Wir haben uns auf verschiedenen Sitzungen die Büttenreden der meistgebuchten Redner und Rednerinnen angehört. Einige Themen kamen besonders oft vor.
Gendern, KI und BlödsinnDarüber sprechen die beliebtesten Redner im Kölner Karneval in diesem Jahr
„Was darf man heute eigentlich noch sagen?“ – diese Frage zieht sich derzeit wie ein roter Faden durch die Kölner Säle. Gendern, kulturelle Aneignung, Rassismus, Sexismus, die Debatte um den Höhner-Hit „Blootwoosch, Kölsch un e lecker Mädche“, diese Themen beschäftigen diese Session fast jeden Büttenredner und jede Büttenrednerin – so selten diese auch sind. Und Künstliche Intelligenz, auch die findet in beinahe jeder Rede ihren Platz. Wir haben uns in den Kölner Sälen umgehört, auf Kostümsitzungen, Prunksitzungen, Damen- und Herrensitzungen. Darüber sprechen elf der in Köln meistgebuchten Rednerinnen und Redner in der Session 2024.
Volker Weininger spielt gekonnt den betrunkenen „Sitzungspräsidenten“
Der immerzu lallende „Sitzungspräsident“ Volker Weininger ist einer, auf den sich alle einigen können. Er spielt den Betrunkenen mit einer Hand stets an der Kölschstange bis hin zu den kleinsten Details – die halb geschlossenen Augen etwa – absolut gekonnt und lässt jeden Saal Tränen lachen. Mal ein bisschen Politik, ganz viel Erzählungen aus dem Dorfleben („‘Kein Bier vor Vier‘ bezieht sich bei uns aufs Alter“) und immer wieder Anekdoten aus dem Kölner Karneval – seine Auftritte sind inhaltlich angenehm wenig kontrovers, dadurch umso unterhaltsamer. Zusammenhanglos bringt Weininger „ein kleines Vampirgedicht, einfach weil’s passt: Blut ist gut. Licht – nicht“. Das ist einfach herrlicher Blödsinn.
Martin Schopps knöpft sich Eltern und Lehrer vor
Martin Schopps, der Lehrer, ist eigentlich dafür bekannt, dass er sich über die Aktionen seiner Schüler lustig macht – in diesem Jahr sind vor allem die Erwachsenen dran. An der Bildungsmisere, sagt er, seien nämlich die Lehrer nicht unschuldig. Das seltsame Phänomen der Elternabende knöpft sich Schopps genauso vor wie panische Helikoptereltern oder Influencer („der Beweis, dass es Menschen gibt, bei denen der Kopf nur eine Sicherungskopie vom Arsch ist“). Stark ist auch sein bekanntes und akutalisiertes Krätzjer, bei dem er sein Publikum einbindet und sich originell und frech über politische Korrektheit lustig macht.
Marc Metzger nimmt als Blötschkopp sein Publikum auf die Schippe
So spontan es auch wirken mag, Marc Metzger weiß genau, was er tut. Als Blötschkopp ist er ein Meister darin, sein Publikum mitzunehmen. Das nimmt er genauso auf die Schippe wie Grüne und Veganer. Er habe jetzt eine KI, die seine Rede so kürzt, dass sie politisch korrekt ist. „Wenn das so weitergeht, trete ich nächstes Jahr als Funkemariechen auf.“ Letztlich lässt er dann aber doch eine Reihe der Witze ab, die ihm die KI rausgekürzt hätte. Im Saal kommt das gut an.
Wenn JP Weber spricht, lauscht der Saal gespannt
Wenn JP Weber anfängt, auf seiner Flitsch zu klimpern, lauscht der Saal gespannt. Es dauert nicht lange und braucht keine Aufforderung und alle singen gemeinsam „En unserem Veedel“ oder „Ich ben ene kölsche Jung“. Aber auch mit seinen Worten trifft er gezielt. Lacher sind garantiert, wenn er darüber spricht, dass Gendern im Kölschen unmöglich sei und Spitzen gegen Leverkusen verteilt („da stimmt die Chemie“).
