahn nun durch die Danzierstraße, den Wiener Platz und den Clevischen Ring bis zur Berliner Straße, bevor sie in die Dünnwalder und schließlich die Düsseldorfer Straße einbog.
Zwischen 1951 und 1956 verkehrte die „O“ zwischen Ubierring und Opladen und war mit 22,4 Kilometern Länge und 74 Minuten Fahrzeit die längste Linie Kölns. - Uwe Schäfer
Die Geschichte der Bergbaustadt Kalk
Ein roter Schriftzug hoch oben zwischen den beiden turmartigen Seitenflügeln des Prachtbaus an der Kalker Hauptstraße sorgt für Verwunderung. „Zechen-Brauerei“ ist da zu lesen, daneben prangen die Symbole des Bergbaus: Schlägel und Eisen, mitten in der Stadt.
Der heutige Sitz der Sünner-Brauerei ist nicht nur als älteste Industriegebäude-Denkmal der Stadt, das noch seine ursprüngliche Funktion erfüllt. Es ist auch eine Spur in eine Vergangenheit, von der heute kaum noch jemand etwas weiß: In Kalk sollte Braunkohle abbaut werden.
Mitte des 19. Jahrhunderts hatten es einige finanzstarke Unternehmer tatsächlich für möglich gehalten, aus dem damaligen Bauerndorf Kalk ein Braunkohlegebiet zu machen. 1856 erhielt der Deutzer Unternehmer Wilhelm Eckardt die Erlaubnis, die Kohle abzubauen. 35 Meter tiefe Schächte wurden gegraben, ein für die damalige Zeit ungewöhnlich hoher technischer Aufwand war nötig.
Kölner Banken und andere Kapitalanleger hatten sich durchaus erfolgreich an zahlreichen Bergbauprojekten in der weiteren Umgebung beteiligt. Bereits 1849 stiegen mehrere Kölner Unternehmer auch in den Ruhrbergbau ein, wo sich die Kapitalanlage in Kürze mit guten Renditen auszahlte.
In Kalk klappte das nicht: Der Betrieb, der sich „Neu-Deutz“ nannte, gab nach mehreren vergeblichen Versuchen auf. Die Zeche wurde 1868 endgültig stillgelegt und das Grundstück an die Sünner-Brauerei verkauft.
Als die Brauer das Gelände übernahmen, konnte sie die Bergbau-Stollen gut gebrauchen. Reinstes Grundwasser wurde zum Bierbrauen verwendet, die Stollenkeller zur Lagerung. Als 1876 die Kältemaschine erfunden wurde, gab es einfachere Möglichkeiten, für kaltes Bier zu sorgen. Die alten Tiefkeller werden jedoch bis heute weiter genutzt. Hier befinden sich Lagertanks. - Helmut Frangenberg
Als das Autobahnkreuz Köln-Süd zur Rennstrecke wurde
Die Strecke gehörte zu den wenigen intakten Straßen und eine Sperrung fiel kaum ins Gewicht – wegen der zerstörten Brücke fuhr ohnehin kaum jemand über die Autobahn.
Der erste Kölner Kurs wurde am 29. und 30. Mai 1948 zur größten Rennsport-Attraktion Deutschlands seit dem Krieg.
80.000 bis 100.000 Besucher strömten an die 5,5 Kilometer lange Strecke, 300 Fahrer gingen in 16 Klassen an den Start – auf Motorrädern und in Rennwagen. Geld gab es keins zu gewinnen, dafür Küchenschränke, Motoröl oder Stoffballen für Anzüge. Eine warme Mahlzeit gab es für alle Fahrer obendrein. Es war eine PS-Party in kargen Zeiten. Improvisation war angesagt, auch bei den Fahrzeugen.
Doch schon die zweite Ausgabe des Kölner Kurses am 19. Oktober 1949 war der Anfang vom Ende: Zwar waren mindestens 80.000 Zuschauer an die Fahrbahn gekommen, aber beim Eintritt zahlen nahmen es viele nicht so genau. Etliche Zuschauer hatten sich ohne Ticket an die eigentlich gut gesicherte Strecke geschlichen. Zudem kursierten offenbar viele gefälschte Eintrittskarten. Am Ende jedenfalls landete nur der Eintritt von 29.000 Gästen beim Veranstalter. Der KCM saß auf 78.000 D-Mark Schulden und der Kölner Kurs war Geschichte. - Tobias Christ
Als eine Glanzstoff-Fabrik am Kölner Festungsring stand
Bis 1967 befand sich auf dem Gelände an der Ecke Neusser Landstraße und Militärring eine Produktionsstätte für Kunstfasern. 1925 entstand die Firma Glanzstoff Courtaulds.
