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Kölsche Kippa Köpp„Kölner Juden waren immer Teil des karnevalistischen Lebens“

Lesezeit 7 Minuten
Aaron Knappstein, Präsident des jüdischen Karnevalsvereins «Kölsche Kippa Köpp», spricht bei einer Veranstaltung zum Auftakt der Karnevalssession im Rathaus. +++ dpa-Bildfunk +++

Aaron Knappstein, Präsident des jüdischen Karnevalsvereins Kölsche Kippa Köpp bei einer Veranstaltung zum Auftakt der Karnevalssession im Rathaus. (Archivbild)

Der jüdische Karneval hatte vor dem Krieg einen festen Platz im kölschen Fastelovend – seit 2017 repräsentieren die Kölschen Kippa Köpp ihn wieder – unter permanenten Polizeischutz.

Die 2017 gegründeten Kölschen Kippa Köpp sind ein jüdischer Karnevalsverein mit historischen Wurzeln. „Wir sehen uns in der Tradition des „Kleinen Kölner Kegelklubs, abgekürzt K.K.K.“, sagt Präsident Aaron Knappstein. „Kölner Juden waren immer Teil des vielfältigen karnevalistischen Lebens, aber lange Zeit nicht sichtbar.“ Der K.K.K. wurde 1922 ins Leben gerufen und war im Ursprung tatsächlich ein Kegelverein, ebenso wie die im gleichen Jahr gegründete „KG Altstädter“. Später wandelte sich der K.K.K. vom Kegel- in einen Karnevalsverein und nannte sich „Kleiner Kölner Klub“. Er existierte bis etwa 1930.

Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn, der die Gründung der Kölschen Kippa Köpp seinerzeit maßgeblich unterstützt hat, betrachtet den Verein als absolute Bereicherung. „Es ist ganz wichtig, dass das bunte Mosaik des Kölner Karnevals wieder um ein verloren gegangenes Steinchen ergänzt wurde. Der jüdische Karneval hatte vor dem Krieg seinen festen Platz im kölschen Fastelovend. Es ist gut, dass diese Nische wieder besetzt ist.“

50 Neuzugänge in der letzten Session

Mittlerweile hat der Verein etwa 250 Mitglieder. Allein in der vergangenen Session gab es mehr als 50 Neuzugänge. Die Familiengesellschaft ist offen für alle. Frauen, Männer, Juden und Nichtjuden können sich um eine Mitgliedschaft bewerben. „Wir werden häufig gefragt: Wie feiert ihr den jüdischen Karneval? Dann sagen wir: Es gibt keinen jüdischen Karneval, den gab es damals nicht und gibt es heute nicht. Sondern wir sind Jüdinnen und Juden im Kölner Karneval. Die gab es immer, und das wollen wir zeigen“, erklärt Knappstein.

05.01.2025, Köln:Falafel& Kösch Karnevalssitzung des Karnevalsvereins " Kölsche Kippa Köpp" im Maritim Hotel. Foto:Dirk Borm

Im Januar feierten die Kölschen Kippa Köpp im Maritim Hotel. (Archivbild)

Die Kölschen Kippa Köpp gehören zu den hospitierenden Gesellschaften des Festkomitees. Der Verein ist Teil der Karnevalsfamilie, doch einige Dinge sind anders als bei anderen Gesellschaften. Alle Veranstaltungen des jüdischen Karnevalsvereins finden unter Polizeischutz statt. Aktuell ist die Situation nach den Worten von Aaron Knappstein noch angespannter. „In dieser Session haben wir zusätzlich private Sicherheitsdienste engagiert, um unsere Veranstaltungen zu schützen. Neben der Polizei steht der Staatsschutz in Kontakt mit uns. Wir haben stets beide Seiten der Medaille im Blick. Karneval mit einem kölschen Programm zu feiern, ohne die Probleme zu vergessen und sie auch klar zu benennen. Wir sehen mit großer Sorge auf den ansteigenden Antisemitismus und wachsenden Rechtspopulismus in Europa und in der Welt.“

Sicherheitsbedenken für Fußgruppe zu groß

Der Präsident der Kölschen Kippa Köpp fuhr im vergangenen Jahr mit im Rosenmontagszug. Er war gemeinsam mit Oberbürgermeisterin Henriette Reker Gast auf dem Wagen „222 Jahre Kölsch-Hännesche-Theater“. In diesem Jahr wird Aaron Knappstein wieder im Zug mit dabei sein. Eingeladen war ursprünglich eine größere Abordnung der Kölschen Kippa Köpp, um als Fußgruppe mitzugehen. Das hat der Beirat des Vereins abgelehnt. Die Sicherheitsbedenken waren zu groß.

