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Frech, charmant, lustigImmisitzung zeigt, wie gut dem Karneval Vielfalt tut

Lesezeit 3 Minuten
Immisitzung Nummer über letztes Abendmahl

Die Immistzung zeigt, was wäre, wenn Jesus' Jünger damals schon Handys gehabt hätten.

Die Immisitzung feierte am Donnerstagabend ihre Premiere im Bürgerhaus Stollwerck.

Welches Hashtag passt am besten zum letzten Abendmahl? Dieser Frage ist das Team der Immisitzung nachgegangen. Ergebnisse waren etwa „#jesuslovesme“ oder „#meinchefkannwunder“. Zugegeben, im Vordergrund stand nicht die Frage der Hashtags – die waren nur Mittel zum Zweck. Dem Zweck zu zeigen, wie Jesus' letzte Mahlzeit mit seinen Jüngern wohl ausgesehen hätte, wenn damals schon an jeder Hand ein Smartphone geklebt hätte. Da müssen sich im Saal einige „Smombies“ ertappt gefühlt haben – die Autorin schließt sich da nicht aus.

Die Immisitzung, die sich seit 2010 zu einem Highlight im Sessionskalender von Fans des alternativen Karnevals entwickelt hat, feierte am Donnerstagabend ihre Premiere im Bürgerhaus Stollwerck. Sitzungspräsidentin Myriam Chebabi, dem Publikum besser bekannt als „Immi Mimmi I.“, führt gewohnt charmant und schlagfertig durch den Abend. Schon in ihrem musikalischen Jahresrückblick macht sie ihre Position deutlich. Auf „Die AfD wird immer stärker“ – was „Pfui“-Rufe im Publikum provoziert – stimmt Chebabi an: „Denn wenn et Trömmelche jeiht, dann stonn mer all parat.“

Was bei der Immistzung hängen bleibt: Wir sind alle Menschen

Über dem mehr als zweieinhalbstündigen Programm steht wie immer das Motto „Jede Jeck is von woanders“. Nicht jede Nummer zündet direkt, manche ist für die späte Stunde und das Kölsch-Level der Gäste vielleicht zu ambitioniert, aber insgesamt ist es lustig, abwechslungsreich und frech. Ein bisschen mehr Biss würde hier und da noch guttun. Letztlich bleibt aber hängen, was hängen bleiben soll: Wir sind alle Menschen – und Vielfalt bereichert. Auch im Karneval.

Victoria Riccio und Clownin Myriam Chebabi

Victoria Riccio zeigt Clownin Myriam Chebabi, wie Selbstliebe geht.

Was passieren kann, wenn verschiedene Religionen aufeinanderprallen, zeigen die Immis am Sarg. Ja, richtig gelesen. Ein Hinduist, ein Moslem, ein Katholik und eine Spirituelle streiten über die richtige Beisetzung des unbekannten Toten. Was klingt wie der Anfang eines schlechten Witzes, entwickelt sich zu einer unterhaltsamen Nummer mit überraschender Wendung.

Urkomisch ist auch das Stück über die Verwaltung – da wird aus einem verlorenen Schlüssel plötzlich ein Rolling-Stones-Konzert in der Moschee, für das die halbe Stadt gesperrt wird. Nicht ganz so gut funktionieren dagegen die schwangeren Seepferdchen, bildlich ist das schön, inhaltlich zieht es sich.

Die Diskussion über kulturelle Aneignung zwischen zwei Männern, ausgelöst von den Dreadlocks der weißen Kellnerin, ist mit einer wichtigen Botschaft verbunden – durch seine Länge und späte Platzierung im Programm verlangt sie aber viel von einem unruhiger werdenden Publikum. Auch Kamala Harris, die nach einer Rede über Hoffnung trotz Wahlniederlage plötzlich in einen Countrysong ausbricht („Texas Hold ’em“ von Beyoncé) kann nicht ganz überzeugen – das ist lustig, aber langwierig.

Puppen Dickerchen und Franzmann

Die beiden Puppen „Franzmann“ und „Dickerchen“ lockern das Programm auf.

Dabei kann die Immisitzung sonst musikalisch auf voller Linie überzeugen. Die Band ist überragend und insbesondere Evgenia Tarutin beweist ihre Stimmgewalt. Erwähnenswert ist auch das Bühnenbild, das mit viel Liebe zum Detail gestaltet ist. Die Puppenspieler Robby Göllmann und Andreas List liefern mit ihrem „Franzmann“ und dem „Dickerchen“ erfrischende Zwiegespräche, die das Programm immer wieder auflockern und dabei doch politisch starke Statements bringen.

Emotional wird es mit Chebabi als Clownin. Im Selbstoptimierungseifer stopft sie sich Luftballons ins Dekolletee, setzte sich eine blonde Lockenpracht auf und verwandelt ihre Lippen in dicke, rote Schlauchboote. Victoria Riccios gefühlvoll vorgetragene Ballade „I am what I am“ kann die Clownin aber schließlich zur Selbstliebe bekehren. Simpel, aber es geht ans Herz.

Die Immisitzung gastiert noch bis zum 1. März an den Wochenenden im Bürgerhaus Stollwerck, am 31. Januar, 1. und 2. Februar zieht sie in die Stadthalle in Mülheim. Für einige der Sitzungen gibt es noch Karten unter www.immisitzung.de.