In den 1930er Jahre beschäftigte das Unternehmen bereits 2500 Arbeiter – die Produkte wurden immer stärker nachgefragt. Die Personalzahl konnte auch während des Zweiten Weltkriegs weitgehend gehalten werden, da es sich um eine kriegswichtige Produktion handelte.
An dieser Stelle begann das dunkelste Kapital in der Geschichte der Kölner Glanzstoff-Werke. Im Gegensatz zu anderen deutschen Standorten wurden in Köln zwischen 1940 und 1943 mehr als 250 jüdische Zwangsarbeiter beschäftigt. Hinzu kamen 1100 Kriegsgefangene aus Belgien, Frankreich, den Niederlanden und Italien.
In dieser Zeit entstand der an eine Zigarre erinnernde Winkel-Turm, der heute unter Denkmalschutz steht. Der 29 Meter hohe Luftschutzbunker – benannt nach seinem Erfinder Leo Winkel – wurde im Juni 1940 fertiggestellt. Der Bunker bot 600 Menschen Platz und wurde sowohl von Glanzstoff-Mitarbeitern als auch von Anwohnern genutzt. Das Gebäude kann heute besichtigt werden.
1967 endete die Geschichte der Glanzstoff-Werke in Köln. Das Unternehmen wurde liquidiert. Heute befinden sich auf dem weitläufigen Areal unter anderem eine Flüchtlingsunterkunft, der Club Die Kantine, eine Gastankstelle, ein DHL-Logistikzentrum, ein Betonhersteller sowie eine Produktionsstätte des Glanzstoff-Nachfolgeunternehmens Akzo Nobel. - Tim Attenberger
Die Telegrafenstation Flittard sendete von Berlin nach Köln
Die Station in Flittard, die von 1964 bis 1971 mit Unterstützung der Industrie- und Handelskammer von der Stadt wiederhergerichtet wurde und bis 2005 eine Außenstelle des Kölnischen Stadtmuseums war, steht für einen der fünf Grundtypen von Stationsgebäuden, die errichtet wurden, wenn es keine Möglichkeit gab, eine Station am notwendigen Ort in ein bestehendes Gebäude zu integrieren. Es ist ein heute drei-, ursprünglich vierstöckiges Wohnhaus mit Signalturm und angebautem Wirtschaftsgebäude.
Eine Botschaft aus 210 Wörtern, 1840 von Berlin nach Köln gesandt, brauchte 13 Stunden. Das Wetter, Nebel zumal, konnte die Telekommunikation erheblich erschweren, wenn nicht ganz unterbinden. Doch vor Erfindung der elektromagnetischen Telegrafie gab es keine Alternative. Zur Not wurden Bürger enteignet, wenn anders keine Station geschaffen werden konnte. Das Grundstück in Flittard trat Graf Egon von Fürstenberg-Stammheim kostenlos dem preußischen Staat ab. Der ließ ein vierstöckiges Gebäude bauen. Nach der Einstellung des Telegrafiebetriebs wurden zwei Etagen abgetragen. Der Bau verkam mehr und mehr, obwohl er weiter bewohnt war. Bei der Rekonstruktion wurde nur ein Stockwerk wieder aufgesetzt. Zu Anschauungszwecken entstand erneut ein Observationsraum, allerdings mit Attrappen an Stelle von echten Fernrohren. Heute ist die Station Nr. 50 der alten Telegrafie-Strecke nur am Tag des offenen Denkmals der Öffentlichkeit zugänglich.
Die verschwundene kleine Rheinpark-Seilbahn
In zehn Metern Höhe ging es mit gemütlichen neun Kilometern pro Stunde über bunte Blumenbeete und Teichbecken, über Wiesen und kleine Eisstände. „Es war ein gemütliches Gleiten, ganz anders als eine Fahrt mit der großen Seilbahn“, erinnert sich Beate Reinken an die Sesselbahn, die einst durch den Rheinpark in Deutz schwebte.