26.01.2025
Köln:
Der jüdische Karnevalsverein Kölschen Kippa Köpp (KKK) gedenkt der in der NS-Zeit verfolgten und ermordeten jüdischen Karnevalisten. Anlass ist der Internationale Holocaust-Gedenktag auf dem jüdischen Friedhof in Bocklemünd.
Dr. Michael Rado
Foto: Martina Goyert

Der jüdische Karnevalsverein Kölschen Kippa Köpp (KKK) gedenkt der in der NS-Zeit verfolgten und ermordeten jüdischen Karnevalisten.

Den Kölschen Kippa Köpp ist es zu verdanken, dass Juden und Jüdinnen im Kölner Karneval und generell jüdisches Leben in Köln wieder sichtbarer werden. Mit viel Engagement und Enthusiasmus sorgen sie vor allem dafür, dass die Erinnerung an die von den Nationalsozialisten vertriebenen Kölner Karnevalisten und an den „Kleinen Kölner Klub“ lebendig bleibt.

Textilhändler Max Salomon gründete „Kleinen Kölner Kegelklub“

Gründer und Präsident des K.K.K. war der Textilgroßhändler Max Salomon. Er war ein Karnevalist durch und durch. Bereits 1910 trat er bei der „KG Kuventsmöhne“ unter Präsident Fritz Herold im „Colosseum“ in der Schildergasse auf. Seine bekannteste Figur in der Bütt war die „Kölsche Marktfrau“. Der Verein gehörte zwar nicht dem „Festausschuss des Kölner Karnevals“ an und zog auch nicht mit im Rosenmontagszug, spielte dennoch eine aktive Rolle im Karneval mit Kostümfesten, Prunksitzungen und Maskenbällen.

Allein im Jahr 1928 gab es mehrere Sitzungen und einen Festball. Präsident Salomon war eng mit Karnevalsgrößen wie Albrecht Bodde, Präsident der Großen Kölner, Gerhard Ebeler, Karl Berbuer und Willi Millowitsch befreundet. Mit Beginn der Verfolgung durch das Naziregime fanden die Aktivitäten des „Kleinen Kölner Klubs“ ein jähes Ende. Einigen Mitgliedern gelang die Flucht ins Ausland, andere kamen in Ghettos oder Konzentrationslagern um.

Wilder Mix aus Raufen und Saufen

Ein Blick auf die Anfänge des bürgerlichen Karnevals zeigt, dass Juden von Beginn an tatkräftig mit dabei waren. Das Jahr 1823 markiert die Wiederbegründung des Volksfestes Karneval. Zeitgenössische Schilderungen bezeichnen das närrische Treiben zuvor als wilden Mix aus Raufen und Saufen. Der Pöbel hatte das Fest auf die Straße gezerrt und entsprechend ramponiert sah es nun aus. Dem wollten etliche Honoratioren der Stadt Einhalt gebieten.

Sie gründeten das „Festordnende Comitée“, und es gab 1823 einen Maskenzug in dessen Mittelpunkt der Held Carneval stand. Im Folgejahr taucht mit Simon Oppenheim ein Mitglied der jüdischen Gemeinde in exponierter Stellung im Zug auf. Das Motto der Session hieß: „Besuch der Prinzessin Venetia beim Helden Carneval“. Diese Venetia verkörperte der 20 Jahre alte Simon Oppenheim, so auch in den folgenden Jahren. Wenn er im Karneval nicht als Venetia durch die Stadt fuhr, leitete Oppenheim gemeinsam mit seinem Bruder Abraham das gleichnamige Bankhaus.

12.09.2022, Köln:  Kirchenfenster von Oppenheim gespendet. Rundgang durch den Kölner Dom mit Dombaumeisterin a.D. Prof. Dr. Barbara Schock-Werner. Foto: Uwe Weiser

Das von der Familie Oppenheim gestiftete Kirchenfenster im Kölner Dom. (Archivbild)

Die Familie war Teil des Kölner Großbürgertums, beide Brüder waren aktive und angesehene Mitglieder der Stadtgesellschaft. Sie spendeten beispielsweise große Summen für den Bau der Synagoge in der Glockengasse und den Weiterbau des Kölner Doms. Diese Synagoge wurde während der Diktatur der Nationalsozialisten in der Pogromnacht zum 10. November 1938 niedergebrannt. Im Dom hängt ein von der Familie Oppenheim gestiftetes Kirchenfenster. Simon und Abraham Oppenheim lag auch die Emanzipation der Juden am Herzen. 1841 richteten sie eine Eingabe an den preußischen König Friedrich Wilhelm IV, in er sie die vollständige Gleichberechtigung der Juden forderten.

