Impressionen vom Zochweg ohne ZochSo lief der Rosenmontag in Köln
Köln – Auch wenn der Rosenmontagszug ausfällt, lassen sich die kölschen Jecken ihre Straße nur ungern nehmen. Trotz Regen und kaltem Wind lodert hier und dort der Fastelovendsfunken auf. Unsere Reporter haben sich umgesehen.
Am Dom - Greenpeace Wagen aus Düsseldorf
Feindliche Übernahme der Düsseldorfer Wagenbauer in Köln? Am Tag, an dem der Rosenmontagszug coronabedingt nicht durch die Stadt ziehen kann, wird früh um neun Uhr ein Wagen des Düsseldorfer Wagenbauers Jacques Tilly auf dem Roncalliplatz enthüllt. Allerdings verbirgt sich hinter der scheinbar karnevalistischen Aktion politischer Protest: Mit einem vier mal sechs Meter großen Karnevalswagen protestieren zehn Greenpeace Aktivistinnen und Aktivisten vor dem Kölner Dom gegen die Braunkohlepläne von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet. Die Demonstranten fordern, die klimaschädliche Erweiterung des Braunkohletagebaus Garzweiler II zu stoppen und den Abriss von weiteren Dörfern und Kirchen zu beenden. Bastian Neuwirth, Klimaexperte von Greenpeace, sagt: „Laschet muss seine närrische Politik beenden, die sich gegen Klima, Kultur und die Menschen richtet.“
Am Chlodwigplatz - 111 rot-weiße Schaufensterpuppen
Gegen 9.30 Uhr herrscht auf dem Chlodwigplatz ein hektisches Gewusel in Rot und Weiß. Nein, da formieren sich nicht einige Dutzend Lappenclowns zum „Zoch vor dem Zoch“, auch wenn das aus der Ferne zunächst so wirkt. Bei näherem Hinsehen erkennt man 111 Schaufensterpuppen, die jeweils fest mit rot-weißem Flatterband umwickelt ist. Der Bonner Künstler Dennis Josef Meseg hat dort seine Installation „It is like it is“ als Mahnmal zur Corona-Krise aufgestellt. Zuvor hatte er seine Puppen – aus der Insolvenz einer Baumarkt-Kette übernommen – schon vor dem Reichstag in Berlin, an den Landungsbrücken in Hamburg und auf dem Marienplatz in München gezeigt. Und auch für den Kölner Rosenmontag hat Meseg eine offizielle Genehmigung. „Der Künstler hat nichts falsch gemacht“, bestätigen anwesende Polizisten. Ein willkommenes Fotomotiv. „Nä, nä, wat is bloß aus den Roten Funken geworden“, wundern sich zwei ahl Möhne und lachen.
An der Severinstraße - Einzelne Karnevalistinnen und Karnevalisten on Tour
Für so manche Karnevalisten wird der Zochweg zu Lauf- oder Wanderstrecke. Die Freundinnen Ingrid Külheim-Strzbin und Kiki Neumann aus Weiler im rot-weißen Clown-Outfit ziehen je einen kleinen, selbstgebastelten Festwagen hinter sich her. „Ein bisschen Zoch muss sein. Gerade heute. Für den Notfall haben wir Wurfmaterial dabei.“ Als Solisten oder auch mal im Duett tauchen Mitglieder verschiedener Traditionskorps und Karnevalsgesellschaften auf, die ansonsten in ganz großer Formation unterwegs wären.