Sie war eine der Attraktionen der Bundesgartenschau (Buga) 1957. Anders als die große Schwester Rheinseilbahn und die Kleinbahn, die auch heute noch auf Schienen über die Wiesen ihre Runden dreht, ist die Sesselbahn vor Jahren allerdings komplett verschwunden. Fast komplett.
„Es ist leider wirklich nicht viel übrig.“ Beate Reinken präsentiert in ihrem Büro in der Seilbahnstation in Riehl einen Stapel Unterlagen. Seit 22 Jahren arbeitet sie bei der Verwaltung der Kölner Seilbahn und verwahrt noch kleine Erinnerungsstücke an die Sesselbahn: Auf alten Werbezetteln mit Parkplänen ist ihr Verlauf noch zu sehen. Postkarten zeigen die kleinen Gondeln, gelbe Metallgestelle mit bunten markisenähnlichen Baldachinen und Sitzflächen aus Holz.
Vom ehemaligen Café Rosenterrassen, einem Gebäude aus Glas und Stahlträgern am Fuße der Seilbahn, zur Kongresshalle „Halle 8“, dem heutigen Staatenhaus, verlief die alte Bahn. Doch mit den Jahren beförderte sie immer weniger Gäste. 2003 wurden ihre Pfeiler abgebrochen.
Die Sesselbahn machte Platz für eine Erweiterung der Claudius-Therme. Das einstige, denkmalgeschützte Café wurde kernsaniert und zum Teil des Bads. „Schwitzen, wo einst Rosen blühten“, titelte der „Kölner Stadt-Anzeiger“ zum Umbau. Und wo Parkbesucher einmal in die Sesselbahn stiegen, stehen heute Saunahütten und Liegestühle.
Von den beiden Sesselbahn-Stationen im Rheinpark ist nichts übrig geblieben und die alte Trasse der Bahn durch den Park heute nicht mehr zu erkennen. Die Bäume sind größer und dichter geworden, die einstigen Schneisen für die hellblauen Stützen und das Seil längst nicht mehr sichtbar.
Vor der Therme, an der Kreuzung Auenweg/Sachsenbergstraße steht aber für alle Kölner sichtbar noch ein Überbleibsel der vergessenen Bahn: Ein blau-gelber Wegweiser in Form einer alten Sesselbahn-Gondel zeigt den Eingang zur heutigen Seilbahn-Station.
Wind und Wetter haben an dem einmal sonnengelben kleinen Baldachin deutliche Spuren hinterlassen: Er sitzt nicht mehr ganz perfekt. Und wer die Sesselbahn nicht kannte, der wird auch den kläglichen Rest als solchen nicht erkennen. - Anna Lampert
Der Blick aus dem fahrenden Zug, der über die Hohenzollernbrücke langsam auf den Dom zurollt, weckt bei Besuchern und Einheimischen immer wieder Begeisterung. Kaum einer weiß aber, dass man diesen Blick vor etwas mehr als 70 Jahren auch aus dem Auto und sogar aus der Straßenbahn genießen konnte. Denn da, wo heute die Liebesschlösser hängen, gab es bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs eine zweispurige Fahrbahn mit Straßenbahngleisen in der Mitte. Letzte Erinnerung an diese Straße ist die kopfsteingepflasterte Rampe auf der Deutzer Seite nördlich des Hyatt-Hotels.
Heute gilt die Hohenzollernbrücke als ein Nadelöhr im Eisenbahnverkehr, doch war sie bei ihrer Entstehung in den Jahren 1907 bis 1911 ausdrücklich auch für den Auto- und Straßenbahnverkehr gedacht. Während unter den beiden nördlichen Bogenreihen eine schon damals ständig wachsende Zahl von Zügen fuhr, war die südliche Bogenreihe dem Straßenverkehr vorbehalten.
