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Kuckelkorn im Interview„Straßenkarneval könnte Image der Stadt negativ beeinflussen“

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Christoph Kuckelkorn, Präsident des Festkomitees Kölner Karneval, bei der diesjährigen Prinzenproklamation.

  1. In rund drei Wochen startet der Straßenkarneval - eigentlich. Doch noch immer ist nicht klar, wie das Feiern mitten in der Omikron-Welle laufen soll.
  2. Christoph Kuckelkorn, Präsident des Festkomitee Kölner Karneval, wünscht sich dazu klare Vorgaben vom Land.
  3. Im Interview spricht er über Corona-Regeln, die diesjährige Session und Forderungen an die Politik.

KölnHerr Kuckelkorn, die Karnevalsoffiziellen haben auf Anraten der Politik im Dezember einen freiwilligen Verzicht auf Sitzungen empfohlen.Christoph Kuckelkorn: Als wir im Dezember in der Staatskanzlei einen Blick auf das Infektionsgeschehen geworfen haben, war das Szenario aus Sicht von Medizinern und Politikern ziemlich eindeutig. Omikron wird die Pandemie deutlich verschärfen, aber Veranstaltungen können auch nicht verboten werden. Deshalb werden sie unmöglich gemacht mit Masken- und Abstandsgeboten sowie immer schärferen Kapazitätsbegrenzungen. Letztendlich erschien ein Karneval nicht denkbar.

Unter diesen Voraussetzungen kam das Angebot der Landesregierung, sich mit uns zusammen dafür einzusetzen, dass Karnevalsveranstaltungen vom Sonderfonds Kultur des Bundes abgedeckt werden und damit ein Großteil der Kosten bei freiwilliger Absage der Veranstaltungen übernommen wird. So würde das wirtschaftliche Risiko für die Gesellschaften deutlich minimiert und gleichzeitig Künstler und Saalbetreiber unterstützt.

Aber die Pandemie hat sich anders entwickelt.

Genau, deshalb hat die Politik entgegen der Ankündigung die Parameter für Veranstaltungen doch nicht verändert. Die Gesellschaften hatten aber bereits kleinere, sicherere Formate mit einem Bruchteil an Teilnehmern entwickelt und auf neue Vorgaben gewartet. Und jetzt kommen kommerzielle Anbieter und bieten teilweise auf Terminen, die wir frei gemacht haben, eigene Formate an. Das führt zu einem Ungleichgewicht.

Deshalb fordern wir ein klares Statement von der Politik, wohin es geht: Öffnung oder Verschärfung. Im Moment kann man keinem erklären, dass sich nur zehn Menschen zu Hause treffen dürfen, aber ein paar Hundert in der Kneipe problemlos möglich sind. Eine Veranstaltung mit 750 Gästen drinnen steht in keinem Verhältnis zu einer mit 750 draußen.

Ohne Areale an der Zülpicher Straße haben 10.000 Menschen keinen Platz zum Feiern

Und der Straßenkarneval steht vor der Tür.

Es gibt keine guten Leitplanken, die einer Stadt oder einer Gemeinde helfen, den Straßenkarneval zu regeln. Das Instrumentarium für die Stadt Köln, um einzugreifen, ist verschwindend gering. So gibt es keine 2G- oder 3G-Kontrollen auf der Straße mehr, um Bereiche besonders zu halten. Man muss hier mit harten ordnungsbehördlichen Maßnahmen reingehen. Da würde ich mir klare Aussagen von der Landes- und Bundespolitik wünschen. Die Stadt braucht Instrumente wie Alkohol- oder Verweilverbote, damit bestimmte Bereiche nicht eskalieren.

Wir waren die ersten, die 2G-plus-Veranstaltungen gemacht haben. Wir haben am 11.11. gesehen, dass die Stadt Köln ziemlich gut reagiert hat. Es gab diese Areale, die die Zülpicher Straße entlastet haben. Heute fallen die unter Tanzveranstaltungen und können so nicht mehr stattfinden. Das bedeutet, dass die etwa 10- bis 12 000 Menschen, die sich da aufgehalten haben, an Weiberfastnacht keinen Spielplatz mehr haben.

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Feiernde am 11.11. auf der Zülpicher Straße. Die Bilder vom Kölner Straßenkarneval schlugen in Deutschland hohe Wellen.

Getestet sind sie auch nicht …

Wir Kölner haben ein großes Herz für das zusammen Feiern. Es wäre doch schade, wenn wir mit Verboten, Polizeiaufgeboten und Ordnungsamt reagieren müssten. Schöner wäre es, wieder Richtung Formate zu denken, wo Menschen in sicheren Räumen feiern können. Wir brauchen Ventile. Die Aufgabe des FK ist, dass sich dieser Karneval dosiert entladen kann und nicht explodiert. Da muss die Landesregierung helfen und mit den Kommunen überlegen, was sind adäquate Mittel und Wege.

