Jeder kann heute mit seinem Handy übersetzen. Der Beruf des Übersetzers scheint durch KI ersetzbar. Zwei Kölner Übersetzer halten dagegen.
„Wir vermitteln zwischen Menschen“Warum Kölner Übersetzer keine Angst vor der KI haben
Einen Übersetzer hat heute jeder in der Hosentasche – sei es DeepL, ChatGPT oder den Google-Translator. Ein Foto genügt und die Speisekarte im Urlaub wird in Sekunden vom Handy übersetzt. Hat der Beruf des Übersetzers also bald ausgedient? Schon 2018 prophezeite der damalige SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil das Ende des Berufs durch Künstliche Intelligenz (KI). Der „Klingbeil-Knick“ ließ die Studienzahlen im Bereich Übersetzung tatsächlich dramatisch sinken.
Ralph Krüger, Professor für Sprach- und Übersetzungstechnologie an der Technischen Hochschule Köln, kennt das Thema gut: „Die Leistungsfähigkeit aktueller KI-Technologien verleitet zu der Annahme, Übersetzen sei ein gelöstes Problem. Es entsteht der Eindruck: ChatGPT und Co. übernehmen das jetzt.“
Beruf des Übersetzers: Unsichtbare Arbeit im sozialen Kontext
Übersetzerinnen und Übersetzer kämpfen schon lange damit, dass ihre Arbeit nicht sichtbar ist. Für Außenstehende mag es so wirken, als könne man ihre Tätigkeit problemlos durch Maschinen ersetzen.
Doch laut Krüger ist Übersetzen weit mehr als ein simples Übertragen von Wörtern: „Übersetzer sind auch Kulturvermittler. Texte existieren nicht im Vakuum. Während KI lediglich Sprachzeichen verarbeitet, verstehen wir Menschen Inhalte im sozialen Kontext – das kann eine Maschine nicht.“
In Japan etwa werden Geschäftseinladungen ganz anders formuliert als in Deutschland. Solche kulturellen Nuancen kann KI kaum erfassen.
Beispiel aus der Praxis:
Ausgangstext: The software can download several files simultaneously and resume unfinished files.
Maschinelle Übersetzung (DeepL): Die Software kann mehrere Dateien gleichzeitig herunterladen und nicht abgeschlossene Dateien wieder aufnehmen.
Professionelle menschliche Übersetzung: Die Software kann mehrere Dateien gleichzeitig herunterladen und den Download von noch nicht vollständig heruntergeladenen Dateien wieder aufnehmen.
Bessere Zeiten
Peter Klöss, Übersetzer aus Köln, hat in den 1990er-Jahren angefangen, italienische Bücher zu übersetzen – eine Zeit, in der sich Übersetzer gut über Wasser halten konnten und der Buchmarkt nach neuen, jungen italienischen Autoren geradezu hungrig war.
Neben Italienisch übersetzt er mittlerweile auch aus dem Englischen und hat an Bestsellerprojekten wie der „Tribute von Panem“-Reihe mitgearbeitet.
Während es in den 1990er-Jahren noch gut lief, stehen viele Übersetzer heute unter Druck – Verlage zögern aufgrund der hohen Übersetzungskosten oft, in fremdsprachige Literatur zu investieren. „Wenn ein Buch nur tausendmal verkauft wird, wird es für den Verlag schnell teuer. Da müssen sie genau abwägen“, sagt Peter Klöss.
KI besitzt nicht das nötige Feingefühl
Aylin Andaç-Can, Inhaberin eines Kölner Übersetzungsbüros, übersetzt und dolmetscht zwischen Türkisch und Deutsch. Sie arbeitet hauptsächlich für Gerichte und Behörden. Dabei zählen für sie Genauigkeit und das kulturelle Verständnis: „Eine KI hat nicht das Feingefühl für moralische und ethische Nuancen. Sie übersetzt Worte, aber wir vermitteln zwischen Menschen“, erklärt auch sie.
Gerade in emotionalen oder konfliktreichen Situationen sei Fingerspitzengefühl gefragt: „Wenn Person A etwas schroffer ausdrückt, versuche ich, es im Ton zu mildern, damit die Kommunikation erhalten bleibt. Das kann KI nicht.“
KI und händisches Übersetzen muss sich aber nicht gegenseitig ausschließen, so nutzt Andaç-Can KI bei der Recherche nach einzelnen Wörtern – das sei zeitsparend.
Ralph Krüger ist überzeugt, dass KI in Zukunft eine sinnvolle Ergänzung sein könnte: „Wir haben auch in unserem Bereich einen Arbeitskräftemangel und im Idealfall kann durch KI-Unterstützung die Übersetzungsproduktivität gesteigert werden.“
Nachbearbeitung – ein mühsamer Prozess
Im beruflichen Alltag hat KI jedoch auch ihre Tücken. Einen kompletten Text von einer KI übersetzen zu lassen und dann nachträglich zu bearbeiten, empfinden viele Übersetzer als mühsamer, als direkt vom Originaltext aus zu arbeiten.
Das liegt auch am sogenannten Priming-Effekt: Wer einen maschinellen Text liest, wird oft unbewusst davon beeinflusst und hat es schwerer, den Text kreativ oder frei nach eigenen Vorstellungen umzuformulieren.
Die KI sei sagenhaft schnell, sagt Peter Klööss. Ein Buch mit 500 Seiten übersetze DeepL in nicht einmal zehn Minuten. Damit sei man im literarischen Bereich aber längst nicht am Ziel: „Die maschinengenerierten Texte klingen beim ersten Lesen oft ganz okay, aber bei näherer Betrachtung treffen sie meist haarscharf daneben oder auch gar nicht. Oft führen sie den Übersetzer mit ihrer Vorgabe stilistisch auf Abwege, was bei einer selbst angefertigten Roh-Übersetzung weniger leicht passiert.“
Der Übersetzer hat die Technologie für sich getestet und kommt zum Schluss: „Am Ende muss man Satz für Satz und Wort für Wort darauf durcharbeiten, ob es auch der stimmige Satz, das stimmige Wort ist. Bei 500 Seiten ist das extrem ermüdend und macht im Grunde nur mehr Arbeit.“
Auch Andaç-Can sieht das so: „Menschen sprechen nicht in perfekten Sätzen; oft bleibt ein Satz einfach stehen. In solchen Momenten greift KI zu kurz.“ Die Arbeit bleibt ein Balanceakt zwischen traditionellem Handwerk und digitalen Hilfsmitteln.