An der Spitze zwei blaue Funken. Gut, nicht die echten, sondern Reiner Henrich und sein Bruder Thomas vom Brücker Veedelsverein Blaue Funken Feinripp. „Wir kommen aus zwei verschiedenen Haushalten und sind ganz ohne Getränke auf Tour. Wir hoffen, unterwegs mal eine Bäckerei und eine Toilette zu finden.“ Auf drei Jogger in Prinzen-Garde-Leibchen folgen ein einsamer Ehrengardist, ein Offizier der Nippeser Bürgerwehr und zwei Roten Funken in Uniform mit ihren Jagdhunden an den Leinen. „Wir gehen mit den Hunden spazieren“, erklären Korps-Adjutant Dirk Wissmann und Ludger Paas. „Es gibt ja keine Vorschriften, was man beim Gassigehen anziehen darf und was nicht.“
Live-Musik in der ganzen Stadt aus dem Bulli
Urplötzlich klingen kölsche Lieder durch Veedel – live gesungen von Sven West, dem Frontmann der Räuber. Der sitzt in oder läuft neben einem roten VW-Bulli, den Stadtführer Kai Lucius steuert. „Wir wollen in dieser schrecklichen Zeit das kölsche Liedgut zu den Menschen bringen und so etwas Karneval durch die Straßen tragen“, sagt West. Außer Räuber-Liedern singt er auch Hits von Bläck Fööss, Höhnern, Brings und Cat Ballou. West: „Ich war ja früher in mehreren Cover-Bands. Das passt schon, ich kann das.“ Knapp fünf Stunden ist der Musik-Bulli unterwegs – auch in Zollstock, Sülz und Ehrenfeld.
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Geisterzoch - mit dem Trecker
Mit zwei Tagen Verspätung macht sich Erich Hermanns auf den Weg, der ansonsten als „Ähzebär“ den Geisterzug organisiert und anführt. In einem rollenden Boot rudert er gegen die Tücken des Corona-Meeres an und fordert gleichzeitig, dass Karneval in Köln kein geregelter Arbeitstag sein dürfe. Und dann knattert aus der Gegenrichtung ein Trecker vorbei – ein Deutz D 25 (Baujahr 1960). Darauf sitzen Schreinermeister Hans Krauß aus Rodenkirchen und seine Lebenspartnerin Kai Wilms, Tierärztin aus Deutz. „Das ist schon unser Traktor. Wir fahren einfach ein bisschen durch die Gegen, um den Leuten etwas Freude zu machen.“
Die Altstädter überraschen ihr Dreigestirn
Eine Überraschung haben die Altstädter für ihr Dreigestirn organisiert: einen Minizug bestehend aus fünf Transportern, die wenigstens die Konterfeis des Trifoliums durch die Stadt fahren. Fahren ist erlaubt, stehenbleiben nicht: Als gegen Mittag Präsident Hans Kölschbach den Dreien sein Geschenk vor dem Dom präsentieren will, greifen (die in der ganzen Stadt omnipräsenten) Ordnungshüter ein. Aus Angst vor einem Auflauf müssen die Transporter weiterfahren, Prinz Sven I., Bauer Gereon und Jungfrau Gerdemie dürfen ihre Busse nicht verlassen. Corona helau!
Zülpicher Straße - Karnevalistische Stadtrallye und gähnende Leere
Die Absperrgitter an Barbarossaplatz und Zülpicher Straße sind bereits wieder gestapelt, die Uniwiesen menschenleer. Tote Hose im Kwartier Latäng. Sabine Gehrmann und ihre Begleitung Isabel lassen sich den Ausflug trotzdem nicht nehmen: „Selbst wenn es in Strömen geregnet hätte, wäre ich rausgegangen“, sagt die bunt geschminkte Gehrmann. Mit der KKG Blomekörfge wäre sie heute eigentlich im Zoch mitgelaufen. Ausufernde Karnevalsfeierlichkeiten hat auch Svenja vom „Louis Breakfast Club“ in den letzten Tagen nicht beobachtet. „Es kamen ein paar, die verkleidet waren – tatsächlich eher ältere Leute“, erzählt sie aus der Kaffeebude heraus.
Zwei jüngere Jeckinnen, die sonst hier feiern, finden sich dann doch noch. Cynthia Walbaum hat am Rosenmontag Geburtstag und ihr Freundeskreis um Luzie Heißing hat für sie eine karnevalistische Stadtrallye organisiert. In Rut und Wiess und mit einer Musikbox, aus der kölsche Musik ertönt, laufen beide durch Köln. „Wir haben verschiedene Stationen für Cynthia organisiert“, sagt Luzie Heißing. „Am Severinstörchen hat sie gegen meine Mutter ein Karnevalsquiz gespielt. Und an den Uniwiesen wartet nun die nächste Aufgabe. Natürlich alles mit Abstand und mit Maske.“ Bis ihr Geburtstag das nächste Mal auf den Rosenmontag fällt, wird es schließlich noch etwas dauern.