Davor steht aber die große Frage: Was ist die grobe Richtung? Alles rund um Deutschland öffnet. Sogar in Bayern ist plötzlich wieder Fußball mit Zuschauern möglich. Und das trotz astronomischer Inzidenzen. Deshalb brauchen wir auch für den Karneval klare Ansagen.

Fokus der Politik liegt nicht auf Karneval

Der Vorwurf an die Politik ist also, dass sie sich der Solidarität des Karnevals bedient hat, diesen aber jetzt hängen lässt?

Ich würde das so nicht zuspitzen. Der Fokus der Politik liegt nicht auf dem Karneval. Man darf nicht vergessen, dass man in den Wahlkampf geht für die Landtagswahl im Mai. Das macht es nicht einfacher. Aber wir brauchen jetzt den Mut für eine richtungsweisende Entscheidung. Wenn das nicht geschieht, erleidet erstens das Brauchtum einen Schaden, weil kommerzielle Anbieter sich Marktpositionen erkämpfen, und zweitens, dass im Straßenkarneval wieder Bilder erzeugt werden, die nicht der organisierte Karneval verantwortet, die aber das Image der Stadt nachhaltig negativ beeinflussen.

Auch Stadt Köln will klare Anordnungen

Die Stadt Köln will nun doch aktiv auf das Land Nordrhein-Westfalen zugehen und um zeitnahe klare Anordnungen für den Umgang mit öffentlichen Veranstaltungen auf den Straßen an den Karnevalstagen bitten. Noch am Freitag hatte die Stadt erklärt, man müsse auf die Entscheidungsfindung beim Land warten. Aus eigener Initiative plane man lediglich eine Plakatkampagne, die Feierwillige vom Straßenkarneval abhalten soll.

Je eher man solche Anordnungen kenne, desto effektiver könne man sie umsetzen, sagte ein Stadtsprecher am Sonntag. Bislang hat die Stadt keine Handhabe, um spontane Versammlungen etwa auf der Zülpicher Straße oder in der Altstadt zu unterbinden. Zum Karnevalsauftakt am 11.11. hatten sich Tausende Feierwillige auf der Zülpicher Straße getroffen. Die Bilder sorgten deutschlandweit für Aufsehen. (chh)

Ist Ihr Wunsch denn angekommen bei der Staatskanzlei?

Ich glaube schon, dass das Wirkung zeigt. Wir müssen im Gespräch bleiben und klarmachen, dass Hilfe dringend notwendig ist.

Welche Rolle spielt die Stadt dabei? Es hat seit vor dem 11.11. keinen Runden Tisch Karneval mehr gegeben.

Auch die Stadt wartet auf Vorgaben.

Weiberfastnacht ist in dreieinhalb Wochen …

Es gibt ja immer Gespräche, die jetzt wieder intensiviert werden. Aber noch mal: Wir brauchen eine grundsätzliche Richtung. Was soll gehen? Mit Vorgaben können wir dann arbeiten.

„Das jetzt doch Karneval inszeniert wird, konnte keiner vorhersehen“

Es gibt Kritiker, die Ihnen bei der freiwilligen Absage der Sitzungen vorauseilenden Gehorsam vorwerfen. Würden Sie heute anders entscheiden?

Es ist immer problematisch, einmal getroffene Entscheidungen rückwirkend zu bewerten. Versetzten wir uns zurück in die Lage: Omikron wütet überall in Europa außer in Deutschland, unsere Nachbarländer haben wahnsinnige Inzidenzen. Die Angst ist groß vor dem, was passiert, wenn es zu uns hereinkommt. Für den Karneval sehen wir eine ganz, ganz schwarze Zeit kommen. Gleichzeitig haben alle laufende Verträge, weil die Politik eben nicht alles absagt und verbietet wie im Jahr davor.

Ich glaube, das hat man durch die Bundestagswahl einfach verschwitzt. Mit diesem Szenario vor Augen konnte es zu dem Zeitpunkt keine andere Entscheidung geben. Dass jetzt doch Karneval inszeniert wird, weil es erlaubt ist, konnte keiner vorhersehen. Jetzt müssen wir überlegen, wie wir damit umgehen.

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Das Festkomitee rund um Christoph Kuckelkorn steht in dieser Session zwischen den Stühlen.

Was empfehlen Sie Ihren Gesellschaften?

