In Karnevalsvereinen und im Rosenmontagszug waren lange Zeit fast nur Männer dabei – das hatte verschiedene historische Gründe.
„Der Zug wird zu lang, wenn Frauen mitgehen“Wie sich der Kölner Karneval emanzipiert hat
Die Neuordnung des organisierten Kölner Karnevals 1823 war eine Angelegenheit der Männer. Als sie den Karneval erstmals offiziell in geordnete Bahnen lenkten, gerieten die Frauen aufs Abstellgleis. Frauen spielten weder bei der Gründung des „Festordnenden Comités“ noch in den Maskenzügen eine Rolle. Alle Positionen (Comité) und Rollen (Zug und Veranstaltungen) waren mit Männern besetzt. Das schloss die Rollen der Venetia und der Jungfrau im Zug beziehungsweise später im Dreigestirn ebenso mit ein wie die „Tanzmariechen“ bei den Tanzpaaren.
Offiziell keine Duldung von Frauen im Umfeld des Kölner Karnevals
Die 1933 an die Macht gekommenen Nationalsozialisten duldeten keine Männer in Frauenrollen. „Herren als Damen“ war den Nazis viel zu nah an der Homosexualität. Die Frauen vom offiziellen Karneval auszuschließen mag 1823 dem damaligen Zeitgeist entsprochen haben.
Demnach sollten die Damen sittsam, ruhig und folgsam sein und daheim das Haus und die Kinder hüten. Historisch belegen lässt sich diese Position im Abseits nicht. Bereits im 16. Jahrhundert feierten Frauen und Männer gemeinsam Karneval. So findet sich in den Tagebuchaufzeichnungen des Kölner Ratsherrn Hermann Weinsberg (1517 bis 1597) der Hinweis, dass er am 18. Februar 1565 „Fastabent“ mit der ganzen Familie – mit Mutter, Bruder, Schwestern sowie weiteren Verwandten und deren Ehefrauen ausgelassen gefeiert hat. Sie „…dantzten (…) und waren frohlich (…).“
Eine Ausnahme von der Regel bildeten die „Hellige Knäächte und Mägde“. Die Tanzgruppe der ersten Stunde im Maskenzug 1823 bestand von Beginn an aus Frauen und Männern, die Mägde waren jahrzehntelang die einzigen weiblichen Zugteilnehmerinnen.
Bonner Waschfrauen legten Grundstein für Frauen im Karneval
Nur wenige Kilometer von Köln entfernt zeigte sich vor fast 200 Jahren ein völlig anderes Bild. Es kam einer Revolte gleich, als im Bonner Stadtteil Beuel die Waschfrauen während der tollen Tage für einen Tag die Arbeit niederlegten und stattdessen ausgelassen Karneval feierten.
Damit steht fest: Die Wiege der Weiberfastnacht stand in Bonn. 1824 entstand das erste Beueler Damenkomitee. Seit 1958 wählen die Beueler Wiever jedes Jahr eine Repräsentantin aus den eigenen Reihen, die Wäscherprinzessin. An diese närrische Begebenheit erinnert auch das aktuelle Divertissementchen „Fastelovend zesamme!“. Autor und Regisseur Lajos Wenzel enthüllt zudem die wahre Geschichte hinter dem karnevalistischen Kölner Urknall 1823.
Die tatsächlichen Heldinnen jener Zeit hießen Stina, Änni, Margarete und Liss. In Wirklichkeit sollen sie es gewesen sein, die sich für die Wiederbelebung des Karnevals ins Zeug gelegt haben. In den Geschichtsbüchern finden sich ihre Namen nicht, zumindest im Zillchen wird ihre Großtat gewürdigt. Tatsächlich sind die ersten Damenkomitees für Köln schon in den 1830er Jahren belegt. In den 1880er Jahren entstanden Karnevalsgesellschaften, in denen auch Frauen Mitglieder werden konnten.
Erste Familiengesellschaften im Kölner Karneval
Die Kölner Narrenzunft von 1880 sowie die KG Carnevalistischer Reichstag waren die ersten Kölner Familiengesellschaften. Beide Vereine, die Narrenzunft und der Reichstag, wurden daher von einigen Karnevalisten nicht als vollwertig anerkannt. So schrieb der Präsident der Kölner KG, August Wilcke, im Jahr 1888 an Oberbürgermeister Friedrich Wilhelm von Becker, die Vereine Narrenzunft und Reichstag seien keine „eigentliche(n) Karnevalsgesellschaften, da sie alle Sitzungen mit Damen halten und dadurch ihre Existenz sichern“.
Mitunter wurde argumentiert, die Sitzungen seien nur für Männer geeignet, weil die dargebotenen Witze und Liedertexte für die Frauen zu derb seien. Doch so zart besaitet schienen die Damen gar nicht gewesen zu sein. Die „Kölnische Zeitung“ berichtet 1913 von der KG Lustige Weechter, deren Kleiner Rat ausschließlich aus Frauen bestehe. Die Mitglieder seien Handwerker und Arbeiter, darunter mehr Männer als Frauen, die sich im Hinterzimmer eines „Schnapsladens“ träfen. Der formale Ablauf der Sitzung entspreche derjenigen der großen bürgerlichen Karnevalsgesellschaften, nur der Inhalt der Vorträge sei weitaus deftiger und volkstümlicher. Die Reden und Lieder sollen voll von zotigen Anspielungen gewesen sein.
