Karnevalsforscher zur Aktion „Jeck zo Hus“„Verkleiden ist eine gesunde Trotzreaktion“
- Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat den großen Leseraufruf „Jeck zo Hus“ gestartet: Verkleiden Sie sich, schmücken Sie Ihre Wohnungen und schicken uns die Fotos!
- Wir werden die Dokumente dieser einzigartigen Session an den Karnevalstagen veröffentlichen.
- Der Kölner Karnevalsforscher und Psychologe Wolfgang Oelsner erklärt, warum diese Aktion zur rechten Zeit kommt.
Köln – Herr Oelsner, wie kann uns das Verkleiden in diesen Tagen helfen?
Das Verkleiden hat vier Aspekte und Wirkungen – zwei funktionieren zurzeit schlecht, zwei trotz aller Schwierigkeiten aber gut. Verkleiden hat zu allererst eine interaktive Funktion. Die Maske lebt vom Du. Ich will meine Wirkung in der Resonanz der anderen sehen.
In der zweiten Dimension kann die Verkleidung dann – und da sage ich einmal einen hochgestochenen Begriff – sogar eine transzendierende Wirkung haben. Das kennt man von Kindern: Die setzen sich eine Krone auf und schon schreiten sie und sprechen anders. Wenn wir ein Kostüm tragen, verhalten wir uns gemäß der Rolle. Wir tun so, als wenn wir verwandelt seien.
Das alles ist jetzt schwierig, weil wir uns nicht sehen können, weil es keine Sitzungen, keine Züge gibt.
Ja, das alles lebt vom Spielen in der Gemeinschaft. Man braucht eine Rückkoppelung und das ist unter den jetzigen Bedingungen sehr schwierig.
Hilft da eine Foto-Aktion?
Ja, denn zwei Aspekte werden von so einer Aktion gut unterstützt: Kostüme und Verkleidungen demonstrieren etwas. Das geht stark ins Symbolhafte. Wer im Lockdown an den Tagen, an denen normalerweise Karneval gefeiert wird, mit einer roten Nase oder mit dem Mottoschal zum Einkaufen geht, der gibt ein Zeichen. Ein Zeichen, dass die Welt jetzt eigentlich anders sein sollte. Er gibt zur gleichen Zeit aber auch das Zeichen: Ich bin vernünftig genug, um höherwertige Ziele wie Gesundheit und soziales Verhalten voranzustellen.
Schicken Sie uns Ihre Fotos
Trotz allem Corona-Frust: Die Karnevalstage rücken unaufhaltsam näher. Und auch, wenn in dieser Session fast alles, was wir am Karneval lieben, pandemiebedingt ausfallen muss – tief in den Herzen der Kölnerinnen und Kölner findet der Karneval natürlich trotzdem statt. Denn selbst wenn nicht gefeiert werden darf, kostümieren darf man sich schon. Mit der gesamten Familie, mit den Kindern, dem Partner oder der Partnerin, auch ganz alleine, natürlich immer gemäß den Corona-Regeln.
Machen Sie einen kölschen Moment daraus im kleinen Kreis, kostümieren Sie sich, dekorieren Sie Ihr Zimmer im Sinne des Sessionsmottos „Nur zesamme sin mer Fastelovend“, machen Sie dann ein aktuelles Foto und schicken Sie es uns: Der „Stadt-Anzeiger“ sammelt diese Bilder als Beleg einer einzigartigen Session – und veröffentlicht sie an den Karnevalstagen als Beweis dafür, dass gegen den Frohsinn im Herzen selbst die Pandemie keine Chance hat. Zahlreiche Jecke haben bereits ihre Fotos eingesandt – machen auch Sie mit!
Partner bei der Aktion „Jeck zo Hus“ ist das Festkomitee Kölner Karneval. „So geht auch im Lockdown ein bisschen Alaaf“, sagt Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn. Und es gibt natürlich etwas zu gewinnen: Eine prominent besetzte Jury kürt die schönste Kostümierung. Auf die Gewinner warten attraktive Preise. Einsendungen bitte mit Kontaktadresse per E-Mail.
Die Foto-Aktion endet am Sonntag, 14. Februar 2021, um 12 Uhr. Veranstalter der Aktion inklusive Gewinnspiel ist die M. DuMont Schauberg Expedition der Kölnischen Zeitung GmbH & Co. KG. Bei einer Teilnahme gelten unsere AGB als akzeptiert. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Mit der Teilnahme versichern Sie, dass das eingesendete Foto von Ihnen selbst aufgenommen worden und alle abgebildeten Personen mit einer Veröffentlichung einverstanden sind. (red)
Was ist der vierte Aspekt?
Karneval hat auch einen dekorierenden Aspekt. Ich bin davon überzeugt, dass etliche Wohnungen karnevalistisch geschmückt werden. Vielleicht nicht so wie sonst, aber man gibt das nicht auf. Und es ist ganz rührend, dass in der Community der Karnevalsgesellschaften jetzt „Carepakete“ mit Luftschlangen und Konfetti an die Mitglieder verschickt oder verteilt werden. Man gibt sich damit selber ein Signal: Eigentlich sollte jetzt eine andere Zeit sein, sie ist nicht da, aber sie wird wieder kommen. Das Dekorative hat einen Überbrückungscharakter, eine Platzhalterfunktion. Das hat auch etwas Tröstliches.
Gibt es sogar Vorteile in dieser schwierigen Zeit?
Wenn der „Kölner Stadt-Anzeiger“ jetzt zum Kostümieren aufruft, dann werden die allerwenigsten damit so interaktiv spielen können wie sonst. Aber man kann es als Platzhalter nehmen und mal etwas tun, was sonst in einer stressigen Session gar nicht möglich wäre. Man kann sich Zeit für die Kostüme nehmen. Noch ens probiere. Nochmal umnähen. Dazu kommt man in der normalen schnellen Alaaf-Taktung oft gar nicht.
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Und die Veröffentlichung der Fotos bringt dann doch ein wenig Interaktivität?
Wenn die Fotos öffentlich gezeigt werden, dann hat es wieder diesen demonstrierenden Charakter. Und Demonstrationen haben immer auch einen gewissen Trotz-Charakter. Der Trotz ist wichtig – auch über das Alter von vier Jahren hinaus. So paradox es klingt: Gerade um vernünftig zu bleiben, tut etwas vom Trotzalter das ganze Leben lang gut. Es ist manchmal wichtig, dass man mit dem Fuß aufstampft und sagt: Das lasse ich mir auf Dauer nicht gefallen. Das tut gut – auch wenn man weiß, dass es wenig nützt, mit dem Fuß aufzustampfen. Aber wer nicht Nichts tut, gibt sich nicht der Resignation hin. Und das ist das gute Zeichen, das von solchen Aktionen ausgeht.