„Kann nichts für Sie tun“Corona-Bescheinigung sorgt für Probleme bei Kölner Migrantin
Köln – Der Arbeitsmarkt ist angespannt, Behördengänge kaum möglich, die Zuversicht sinkt – diese Situation ist nach einem Jahr Pandemie den meisten Kölnerinnen und Kölnern vertraut. Doch wie geht es Ausländerinnen und Ausländern in der Stadt in der Krise? Ein geschlossenes Ausländeramt und temporäre „Corona-Bescheinigungen“ sorgten bei der in Köln lebenden Yancey Lu für Verunsicherung über ihren Aufenthaltsstatus. Die gebürtige Chinesin kontaktierte in ihrer Ratlosigkeit den „Kölner Stadt-Anzeiger“ und erzählte von der schwierigen Kommunikation mit dem Ausländeramt in der Corona-Krise.
Aufenthaltsbestätigung nur bis Ende März
„Sehr geehrte Frau Lu, Ihre Aufenthaltserlaubnis läuft in den nächsten Wochen aus. Wegen der Ausbreitung von Covid-19 ist das Ausländeramt der Stadt Köln darauf bedacht, Kontakte so gut wie möglich zu reduzieren, denn Ihre Gesundheit, wie auch die der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ist uns wichtig. Diese Bescheinigung gilt daher als Verlängerung, bis eine Vorsprache im Ausländeramt möglich ist, maximal bis zum 31.03.2021.“
Die Corona-Bescheinigung des Kölner Ausländeramtes erreichte Yancey Lu Anfang Januar (das Schreiben liegt dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vor). Im Dezember 2020 stellte die Ausländerbehörde ihre Arbeit größtenteils auf schriftliche Verfahren um, um persönliche Kontakte vor Ort zu vermeiden. Was dem Gesundheitsschutz diente, führte bei Yancey Lu jedoch zu anderen Problemen: Die Corona-Bescheinigung machte der seit 2016 in Köln lebenden 32-Jährigen große Probleme bei der Jobsuche und der Klärung ihrer finanziellen Angelegenheiten.
Lu stammt aus der chinesischen Stadt Qingdao (auch als Tsingtao bekannt). Qingdao gehörte von 1898 bis 1919 als Kolonie zum Deutschen Reich. Bekannt ist die Metropole für ihr Bier Tsingtao, das seinen Ursprung in der Kolonialzeit hat und besonders in den USA sehr beliebt ist. „Ich war überrascht, dass meine Heimat den meisten Deutschen allerdings kein Begriff ist“, sagt Lu. „Ich habe mich schon immer für Deutschland interessiert und die Sprache früh gelernt. Es war immer mein Traum, nach Deutschland zu kommen“, so Lu. Sie spricht zwar Deutsch, führt das Gespräch aber auf Englisch – nach ihrem ersten Studium in den USA fühlt sie sich im Englischen sicherer. 2016 kam sie für einen Bachelor in Design an die Technische Hochschule in Köln. Die Schwierigkeiten der deutschen Bürokratie bekam sie schon damals zu spüren: „Ich wurde schon 2015 für das Studium angenommen. Ich konnte aber erst ein Jahr später einreisen, weil ich nicht so schnell alle nötigen Dokumente zusammen hatte“, erklärt Lu.
Schwierige finanzielle Situation durch Sperrkonto
Im vergangenen Sommer beendete sie ihr Studium in Köln – und die Schwierigkeiten rund um ihren Aufenthaltsstatus während der Pandemie nahmen ihren Lauf. „Während meines Bachelors wurde mein Visum alle sechs Monate verlängert. Nach dem Abschluss habe ich eineinhalb Jahre Zeit, hier einen Job zu finden, der mit meinem Studium zu tun hat. Ich dachte, das würde einfach werden – aber dem war leider nicht so“, sagt Lu. Sie schrieb um die 300 Bewerbungen, aufgrund der Kurzarbeit hatten viele Firmen allerdings einen Einstellungsstopp. Zudem musste sie von sich aus regelmäßig größere Summen für ein sogenanntes Sperrkonto aufbringen, das die finanzielle Sicherheit von Migrantinnen und Migranten in Deutschland garantieren soll. Aus den Einzahlungen wird monatlich eine bestimmte Summe wieder für den Lebensunterhalt freigegeben. „Statt Sicherheit hat das Sperrkonto bei mir aber das Gegenteil bewirkt: Es ist ein Druck, alle paar Monate eine große Summe auf das Konto einzahlen zu müssen, was auch noch mit hohen Gebühren verbunden ist“, so Lu. Für ihre letzte Einzahlung setzte sie sogar eine Fundraising-Kampagne auf, um das Geld zusammenzubekommen. Mit dem Ende ihres letzten halbjährigen Visums konnte Lu jedoch nicht weiter auf das Sperrkonto zugreifen – es aber auch nicht schließen. Das Ausländeramt stellte ihr bis letzte Woche auch auf mehrere Nachfragen hin kein erforderliches Sperrfreigabedokument aus. „Ich kann nichts weiter für Sie tun“, hieß es in den einsilbigen E-Mails der Sachbearbeiterin.
Ein weiteres, normales Bankkonto zu eröffnen und sich erfolgsversprechender auf Jobs zu bewerben, wurde Yancey Lu durch die Corona-Bescheinigungen erschwert. Die Stadt gibt zwar an, dass jeder Ausländer und jede Ausländerin in Köln mit einem Dokument versorgt sein sollte, „mit dem der aktuelle Aufenthaltsstatus auch gegenüber Arbeitgebern und Behörden ausreichend nachgewiesen werden kann“. Die Corona-Bescheinigung wurde in Lus Fall jedoch von diversen Banken nicht akzeptiert. „Welche Bank, die keine hohen Gebühren nimmt, lässt einen auch ein Konto eröffnen, wenn man nur eine Aufenthaltsbestätigung bis Ende März hat?“, sagt Lu. Laut der Stadt sind aktuell noch rund 250 Corona-Bescheinigungen im Umlauf – „die aber alle im März 21 – noch vor Fristablauf – gegen andere offizielle, amtliche Papiere ausgetauscht werden“.
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Blue-Card-Verfahren muss neu aufgenommen werden
Wie kurzfristig dieser Austausch angesetzt werden kann, zeigt sich bei Lu. Im Februar bekam sie die Zusage für eine unbefristete Arbeitsstelle in Nürnberg. Dank dieser konnte sie sich auf eine Blue Card bewerben, die nicht-europäischen Ausländern eine längerfristige Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis in Deutschland ermöglicht. Das Ausländeramt bestätigte ihr diese Blue Card – nur dafür vorsprechen oder sie abholen, das konnte Yancey Lu nicht. Erst vergangene Woche bekam sie einen Termin zugeteilt: am 30. März. „Mein Job startet am 1. April“, sagt Lu. „Das habe ich dem Ausländeramt seit Februar mitgeteilt. Der Termin ist für mich zu spät!“ Nun musste Lu die Blue Card in Köln absagen und das Verfahren in Nürnberg erneut aufnehmen lassen. Mittlerweile wurde ihr für den Übergang eine „Fiktionsbescheinigung“ ausgestellt, die als offizielles Aufenthaltsdokument weitere sechs Monate gilt. „Ich hoffe, dass sich meine Probleme damit erstmal erledigt haben“, so Lu. „Die Situation in den letzten Monaten war sehr schwierig für mich.“