Schnell und viel: Guido Cantz
Guido Cantz redet viel und er redet schnell, springt dabei in rekordverdächtiger Worte-pro-Minute-Rate von Punkt zu Punkt und wieder zurück. Alltagsanekdoten, Aktuelles wie die Bauernproteste, Politik, das Wetter, Cannabis-Legalisierung, FC, Gendern – es gibt praktisch nichts, worüber Cantz nicht spricht. Aber auch er mokiert sich: „Man muss sich inzwischen dauernd entschuldigen.“
Vieles, was Cantz sagt, ist spontan, lustig und geistreich und wird mit viel Applaus belohnt. Anderes, etwa Witze über die nervige Ehefrau oder unterschiedliche sexuelle Identitäten, wirkt altbacken. Die starken Pointen aber überwiegen, und so kommen Cantz‘ Reden extrem gut an. Sein Credo: „Man muss den Wahnsinn mit Humor nehmen.“
Bernd Stelter singt „Komet“
Bernd Stelter ist bekannt für seine umgedichteten Liedchen. Das wohl beste in dieser Session: „Komet“ von Udo Lindenberg und Apache. Bei Stelter wird daraus die Pralinenschachtel, die an Rosenmontag wie ein Komet in die Zuschauermenge schlägt. So schlägt auch der Song ein. Lach-Garantie. Ansonsten lästert er über Schlagzeilen zu Promitrennungen, wie die von Amira und Oliver Pocher („Ich bin im Sommer auch auseinander gegangen, rufe ich deswegen gleich die ‚Bild‘ an?“), die Deutsche Bahn und seine Schwiegermutter.
Die Ausnahmefrau: Ingrid Kühne
„Meine Rede ist komplett von KI. Ihr wisst, was da heißt? Kühne, Ingrid.“ Auch wenn fast jeder Büttenredner derzeit in verschiedenen Variationen über Künstliche Intelligenz scherzt, den Spruch kann immerhin kein anderer bringen. Die Programme der großen Sitzungen sind fast ausschließlich männlich besetzt – Ingrid Kühne ist eine der wenigen Büttenrednerinnen, die sich in den vergangenen Jahren durchsetzen konnten. Ihre Pointen sitzen und gerade ihre Spitzen gegen Männer funktionieren auf Damensitzungen wunderbar.
Mike Hehn lästert als „Dä Nubbel“ über Imis
Michael Hehn ist ene echte kölsche Jung – und das lässt er sein Publikum auch gerne wissen. Als „Dä Nubbel“ will er die kölsche Sproch bewahren und schießt gegen Imis. So kann die Beschwerde zum Höhner-Song „Blootwoosch, Kölsch un e lecker Mädche“ natürlich nur von Imis kommen. „Dreimal Karneval in Köln gefeiert und sie denken, sie wären Kölsche.“ Ansonsten nimmt er hauptsächlich Politik und Kirche in die Mangel, Woelki und Reker hat er auf dem Radar.
Jürgen Beckers' Witze kennt man schon
Der Aachener „Hausmann“ Jürgen Beckers steht auch in dieser Session gewohnt ruhig mit Schürze über dem Anzug auf den Kölner Bühnen. Er erzählt Witze, von denen manche mehr zünden als andere. Was auffällt: Viele der Witze hat er auch in der vergangenen Session bereits in Köln erzählt. Corona, die Queen, Politiker („Angela Merkel war kein Temperamentbolzen – aber gegen Olaf Scholz ist sie Tina Turner“), Lehrer, Penatencreme – das könnte dem ein oder anderen bekannt vorkommen.
Geringe Tuschdichte bei Thomas Cüpper
Als Klimpermännche steht Thomas Cüpper seit mehr als 25 Jahren auf der Bühne – genauer gesagt: sitzt. Mit seiner Quetsch nimmt der Bergisch Gladbacher gemütlich auf seinem Stuhl Platz, rückt seine Mikrofone zurecht. Cüpper verzällt in seiner Büttenrede Erlebnisse aus dem Alltag. Vom Shoppen mit seiner Frau etwa, wo er als Mann nichts zu sagen habe. Lebensnah ist das, sorgt für stetiges Gekicher. Die großen Lacher fehlen, geringe Tuschdichte. Dazu singt er seine neue Single „Schabracke Cha Cha“.
Willi und Ernst möchten politisch korrekt sein
Die zwei Rentner aus Leidenschaft, Willi und Ernst, sind seit 2011 auf Frauensuche. Das Zwiegespräch von Dirk Zimmer und Markus Kirschaum dreht sich in dieser Session hauptsächlich darum, was noch gesagt werden darf und was nicht. „Du musst ja heutzutage politisch korrekt bleiben.“ So richtig zünden wollen ihre Witze dabei nicht. Der Orchester-Chef lässt sein Instrument die meiste Zeit stehen. Was dagegen wunderbar funktioniert: Roland Kaisers „Warum hast du nicht Nein gesagt“, beziehungsweise in diesem Fall „Warum hast du nur Nein gesagt“ kennt das Publikum allerdings schon aus der vergangenen Session.