Toni Geller war von den 1950ern bis in die 1990er als Büttenredner aktiv. Als „Führer der Blauen Partei“ wurde er bundesweit bekannt.
„Humorig und trotzdem treffend“Wie Toni Geller zum „Führer der Blauen Partei“ und Aushängeschild des Kölner Karnevals wurde
Revolutionär, hochaktuell und politisch, treffend in seiner Kritik, dabei humoristisch und nie verletzend: Toni Geller, der „Führer der Blauen Partei“, wäre an diesem Freitag 100 Jahre alt geworden. Als Büttenredner – schon damals einer der wenigen, die tatsächlich noch in der Bütt standen – wurde er bundesweit zu einem Aushängeschild des Kölner Karnevals. Zu seinen Hochzeiten in den 80ern war er jährlich in der Fernsehsitzung der „ARD“ zu sehen.
„Mein Bekanntheitsgrad wuchs stetig und so blieb es nicht aus, dass ich Auftritte getätigt habe, wovon man normalerweise nur träumen kann“, schrieb Geller in einem Entwurf für einen karnevalistischen Lebenslauf aus dem Jahr 2003. Die elfseitige Ausführung seiner Karriere in der Bütt hat sein Sohn Wolfgang Geller gefunden. Er und sein Bruder Ulrich fuhren Toni Geller später häufig zu Auftritten, auch ihre Mutter Marlies war ständige Begleiterin und organisierte vieles im Hintergrund. „Der Karneval war ein ganz anderer als heute. Auch hinter der Bühne war es viel familiärer, jetzt ist das alles kommerzialisierter“, sagt Wolfgang Geller.
30 Mark am ersten Abend als Büttenredner
Angefangen hat Toni Gellers Karriere in der Bütt in den frühen 1950ern, nur wenige Jahre, nachdem er 1949 aus fünfjähriger Kriegsgefangenschaft in Russland zurückgekehrt war nach Köln-Poll. Er trat als „Ländlicher Wahlkandidat“ auf, an seinem ersten Abend als Redner verdiente er mit zwei Auftritten insgesamt 30 Mark.
Nach Auftritten etwa als „Kanonier Knallkopp“, „Mamas Liebling“, „Wahlkandidat“ oder als „Weltverbesser“ überlegte er Anfang der 1960er Jahre: „Ich wollte unbedingt mal eine Type verkörpern, die einen hohen Wiedererkennungswert hat, denn das würde mir meine Auftritte bestimmt erleichtern. Also habe ich mir überlegt, welche Farbe fehlt im Parteien-Spektrum.“ Seine Wahl fiel auf Blau, denn „die kann man verbinden mit Getränken, aber auch mit einem gewissen Zustand der Menschen, beim Feiern in den Karnevalsfestsälen.“
Mit grauem Anzug, blauer Schärpe und Melone trat er auf, sein Slogan war: „Wir versprechen nichts, aber das halten wir auch.“ Ein Publikumsliebling, der aus Zufall entstand: Wenn das Orchester einen Tusch spielte, nahm Geller seinen Hut ab – und setzte ihn schlagartig wieder auf, wenn der Tusch vorbei war. Mit seiner neuen Type, dem „Führer der Blauen Partei“, hatte er „das große Los gezogen“, sein Erfolg, seine Bekannt- und Beliebtheit stiegen stetig.
„In dieser Zeit gab es kaum einen vergleichbaren politischen Redner, vor allem keinen besseren“, sagt Wicky Junggeburth. Der Karnevalist hat in seinem Archiv unzählige Bänder und Schallplatten mit Aufnahmen aus dem Kölner Karneval der Nachkriegszeit, darunter auch einige von Toni Geller. „An die Politik haben sich viele nicht rangetraut.“ Seine Reden seien stets hochaktuell gewesen, dazu noch auf Hochdeutsch und damit in ganz Deutschland verständlich. Das machte ihn zu einem Aushängeschild des Kölner Karnevals.
Große Dünnwalder KG veranstaltet „Parteitag“ zu Ehren Gellers
Geller habe mit seinen Zwischenbemerkungen und Begrüßungsformeln wie „meine Blaugänger“ sein Publikum immer sehr zum Lachen gebracht, sagt Ludwig Sebus. Außerdem habe er den Daumen immer in die richtigen Wunden gelegt: „Seine Reden waren humorig und trotzdem treffend. Aber ohne die Menschen zu verletzen.“ Der Grandseigneur des Kölner Karnevals sei bis zu Gellers Tod im Januar 2012 eng mit ihm befreundet gewesen. „Der Toni Geller war ein ganz liebenswürdiger Mensch.“
Der 99-Jährige erinnert sich noch genau an einen Abend im Sartory: „Wir tranken noch ein Kölsch nach unserem Auftritt. Da kam ein ziemlich angesäuselter Gast auf uns zu: ‚Kann ich auch Mitglied in der Blauen Partei werden?‘ Der Toni sagte: ‚Ja, wenn sie mich wählen.‘ ‚Was kostet das dann?‘ ‚Die Aufnahmegebühr sind zwei Kölsch, einmal für mich und einmal für den Sebus.‘ ‚Und was könnte ich dann in Ihrer Partei werden?‘ ‚Sie könnten Minister werden, wenn ich Bundeskanzler werde.‘ ‚Könnt ich dann Wirtschaftsminister werden?‘ ‚Können Sie denn rechnen?‘ ‚Ne‘, sagt der Mann, ‚das nicht so gut.‘ ‚Ja‘ sagt der Toni, ‚dann wären Sie bei mir in der richtigen Partei‘“, erzählt Sebus lachend.
Um Toni Gellers Geburtstag zu feiern und sein Andenken zu ehren, veranstaltet die Große Dünnwalder Karnevalsgesellschaft einen „Parteitag“ am Freitag ab 19 Uhr in der Schützenhalle. Geller wohnte in Dünnwald und war selbst Mitglied der „Fidelen Jonge“. Gemeinsam mit „Doof Noss“ Hans Hachenberg besuchte er noch bis ins hohe Alter die Herrensitzungen der KG.
„Wir wollen aber nicht nur an Toni Geller erinnern, sondern auch an diese schöne Zeit der Redner“, sagt Jens Singer, bekannt als „Schofför des Kanzlers“. Für den Büttenredner aus dem Bundestag ist die Veranstaltung eine Herzensangelegenheit. Neben einem Gespräch mit Wolfgang Geller soll Junggeburth Reden von Toni Geller, aber auch von anderen Rednern dieser Zeit wie Hachenberg und Horst Mues zeigen. Außerdem sind einige Überraschungen geplant, kündigt Singer an.