Die KGs sind auch unsicher und agieren uneinheitlich. Die Formate, die schon stattgefunden haben, waren auch nicht am ersten Tag ausverkauft. Das zeigt, dass auch die Bevölkerung noch zögert. Jede KG muss mit ihren Mitgliedern, ihren Kartenabnehmern sprechen, überlegen, was ist der richtige Weg. Viele machen ja kleine Veranstaltungen, wo der Kapazitätsrahmen nicht ansatzweise ausgenutzt wird. Wenn sich jetzt herausstellt, dass mehr geht, kann man das ja korrigieren, also statt 200 Leuten im Gürzenich dann 600. Manche werden neue Formate auflegen, aber das wird sich wohl alles an Tischen abspielen.

Selbst wenn Karneval in der Kneipe möglich ist, kann ich mir nicht vorstellen, dass es Bälle geben wird. Dieses Ungleichgewicht ist schwer zu erklären, deswegen ist es auch schwer, einen Rat zu geben. Jeder muss für sich entscheiden, wie weit er gehen möchte, was ist authentisch und passt in die Zeit.

Also keine Empfehlung?

Wir empfehlen, im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben zu bleiben und mit umfassenden Hygienekonzepten den Menschen ein gutes und sicheres Gefühl zu geben. Die Zeit für Großevents ist noch nicht gekommen, aber wir haben noch einige Wochen vor uns. Die Bundesliga könnte wieder vor mehr Zuschauern spielen, und dann wird sich auch da noch einiges in der Wahrnehmung verändern. Vielleicht können wir am Ende des Tages doch noch die eine oder andere Veranstaltung erleben, die dann auch dem Gefühl der Menschen entspricht.

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Rosenmontagszug im Stadion ist möglich

Stichwort Bundesliga: Was heißt das für den Rosenmontagszug im Stadion?

Wir sind auch da etwas hoffnungsvoller im Augenblick. Die bundesweite Diskussion um höhere Zuschauerzahlen hilft uns, aber der Rosenmontagszug wird auch mit 750 im Stadion möglich sein. Davon gehen wir derzeit aus. Und wenn mehr geht, umso besser.

750 auf der Tribüne? Oder beinhaltet das auch die Zugteilnehmer?

In der Stadtverwaltung geht man momentan davon aus, dass 750 über alles gerechnet werden. Wir sehen das anders, warten aber erstmal die nächsten Tage ab. Was bei der Bundesliga geht, sollte auch bei uns möglich sein.

Zurück zu den Bands und Saalvermietern. Die bekommen laut Vereinbarung alle bestehenden Verträge für abgesagte Veranstaltungen voll ausgezahlt. Wenn jetzt neue Verträge dazukommen, verdienen sie doppelt. Das ist etwas, was der Fonds nicht ausschließt, oder?

Nein. Wenn man einen Flug bucht und storniert den, muss man bezahlen, aber die Fluggesellschaft kann den trotzdem wieder verkaufen. Das ist ganz normal.

Also muss ein Redner, der am Tag einer abgesagten Sitzung woanders auftritt, kein schlechtes Gewissen haben?

Nein. Zumal wir nicht vergessen sollten, dass die Künstler ein Jahr ohne Einnahmen hinter sich haben. Das ist nicht verwerflich.

Festkomitee sitzt zwischen den Stühlen

Jetzt lässt die Politik Sie nach eigenem Bekunden gerade etwas hängen bei den Regeln. Trotzdem gehen Sie davon aus, dass das Geld aus dem Sonderfonds ausgezahlt wird. In der Szene sind viele verunsichert.

Ja, der Fonds ist fest zugesagt. Alles, was förderfähig ist, bekommt auch sein Geld. Das Vertrauen in die Politik ist weiter da. Wir sind etwas aus dem Fokus geraten, weil gerade andere Themen wichtiger waren, deshalb unser Hilferuf. Aber das Vertrauen ist nach wie vor da.

Das Festkomitee sitzt gefühlt in dieser Session zwischen allen Stühlen. Die, die feiern wollen, meckern. Die, die nicht feiern wollen, auch. Die Vereine meckern, die Künstler meckern. Macht das Ehrenamt noch Spaß?

(lacht) Ich habe ein ganz großes Herz für den Karneval und das Bedürfnis, dass wir Karneval wieder so erleben können, wie wir das kennen. Ja, wir sitzen zwischen den Stühlen, aber das bedingt die Pandemie auch in anderen Bereichen der Gesellschaft, dass Spaltungen entstehen. Aber wir versuchen den Karneval schon immer auch einzusetzen als Brücke zwischen Menschen mit unterschiedlichen Meinungen. Auch wenn das gerade körperlich kaum mehr leistbar ist, was wir tun, machen wir das trotzdem, weil wir eine große Verantwortung haben hier in der Stadt. Zwischen den Stühlen ist nicht schön, aber wir nehmen die Herausforderung an.