Köln – Es ist kaum sechs Wochen her, da war für die Jetzt-Zeit ein Pandemie-Szenario unvorhersehbar. Omikron war im Anflug, es war klar, dass die Infektionszahlen hoch gehen würden. Erneuter Lockdown? Überfüllte Krankenhäuser? Und dann auch noch Karneval? Der gerade ins Amt gekommene Ministerpräsident hatte Bilder vor Augen, die zu seiner Wiederwahl im Mai diesen Jahres wenig Argumente bieten würden.
Also versicherte er sich der Solidarität seiner Stammwählerschaft und holte sich die Karnevalsvereine ins Boot. Ihr verzichtet aufs Feiern, dafür sichern wir euch finanziell ab. Schlimme Zeiten stehen bevor, aber gemeinsam wuppen wir das. Und die Stimmen, die den Jeckenoberen vorauseilenden Gehorsam vorwarfen, würden noch dankbar sein.
Die Solidarität der Vereine wird von der Politik nicht mehr gebraucht
Sechs Wochen später, also jetzt, gehen die Inzidenzen steil nach oben, aber – sonst ändert sich nichts. Weiterhin sind je nach Raumgröße Veranstaltungen bis 750 Besucher erlaubt bei Einhaltung der 2G+-Regeln, mehr Zuschauer etwa beim Fußball sind absehbar und unter freiem Himmel darf jeder fast alles. Die Karnevalsoffiziellen im Land erleben gerade hautnah, wie Politik funktioniert. Denn ihre Solidarität wird nicht mehr gebraucht. Ist ja alles nicht so schlimm, wir haben das im Griff. War ja nur ’ne Empfehlung. Klare Ansagen können wir nicht machen, wer weiß, was morgen ist?
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Inzwischen haben clevere Geschäftsleute gemerkt, dass doch was geht im jecken Köln, dass die Menschen endlich wieder feiern wollen, zumindest einige. Das kann man beiden Seiten nicht verdenken. Unternehmer gehen ins Risiko, Vereine gucken in die Röhre. Dazwischen frustrierte Karnevalsfunktionäre, die von allen Seiten gebasht werden: von den Feierwütigen wie von denen, die aus Vorsicht zu Hause bleiben. Und die Politik? Macht sich unsichtbar. Läuft doch.
In vier Wochen könnte Köln unkontrolliert feiern
Vier Wochen in die Zukunft gedacht: Die Zahlen weiter hoch, die Regeln unverändert. Nur ist jetzt Weiberfastnacht, die Stadt füllt sich mit kostümierten Jecken. Es gibt keine Absperrungen, keine Verweilverbote, nur Glasverbotszonen. Die Kneipen füllen sich zögerlich, Bälle bleiben verboten, und draußen feiert und singt Köln unkontrolliert.
FK-Präsident Kuckelkorn hat gesagt, die Kölner lassen sich ihren Karneval nicht verbieten. Das ist so, und das ist gut so. Was Hendrik Wüst wohl sagen wird, wenn Kollege Markus Söder erklärt, dass er solche Bilder wie die aus Köln nicht mehr sehen möchte? Und wo die solidarischen Vereinsmacher ihr Kreuzchen machen im Mai bei der Wahl?