Die linksrheinische Auffahrt der Brücke lag da, wo sich heute das Gebäude mit den Restaurierungswerkstätten des Museums Ludwig (östlich der Straße Am Domhof) befindet. Hier gab es einen weiten, gepflasterten Platz mit der Endhaltestelle der Linie 4 der „Kölner Straßenbahn“, die in die damalige Nachbarstadt Mülheim fuhr. Links und rechts der beiden Gleise auf der 10,40 Meter breiten Fahrbahn war noch genügend Platz für Autos und zwei Bürgersteige.
Die Hohenzollernbrücke galt mit ihren drei nebeneinander liegenden Fachwerkbögen als Beispiel moderner Ingenieurkunst, wie sie für viele Jahrzehnte den Brückenbau am Rhein beherrschen sollte. Zur Einweihung am 22. Mai 1911 kam Kaiser Wilhelm II. nach Köln, um die nach seinem Herrschergeschlecht benannte Brücke und die neuen Reiterstandbilder von sich selbst und seinem Vater Friedrich III. zu bewundern.
Als das Franziskus-Hospital vom Umzug in den Blücherpark träumte
Seit 1868 gehört das St.-Franziskus-Hospital zu Ehrenfeld – zunächst als St.-Dreikönigen-Hospital an der Stammstraße und seit 1888 als St.-Franziskus-Hospital an der heutigen Stelle.
Vor rund 100 Jahren allerdings träumten die Armen Schwestern vom heiligen Franziskus davon, zum Blücherpark umzuziehen – der lag damals noch am Rande Ehrenfelds.
Das für den Neubau vorgesehene Grundstück zwischen der nördlichen Grenze des Parks und dem Fröscherweg war sogar schon gekauft. Architekt Thomas Klee legte einen Entwurf vor, der Gebäude im gründerzeitlichen Stil zeigt. Moderne OP-Säle, Labore, eine eigene Apotheke und Unterrichtsräume für die Pflegerausbildung waren geplant. Auch eine repräsentative neogotische Kapelle fehlte nicht.
Noch 1916 erstellte die städtische Bauverwaltung einen Plan, auf dem der Blücherpark mit einer nördlichen Erweiterung bis zur Äußeren Kanalstraße und dem neuen Klinikgebäude skizziert ist. Demnach hätte auch der Blücherpark bis zur Äußeren Kanalstraße erweitert werden können. Damals wie heute endete der Park nördlich der großen Spielwiese an einem Aussichtspodest.
Die Parkerweiterung wurde viele Jahrzehnte später – auch bedingt durch den Bau der Autobahn – auf andere Weise umgesetzt. Die Klinik wurde nie verwirklicht. Vermutlich fehlte es nach dem Ersten Weltkrieg an Geld, um das Vorhaben eines 600 Betten umfassenden Klinikums noch stemmen zu können. Das Grundstück wurde wieder verkauft. Den Erlös investierten die Franziskanerinnen in ein neues Haus mit lediglich 100 Betten an der Subbelrather Straße – und blieben somit Ehrenfeld treu.
Kölns vergessenes Strandbad
1911 wurde am südlichen Strand von Langel ein mondänes Familienbad eröffnet. Männer und Frauen konnten hier sogar gemeinsam ins Rheinwasser gleiten, was im katholischen Köln damals noch als überaus frivol angesehen wurde.
150.000 Goldmark hatte ein Konsortium rheinischer Geschäftsleute damals aufgebracht, um das fast 200 Meter lange Gebäude des Strandbads errichten zu lassen. Es sollte eines der damals größten binnenländischen Strandbäder Europas werden.
Mehr als 6000 Besucher waren gekommen, als die Badeanstalt eröffnet wurde. Doch die glorreiche Zeit des Strandbads Langel, an dem sich vor allem Kölner Bürger erfreuten, dauerte aber nicht lange an. Schon drei Jahre nach seiner Eröffnung wurde das Strandbad 1914 unter bis heute nicht geklärten Umständen durch einen Brand zerstört.
1914 war natürlich ein schlechter Zeitpunkt, um das Strandbad gleich wieder aufzubauen. Das Deutsche Kaiserreich glitt in den Ersten Weltkrieg und hatte wahrlich andere Sorgen. So dauerte es bis 1931, bevor ein Kölner Geschäftsmann dem Bauunternehmer Heinrich Klein aus Langel den Auftrag erteilte, das Strandbad wieder aufzubauen.
