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Interview mit Kölner Deiters-Chef„Das Geschäft dieses Jahr war absoluter Horror“

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Deiters-Chef Herbert Geiss

Köln – Vor den Toren Kölns, in einem Gewerbegebiet in Frechen, betreibt Deiters nicht nur das „größte Karnevalskaufhaus der Welt“, hier ist auch die Zentrale, von der aus Firmenchef Herbert Geiss die 31 Filialen steuert und die neuesten Trends für Kostüme entwickelt – ein Gespräch über Verkleiden und Karneval, den 11.11. und Halloween, über das wirtschaftliche Erfolgsmodell, die Auswirkungen der Pandemie und über Erwartungen an die Corona-Politik.

Herr Geiss, lange wurde diskutiert, ob ein reduzierter Karneval am 11.11. möglich ist, da verkündeten Bund und Land den Teil-Lockdown. Wie sehr wiegen die Verluste rund um den Sessionsauftakt?

Der 11.11. ist zwar für uns der Startschuss der Session, aber deutschlandweit für unsere 31 Standorte nicht elementar wichtig, da er sehr Köln-lastig ist. Wir haben natürlich Verständnis für alle Maßnahmen und Verbote, tragen diese auch mit. Trotzdem müssten so langsam auch mal Perspektiven aufgezeigt werden. Für die Betriebe, die unter der Situation leiden wie wir, ist die derzeitige Perspektivlosigkeit und das Problem, dass uns quasi die Geschäftsgrundlage entzogen worden ist, natürlich eine Katastrophe.

Die letzte Session haben Sie ja noch vollständig mitgenommen.

Der erste Lockdown hat uns im Hauptgeschäft kaum tangiert. Allerdings machen wir außerhalb des Karnevalsgeschäfts im Rest des Jahres 35 Prozent unseres Umsatzes, deshalb waren auch die letzten Monate schon hart. Nach den ersten Lockerungen im Frühjahr hatten die Menschen auch erstmal anderes zu tun, als sich Verkleidung zu kaufen. Und noch schlimmer: Nach unseren ersten Wiedereröffnungen waren dementsprechend auch die Reaktionen in den Social-Media-Kanälen, wo wir teilweise beschimpft wurden, weil wir ja nun wirklich nicht systemrelevant seien. Dann haben wir wieder zugemacht – bis zum Ende der Sommerferien.

Weswegen kaufen die Menschen – wenn nicht gerade Corona ist – in den warmen Monaten überhaupt Kostüme?

Es gibt unzählige Mottopartys, Abigags, Junggesellenabschiede. Dann kommt die Festivalsaison mit Open Airs wie dem Parookaville in Weeze und im September „Jeck im Sunnesching“. Hinzu kommen Oktoberfeste, Schützenfeste, Weinfeste, Kindergeburtstage - es gibt viele Anlässe. Die Kölner sind im Endeffekt die Erfahrensten im Verkleiden, aber das schwappt durch unser Angebot an den anderen Standorten über die Stadtgrenze hinaus. Das Verkleidungsthema ist – auch durch unsere bundesweite Expansion bis Berlin oder Stuttgart – viel größer geworden. Wenn Menschen auf Partys zusammenkommen und verkleidet sind, ist man positiver und schneller im Gespräch als ohne.

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Der schwerwiegendste wirtschaftliche Ausfall steht Ihnen also noch bevor…

Was uns noch erwartet, ist reine Spekulation. Wir sind zwar keine Schwaben, aber vernünftige Planer. Wir gehen derzeit vom Worst-Case-Szenario aus: Der besagt, dass wir bis zum Ende unseres Wirtschaftsjahres nach Karneval 80 Prozent Umsatzverlust haben werden. Dennoch sind wir positiv, dass wir da durchkommen. Im März dachten wir noch nicht, dass wir in unserer zweiten Hochphase an Halloween immer noch so stark eingeschränkt sind. Von Halloween sind wir sehr abhängig, nach Karneval ist das unser zweitstärkstes Feld. Und gerade in diesen Tagen können wir sehen, wie sich die Krise prozentual auswirkt im Vergleich zum Vorjahr um diese Zeit. Der Verlust gegenüber dem Vorjahr tut weh, das sind derart einschneidende Ergebnisse, dass dieses Jahr und auch speziell das Halloween-Geschäft – leider genau passend zum Thema – absoluter Horror sind. Die Umsatzeinbrüche sind von Bundesland zu Bundesland, vermutlich auch aufgrund leicht unterschiedlicher Corona- und damit verbundener Gesetzeslagen, etwas unterschiedlich, wir haben aber überall ungefähr unserem Worst-Case-Szenario entsprechend 70-80 Prozent Umsatz gegenüber dem Vorjahr verloren.

Wieso haben Sie Ihren Betrieb dann nicht bis Herbst heruntergefahren?