Hans David Tobar war Kölns bekanntester jüdischer Karnevalist

Es gab Salomon Marx, der Mitglied im Kleinen Rat der Großen Karnevalsgesellschaft war, und Joseph Salomon (geboren 1829) von den Roten Funken. Sein Schwiegersohn Norbert Capell brachte es bei der „Kölner Narren-Zunft von 1880“ erst zum Ehrensenator und später sogar zum Ehrenamtsmeister. Der wohl bekannteste jüdische Karnevalist war Hans David Tobar, geboren 1888 in Köln. Er trat im Karneval als Kabarettist, Krätzchensänger und Rezitator bei allen Traditionsgesellschaften auf und schrieb viele Programme für den „Kleinen Kölner Klub“. Bereits als 17-Jähriger trat er bei einer Sitzung der Großen Karnevals-Gesellschaft auf, er war Mitglied bei den Roten Funken und wurde 1922 zum Ehrensenator ernannt.

In den 1920er Jahren schrieb und inszenierte er im Kaiserhof in der Salomonsgasse elf Karnevalsrevuen. Anfang 1933 änderte sich auch für Tobar die Situation schlagartig. Die neuen Machthaber machten vor großen Namen nicht Halt. Seine Faschingsrevue „Karneval wie einst“ im Schwerthof an der Ecke Neumarkt/Zeppelinstraße ging noch über die Bühne, doch schon im Februar 1933 tauchte sein Name im Autorenverzeichnis der von ihm mitgeschriebenen Revue „Alle Poppe danze“ nicht auf. Danach gab es für den populären Künstler keine Aufträge mehr.

Im Sommer ging er für wenige Monate auf die Nordseeinsel Norderney und gründete dort die Karnevalsgesellschaft Zoppejröns. Bekannte Kölner Karnevalisten und Volkssänger gastierten bei Tobars Aufführungen auf Norderney, unter ihnen Willi Ostermann. In den kommenden Jahren moderierte Tobar für die Kölner Synagogen-Gemeinde Tanzabende und schrieb Programme wie „Krach im Morgenland“ für den Jüdischen Kulturbund Rhein-Ruhr. Am 9. Dezember 1939 gelang ihm mit seiner Familie die Flucht zunächst nach Rotterdam und von dort aus nach New York. Vom Karneval ließ es in der neuen Heimat nicht und trat mit karnevalistischen Programmen auf. Er starb am 4. April 1956 in New York. Vor dem Haus in der Meister-Gerhard-Straße 5 gibt es vier Stolpersteine für Mitglieder der Familie Tobar.


Volksfest wie gemacht für Propaganda-Zwecke

Im September 1935 erließen sie Nationalsozialisten die „Nürnberger Gesetze“. Damit verloren die Menschen jüdischen Glaubens ihre Grundrechte und wurden zu Bürgern zweiter Klasse. Die Gesetze schufen die rechtliche Grundlage für die Verfolgung der Juden.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten rückte rasch auch der Karneval ins Blickfeld der neuen Machthaber. Ein Volksfest, mit dem man die Massen erreichen konnte, war wie gemacht für Propaganda-Zwecke. Im Rosenmontagszug 1936 fuhr ein Festwagen mit der Karikatur eines Juden mit sehr langem Schlips mit. Der Wagen trug die Aufschrift „Däm han se op d’r Schlips getrodde“. Auf diesen Schlips trat auf dem Wagen ein Gebilde mit Stiefeln und einem Paragrafenzeichen. Es begann aber bereits vorher. Der erste antisemitische Wagen war der sogenannte Palästinawagen 1934, mit der Aufschrift: „Die Letzten ziehen ab“. Als orthodoxe Juden verkleidete Männer spielten auf die erzwungene Auswanderung der Kölner Juden an. „Mir mache nur e kleines Ausflügche nach Lichtenstein und Jaffa“. Im Westdeutschen Beobachter hieß es seinerzeit dazu. Der Wagen habe eine „ausgezeichnete Charakteristik der nicht genehmen Fremdlinge“ geliefert.

In einem Artikel aus dem Westdeutschen Beobachter zum Rosenmontagszug am 27. Februar 1933 heißt es unter anderem: „Der Zug hatte nichts Improvisiertes, Volksfremdes, wie das in den Nachkriegsjahren unter den mannigfachen Einflüssen liberalistisch-marxistischer Strömungen der Fall gewesen war. Kein überladener Schmuck, kein verlogener Prunk, sondern urwüchsiger Humor, volkstümlich in der Darstellung, paßte (!) er sich ganz natürlich in den Rahmen des Volksfestes ein (...)“