Frauen wurde der Zugang am Kölner Rosenmontagszug verwehrt
In den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts wurden die Feiergrenzen in Köln neu gezogen. Das gehobene Bürgertum blieb bei Bällen und Redouten vorzugsweise unter sich, Frauen und Männer feierten weiterhin gemeinsam. Die Stadtelite organisierte private Maskenbälle, um ihre soziale Stellung und ihren Wohlstand zur Schau zu stellen.
Zu festlichen Anlässen wie Maskenbällen oder Damenkomitees war Frauen im Gegensatz zu den meisten anderen Karnevalsveranstaltungen der Zutritt erlaubt, selbst wenn diese ohne männliche Begleitung erschienen. Die Angehörigen der mittleren und niederen Bürgerschichten feierten eher auf der Straße, in Kneipen oder zu Hause.
Interessanterweise tauchte die „Emanzipationsfrage“ im eher unorganisierten Straßenkarneval oder Volkskarneval nie auf. Geradezu abenteuerlich waren die Argumentationen, mit denen Frauen der Zugang zum Rosenmontagszug verwehrt wurde. Eine Auswahl: „Der Zug wird zu lang, wenn Frauen mitgehen“; „Wir haben in der Kleiderkammer des Festkomitees nur Kostüme in Männergrößen“; „Ein betrunkener Mann ist nicht so unangenehm wie eine betrunkene Frau. So etwas sollen die Leute am Zugweg nicht zu Gesicht bekommen und im Fernsehen schon gar nicht.“
Prominente Frauen im Kölner Karneval waren erlaubt
Nur hinter vorgehaltener Hand gaben etliche Zugteilnehmer zu, dass sie sich von den Frauen nicht die Schau stehlen lassen wollten. Mit Ausnahme der Tanzmariechen, Musikerinnen in den Kapellen und den Frauen der Tanzgruppen waren Zugteilnehmerinnen in den Fußgruppen und auf den Gesellschafts- und Festwagen bis in die späten 1970er Jahre nicht gern gesehen. Jedenfalls nicht, wenn es sich um Lieschen Müller oder Helene Schmitz handelte.
Anders sah es aus, wenn man sich mit prominenten Damen schmücken konnte. 1950 warf die Filmschauspielerin Magda Schneider als Gast auf dem 4711-Wagen Kusshändchen und Mini-Parfümflakons. Im gleichen Zug war die Büttenrednerin Grete Fluss als Agrippina, die „Mutter der Stadt Colonia Claudia Agrippina“, zu sehen. Die Einhaltung der „zölibatären“ Regeln wurde streng überwacht. Thomas Liessem, Zugleiter von 1949 bis 1953, hatte „Spione“ am Zugweg postiert, die genau hinsahen und für jede Gesellschaft einen Punktekatalog ausfüllten. Den höchsten Punktabzug gab es für „Frauen im Zug“.
1964 sah sich das Festkomitee Kölner Karneval bemüßigt, darauf hinzuweisen „dass grundsätzlich keine Frauen auf den Festwagen mitfahren dürfen, es sei denn, es handelt sich um das Tanzpaar der Korpsgesellschaft, eine geschlossene Frauengruppe oder eine zum Thema genehmigte Ausnahme“. Zugleiter Peter Schumacher (1958 bis 1976) erlaubte hin und wieder, dass Frauen in Männerkostümen – häufig in einer Uniform der Prinzen-Garde – inoffiziell mitzogen.
1978: Kölnerinnen offiziell im Rosenmontagszug
Erst Ralf Bernd Assenmacher, Zugleiter von 1977 bis 1982, sorgte dafür, dass Frauen offiziell im Zug dabei sein konnten. Im Rosenmontagszug 1978 „Flohmarkt Colonia“ waren es 400 Frauen, 1982 wurden 1700 weibliche Zugteilnehmerinnen gezählt. Es gab zwar zunächst einen Aufschrei, aber der damals 33 Jahre alte Zugleiter setzte sich durch. Schritt für Schritt wurde die etwa 30 000 Kostüme umfassende Kleiderkammer um Kostüme in Frauengrößen aufgestockt. Dann kamen Jahr für Jahr mehr Zugteilnehmerinnen dazu, bis sich niemand mehr darüber aufregte.
Ganz anders stellte sich die Situation bei den Schull- und Veedelszöch dar. Dort waren von Beginn an Frauen mit dabei. Ab 1933 zogen die Veedelszöch durch Köln, im Jahr 1952 kamen auch die Schullzöch dazu.
Historisch-karnevalistisches Buch über Köln
Das empfehlenswerte Buch „Kölner Karneval seit 1823“ von Monika Salchert ist im Greven-Verlag erschienen, hat 286 Seiten und kostet 36 Euro. Der Verlag bewirbt es als „Kompendium“, Rote Funken-Präsident Heinz-Günther Hunold nennt es ein „Debattenbuch“. Herausgegeben haben es die Kölsche Funke rut-wieß vun 1823 und das Festkomitee. Mit Fotografien von Boris Becker, Chargesheimer, Nina Gschlößl, Heinz Held, Oswald Kettenberger, David Klammer, Claudia Kroth, Robert Lebeck, August Sander und Wolfgang Zurborn.