Dann würden wir statt den angesprochenen 20-30 Prozent ja logischerweise Null Prozent Umsatz machen. Mieten müssten wir trotzdem überall bezahlen. Ja, wir könnten unsere Mitarbeiter dann zu 100 Prozent in Kurzarbeit schicken, um Geld zu sparen. Aber das will und muss ich vermeiden. Wir haben eine soziale Verantwortung unseren Mitarbeitern gegenüber. Mittlerweile sind es in der Spitze 700, allein das ganzjährige Stammpersonal beziffert sich auf gut 300, und die nach Hause zu schicken, würde nicht der Einstellung entsprechen, mit der ich das Unternehmen aufgebaut habe. Nächstes Jahr werden wir 100 Jahre alt, ob mit oder ohne Corona. Wir wollen uns unser kaufmännisches Geschick bewahren. Wenn morgen alles losgehen würde, wären wir bereit. Unsere Lager sind voll.

Während der Pandemie haben wir uns auch mit anderen Themen beschäftigt: Alle haben nach Masken geschrien. Da wir schon immer Masken-Experten waren, früher natürlich nur mit Verkleidungen, haben wir Mund-Nase-Bedeckungen in allen Variationen gemacht und einen gewissen Umsatz aufgefangen. Unser Sortiment wollen wir aber nicht umstellen.

Wie motivieren Sie sich nach sieben Monaten Krise überhaupt? Die Frage nach der Sinnhaftigkeit drängt sich ja geradezu auf…

Ein Unternehmer sollte grundsätzlich Motivation mitbringen – auch in der Krise. Es macht weniger Spaß, wenn sich kein Erfolg einstellt, aber meine Mitarbeiter und ich haben alle das Ziel, dass wir in normales Fahrwasser kommen und den Kopf nicht in den Sand stecken. Dennoch ist es psychisch herausfordernd. Ein schönes Beispiel trotz allem ist der diesjährige Mottoschal. Der wurde in einer Woche sechsmal mehr verkauft als letztes Jahr im selben Zeitraum. „Nur zesamme sin mer Fastevolend“ – das passt auch sehr gut in die Zeit rein und in die Stadt – Köln ist sehr emotional. Dass der Bedarf da ist, ist ein gutes Zeichen und motiviert mich. Zumal mit dem Mottoschal auch noch eine Menge Gutes getan wird. Denn die Erlöse werden gespendet.

Wenn im Januar zum Beispiel doch ein paar Corona-konforme Veranstaltungen stattfinden: Was wären dann die Kostümtrends?

Wir haben viele neue Partner mit an Bord: unter anderem Kinder Schoko-Bons. Das hat man immer wieder in den letzten Jahren gesehen, dass die Leute sich das selbst zusammengebastelt haben – das gibt es jetzt professionell von uns. Wir haben viel eingekauft, auch im März und April, weil wir noch nicht absehen konnten, wie lange das geht. Eine Millionen Kostüme haben wir produzieren lassen plus die ganzen Accessoires.

Aber nicht nur Schoko-Bons, oder?

Passend zum Mottoschal gibt es auch wieder ein Mottokostüm, ein Frack bestehend aus Puzzleteilen, was gut zu Köln und zu seiner Vielfalt passt. Wir haben das Thema „Team Rhythmusgymnastik“ aufgegriffen, was bei Jugendlichen beliebt ist. Eine Gruppe, die jedes Festzelt und jede Party zum Kochen bringt, mit total skurrilen Bandoutfits, die wir jetzt allen Jecken anbieten. Wir haben vielen Sachen zum Selbstbasteln, sodass die Leute ihr Standardkostüm von der Stange auch individualisieren können. Und natürlich den passenden Mund-Nasen-Schutz dazu. Den Trend an sich bestimmt aber letztlich der Kunde.

Was wünschen Sie sich von der Politik?

Es wäre an der Zeit, einen Perspektivwechsel anzugehen. Nicht mehr nur „Das geht nicht“, sondern „Wie geht dies? Wie geht das?“ – immer unter den aktuellen Bedingungen. Da ist die Bundesregierung gefragt. Die Stadt würde nicht ohne die Landesebene und diese wiederum nicht ohne die Bundesebene entscheiden wollen, wie es weitergeht: etwa nächstes Jahr Karneval, weil keiner verantwortlich sein möchte – das verstehe ich. Über Fallzahlen können wir nicht sprechen, das müssen die Virologen machen. Fakt ist aber, dass das Virus bleiben wird. Wir wissen nicht, was auf uns zukommt, aber wir können nicht zwei oder drei Jahre so weiter machen. Wir stehen dafür, dass wir unseren Job wieder machen möchten und der Gesellschaft ihren Spaß zurückgeben wollen. Unser Motto ist „Sei wer Du willst“, das gilt auch weiterhin, sei nur bitte nicht Corona.