Weiberfastnacht in Köln„Ich bleibe doch einfach das kölsche Mädchen“
Köln – Weiberfastnacht gehört die Welt den Frauen. Fünf Karnevals-Freundinnen aus vier Generationen erzählen, warum sie das Jecksein so lieben und wieso Selbstbewusstsein im Karneval unverzichtbar ist.
„Närrischer Ausbruch aus der Enge der Nachkriegszeit“
Als Kind gingen wir mit meinen Eltern Rosenmontag auf den Neumarkt. Ich war Biedermädchen und habe dieses Kostüm geliebt. Ich mochte die Pritschen: Das waren gefaltete Klatschen aus Pappe, mit denen wir die Jungs foppen konnten. Als ich 11 war, brach der Krieg aus. Da war für viele Jahre Schluss mit Karneval. Wie viele Tote habe ich gesehen! Noch beim letzten großen Angriff auf Köln haben wir viele Freunde verloren. Dabei hatten wir so eine große Sehnsucht nach Ausgelassenheit und Leichtigkeit. Wir waren doch jung.
Mit gepanschtem Alkohol durch die Trümmer
Nach dem Krieg – ich war 17 Jahre alt – sind wir Karneval gleich wieder mit gepanschtem Alkohol durch die Trümmer gezogen. Die Schwester von Freunden hatte eine Wohnung, da haben wir Maskenbälle veranstaltet und die ganze Nacht getanzt. Natürlich gab es auch eine Kuschelecke. Mit befreundeten Paaren haben mein Mann und ich uns später jedes Jahr nach einem Motto kostümiert. Die Frauen mal als Freudenmädchen mit hoch geschlitzten Röcken, die Männer als Zuhälter. Mein Mann mochte die gewagten Kostüme an mir. Er war stolz und gleichzeitig auch eifersüchtig, weil auch unter den Paaren mal geflirtet wurde.
Es waren die 50er und 60er Jahre: Wir waren fromm und treu. Der Karneval war ein begrenzter Ausbruch aus der Enge. Heute, da mein geliebter Mann und die Freunde tot sind, feiere ich immer noch ein wenig. Aber es ist Wehmut dabei. Schunkeln im Sitzen macht keinen Spaß. Die Erinnerungen an diese rauschenden Karnevalsjahre hüte ich wie einen Schatz. Das war so schön, und das kann mir keiner nehmen.
Marianne Bläser
„Karneval ist für mich Heimat, Familie und ganz viel Leichtigkeit“
Schon als Sechsjährige wollte ich nur eines: im Karneval auf der Bühne tanzen. Erst bei den Husaren Pänz und seit drei Jahren bei den Hellige Knächte un Mägde. Ich mag alles: das Auf-der-Bühne-Stehen, die Musik, die tolle Gemeinschaft in der Truppe, die Anerkennung durch den Applaus. Klar muss man als Frau auch mal mit den Blicken umgehen.
Wenn wir mit unseren Auftritten mal erst zu späterer Stunde einen Saal betreten – wenn also schon viel Alkohol geflossen ist –, werden die Blicke einiger Männer aus den umstehenden Corps und Garden schon geifernder. Aber die Jungs aus unserer Truppe beschützen uns Mädels da schon sehr gut und bringen uns auch nach den Auftritten nachts immer nach Hause. Ich kann da gut mit umgehen und auch klare Grenzen setzen.
Musik bringt zusammen
Die andere Sache, die ich am Karneval so liebe, sind die Lieder: Schon als Teenager hat mich mein Vater mit zu „Loss mer singe“ genommen. Ich fand das so großartig, dass ich dabei geblieben bin und heute mit zum Verein gehöre. Ich liebe die kölsche Musik in ihrer ganzen ungeheuren Vielfalt von so schönen Balladen wie denen von Roxxy bis zu den Beats der Jungs von Querbeat.
Ich höre das auch das ganze Jahr übers Smartphone. Karneval, das ist für mich Heimat, Begegnung, Familie, Leichtigkeit und innere Freiheit. Der Karneval hat mich zu einem sehr offenen, selbstbewussten Menschen gemacht. Zu einem, der zu dieser großen Liebe einfach steht. Und das akzeptieren auch alle meine Freunde.
Lisa Löbach
„Ich bleibe doch einfach das kölsche Mädchen“
Ich bin jeck, so lange ich mich erinnern kann. Dabei war ich nie das Funkenmariechen, immer eher der Clown – lustig-fröhlich statt mit kurzem Röckchen. Mit den rot-weißen, selbst gemachten Kostümen unserer „Mösche von Zint Änn“ identifiziere ich mich. Das ist die Ehrenfelder Gruppe, in der ich seit Jahrzehnten tanze. Mit dem Altern im Karneval habe ich keine Probleme: Ich kaschiere die Pölsterchen und setze entschieden auf Leichtigkeit. Ich bleibe doch das „Kölsche Mädchen“.
Wichtig ist beim Älterwerden im Karneval, dass die Truppe stimmt, mit der man unterwegs ist und dass es Kneipen gibt, in denen man sich altersmäßig wohlfühlt. Sich bei den Schull- und Veedelszöch immer an dieselbe Stelle zu stellen um dort dieselben Leute zu treffen, die man das ganze Jahr nicht gesehen hat und dann das Gefühl zu haben, es wäre gestern gewesen. Das ist für mich Karneval. Natürlich war Karneval als junge Frau anders. Aber Singen, Fröhlichsein und trinken – das geht immer.
Dagmar Hein-Flossbach
Vom Karnevals-Flirt und Kneipen-Atmosphäre
„Wenn die Kneipentür sich öffnet, löst sich der Alltag auf“
Ich habe schon als Kind mit meiner jüngeren Schwester im Wohnzimmer als Tanzmariechen Hebefiguren trainiert. Die Liebe zum Karneval ist geblieben und hat mit dem Muttersein noch viele Facetten dazu gewonnen: Das Kreativsein, Basteln und Nähen für die Schull- und Veedelszöch-Einsätze meiner beiden Töchter, Familienkarneval, die Sitzungen und Bälle vor Karneval, dann „Loss mer Singe“ und schließlich der Kneipenkarneval mit dem gemeinsamen Tanzen und Singen.
Mich fasziniert die irre Vielfalt. Es ist jedes Jahr wieder gleich: Erst hast du keine Lust dich zu verkleiden und dann auch noch Schlange zu stehen. Wenn du dich aber aufgerafft hast und sich die Tür der Kneipe vor dir öffnet, tauchst du augenblicklich ein und lässt dich mitreißen – losgelöst vom Alltag. Bis Montag.
Den Dienstag schaffe ich meist konditionell nicht mehr. Das ungezwungene in Kontakt kommen mit Anderen und ausgelassen sein, das liebe ich am Karneval. Negative Erfahrungen habe ich eigentlich noch nie gemacht.
Rosi Bins
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