Zehn Jahre später machte dann der Rhein selbst das Badevergnügen zunichte: Er hatte nämlich am Langeler Bogen eine große Sandbank angespült.
Was übrig geblieben ist? Im naturbelassenen Gestrüpp am Langeler Rheinufer, vis-à-vis von Godorf, versteckt sich heute nur noch ein moosbewachsenes Stück Mauer, das einmal zum Fundement des Strandbads gehört haben könnte.
Zu sehen ist von der „Citroën Automobil AG Köln-Poll“ aber nichts mehr. Längst dehnt sich das Vertriebszentrum des deutschenVW-Konzerns aus, wo früher unter anderem der Citroën Traction Avant vom Band lief. Genau 1823 der berühmten „Gangster-Limousinen“ kamen aus Köln – nur drei davon soll es noch geben.
Insgesamt 18.710 Fahrzeuge liefen am Poller Holzweg vom Band. Es waren Autos vom Typ B 14, C 4, C 6, der Rosalie-Reihe und schließlich der Gangsterwagen, in Deutschland auch kurz Poller genannt.Hinzu kamen verschiedene Nutzfahrzeug-Typen. Zeitweilig arbeiteten bis zu 500 Menschen für Citroën. Durchschnittlich 32 Fahrzeuge montierten sie pro Tag.
Als 1934 das deutsch-französische Handelsabkommen aufgelöst wurde und Waren aus Frankreich gar nicht mehr importiert werden durften, ging es allmählich abwärts mit dem Poller Citroën-Werk. Als finanzielle Probleme des Pariser Stammwerks hinzu kamen, war es Ende 1935 vorbei mit Citroën-Fahrzeugen made in Köln. Ein paar Jahre nutzte Citroën die Poller Hallen noch als Reparaturwerkstatt. 1940 war die französische Ära aber endgültig passé.
Was vom alten Kino im Kölner Uni-Center übrig blieb
Das Filmtheater galt als eines der ersten Programmkinos in Köln. Theaterleiter Gert Berghoff und der Galerist Rudolf Zwirner als Geschäftsführer setzten nach der Eröffnung 1974 auf ein studentisches Publikum, was angesichts der nahe liegenden Universität nur folgerichtig schien.
In den beiden Sälen mit 150 und 100 Sesseln liefen regelmäßig Produktionen des Filmverlags der Autoren, ebenso französische und italienische Autorenfilme sowie amerikanische Independent-Werke. „Harold und Maude“ brachte es auf sechs Monate Spieldauer.
Die Rocky Horror Picture Show stand von 1979 stand bis zur Schließung des Kinos auf dem Spielplan - und wurde so bundesweit bekannt.
Mit der Eröffnung der Kinos Broadway und Off Broadway wuchs Anfang der 1980er Jahre dann starke Konkurrenz heran. Die M.P.P. Kino GmbH musste die Spielstätte schließlich nach nur zwölf Jahren aufgeben.
In den Räumen hat sich eine Spielhalle ausgebreitet. Die abgeschrägte Saaldecke und der Vorführraum hinter einer Stahltür, mehr ist nicht geblieben.
Um 1900 hatte unter der Adresse Riehler Straße 161-163 die Gaststätte Hohenzollerngarten eröffnet. Zur ihr gehörte ein Tanzsaal, ein Gartenpavillon, eine Frühstücksstube und ein großes Gartengelände. Hier errichtete der Besitzer 1908 eine große Rodelbahn mit dem Namen „Alpensport“. Sie war die Keimzelle eines der größten Publikumsmagneten seiner Zeit.
Auf mehr als 40.000 Quadratmetern, die sich auch über die Fläche des heutigen Wein-Depots und Lentparks erstreckten, wurde am 15. Mai 1909 der „Amerikanische Vergnügungspark“ auf dem Gelände zwischen Riehler Straße, Neusser Glacis und Florastraße (heute: An der Flora) eröffnet – mit Wasserrutsche und riesiger Gebirgsbahn samt künstlicher Felsenlandschaft. Ein frühes Phantasialand.
Warum der Luna-Park ein Ende fand? Adenauer ist schuld. Hätte er sich nicht die Sache mit dem Grüngürtel in den Kopf gesetzt, hätte Köln vielleicht noch eine seiner größten und beliebtesten Freizeitanlagen. (kaz)
1000 Jahre Kölner Wirtschaftsgeschichte an der Strunde
Die Strunde war einst Antrieb für die Wirtschaftskraft der Region, Wasser für unzählige Betriebe, die am Ufer gegründet wurden.
„Fleißigster Bach des Landes“ wurde sie zeitweise genannt, weil er einst rund 40 Mühlräder antrieb. Wie viele Mühlen es ganz genau waren, die am rauschenden Bach klapperten, scheint keiner mehr zu wissen.
Die kurioseste Spur: Ein paar Meter hinter der Lärmschutzwand der A3 in Buchheim, erreichbar über einen Abzweig des Schlagbaumsweg, befindet sich das „Kreuzwasser“, das vielleicht seltsamste Bauwerk der Stadt.
Schon vor rund 1000 Jahren entschloss man sich zu diesem ungewöhnlichen Projekt. Die Strunde wurde künstlich in Hochlage versetzt, damit der Faulbach ungestört darunter hindurchfließen kann.
Ursprünglich versickerte die Strunde bei Thielenbruch in den Uferauen eines Rheinarms. Ihre Verlängerung durch „die hohle Heide“ Richtung Mülheim ermöglichte den Antrieb weiterer Mühlen. Außerdem speiste der Bach Wassergräben, wie die der erhaltenen imposanten Gutshöfe Isenburg und Herler Burg. Die Herler Burg ist die älteste Wasserburg im rechtsrheinischen Köln und wurde bereits im Mittelalter als fränkischer Königssitz errichtet.
Was man heute bestaunen kann, geht genau wie bei der Isenburg auf spätere Zeiten zurück. Die Herler Burg ist bis heute ein landwirtschaftlicher Betrieb. Die Isenburg, ein bergisches Rittergut aus dem 14. Jahrhundert, wurde für schicke Eigentumswohnungen umgebaut. Gleiches geschah mit der Wichheimer Mühle, die als Getreide- und Futtermühle noch bis in die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg ihren Dienst tat.
Die meisten Mühlen sind abgerissen worden, nachdem sie nicht mehr gebraucht wurden. Aus einigen wurden Wohnhäuser, so die mächtige mittelalterliche Maltesermühle unweit der Quelle in Herrenstrunden oder die wunderschöne Herler Mühle. - Helmut Frangenberg
Wo in Köln die Schwebebahn ihren Ursprung hat
Leer und ein bisschen unheimlich sind die fünf verlassenen und normalerweise verriegelten Produktionsstätten zwischen Deutz-Mülheimer Straße, Zoobrücke und Auenweg. Für Historiker ist es ein hochspannendes Terrain: Wo sich heute der Charme des Verfalls zwischen Backsteinmauern ausbreitet, wurde einst Industriegeschichte geschrieben.
Denn in den fünf Fabrikhallen liegen die Ursprünge der Schwebebahn, die zwischen 1888 und 1905 von der Eisenbahn-Waggonfabrik van der Zypen & Charlier errichtet wurden.
Jahrzehnte lang hatte sich niemand um diesen Ort gekümmert, die Waggon-Produktion wurde 1967 eingestellt. Es war der Kölner Ingenieur und Fabrikant Eugen Langen, der sich 1893 eine „Hochbahn mit freischwebend hängenden Personenwagen“ patentieren ließ.
Auf dem Gelände von van der Zypen & Charlier, das in unmittelbarer Nachbarschaft zur Gasmotoren-Fabrik Deutz lag, wurde 1893 eine Teststrecke gebaut, von der es auch heute noch Überreste gibt. In einer der fünf Hallen sind zwei etwa zehn Meter lange Eisenschienen unter dem Dach zu sehen. Sie führen auf eine mittlerweile zugemauerte Öffnung, durch die vor mehr als 100 Jahren die Prototypen ein- und ausfuhren.
In Mülheim sollte die neuartige Hängebahn, deren Räder erst an zwei, später nur noch an einer Schiene hingen und von Elektromotoren angetrieben wurden, getestet und potenziellen Kunden vorgestellt werden.
Seit 2003 sind die Hallen unter Denkmalschutz gestellt. - Tobias Christ