Corona-Impfung für Kinder in KölnKinderarzt: „Derartige Bedrohungen kannte ich nicht“
Köln – Das Thema Impfen ist heikel. Umso mehr, wenn es um Kinder geht. Impfverweigerer gab es schon immer. Doch durch die Corona-Pandemie hat das Thema eine nie da gewesene Brisanz entwickelt. Es teilt die Gesellschaft in zwei – ungleich große – Gruppen. Die Aufteilung in Ungeimpfte und Geimpfte setzt sich inzwischen in Schulklassen fort, seit die Ständige Impfkommission (Stiko) im Dezember die Impfung für Kinder zwischen fünf und elf Jahren mit Vorerkrankungen empfohlen hat sowie für diejenigen, die im Umfeld Angehörige mit einem hohen Risiko für einen schweren Verlauf haben.
Es gibt für diese Altersgruppe also noch keine allgemeine Impfempfehlung, jedoch können nach ärztlicher Aufklärung auch Kinder geimpft werden, deren Eltern die Impfung ausdrücklich wünschen. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat über das Thema mit Kölner Eltern gesprochen, die sich aber zum Schutz ihrer Kinder nicht mit ihren richtigen Namen öffentlich äußern.
Carsten Cüster hat zwei Söhne im Alter von sieben und zehn Jahren: „Erst wollten wir nur den Älteren impfen lassen. Der hatte schon vor den Weihnachtsferien selbst danach gefragt. In seiner Klasse ist schon ungefähr die Hälfte geimpft.“ In der Klasse des Jüngeren hingegen herrsche „völlige Verunsicherung“ in der Elternschaft. Nach längerem Diskutieren und Informieren hat Familie Cüster sich für die Impfung beider Kinder entschieden. Die Sorge vor einer Herzmuskelentzündung als mögliche Impfnebenwirkung sei nach Gesprächen mit einem befreundeten Ärztepaar in den Hintergrund gerückt. „Wir wollen die Kinder vor einer Infektion und einem schweren Verlauf schützen, aber auch die Großeltern, zu denen wir viel Kontakt haben.“
Kölner Mutter: Impftermin wieder abgesagt
Karin Mertens hat sich entschieden, ihren zwölf Jahre alten Sohn vorerst nicht impfen zu lassen. „Wir hatten bereits einen Impftermin, aber ich habe ihn kurzfristig wieder abgesagt.“ Ein befreundeter Mediziner habe ihr von der Impfung abgeraten. „Ich habe ein gesundes Kind und halte die Impfung für nicht sicher genug.“ Sorge vor einer schlimmen Erkrankung ihres Kindes habe sie nicht. Sie fühle sich sicher, „weil die Kinder ständig in der Schule getestet werden“, sei zudem selbst bereits geboostert. „In einer Ärztezeitung habe ich gelesen, dass die Immunantwort von Kindern bei durchlaufener Corona-Infektion höher sein soll als nach einer Impfung.“
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Lars Breuer und seine Frau hingegen waren sich schnell einig darüber, ihre achtjährige Tochter frühzeitig impfen zu lassen. „Wir sind absolute Impfbefürworter. Ich kann nicht verstehen, warum man dagegen ist.“ Breuer sieht nur Vorteile durch die Impfung: „Unser Kind ist besser geschützt, aber auch wir Eltern und andere Kontaktpersonen. Wenn sie sich durch die Impfung nicht infiziert, fällt weniger Unterricht aus und Quarantänen werden vermieden oder verkürzt.“ Breuers Frau arbeitet zudem im Krankenhaus, so dass die Familie sich einem höheren Ansteckungsrisiko ausgesetzt sieht. „Auch wenn eine Infektion bei Kindern meistens mild verläuft, heißt das nicht, dass sie keine Folgen hat.“
Die unterschiedlichen Positionen zum Thema Impfen, die es in der Bevölkerung gibt, spiegeln sich auch in den Arztpraxen wider. „Wir erleben die ganze Bandbreite“, sagt Axel Gerschlauer, Kinder- und Jugendarzt und Sprecher des Berufsverbands Kinder- und Jugendärzte Nordrhein. „Manche Eltern rennen uns die Bude ein und wollen sogar ihre Kinder unter fünf Jahren impfen, andere würden selbst der Impfung ihrer Jugendlichen niemals zustimmen.“ Unterm Strich würden aber die meisten Eltern die Impfung befürworten und seien dankbar für das Angebot. „Sie sind impfwilliger als die Stiko bislang empfiehlt.“
Kinder müssen sich nicht an Pandemie-Bekämpfung beteiligen
Gerschlauer selbst impft strikt nach Stiko-Empfehlung: „Wenn Eltern ihre nicht vorerkrankten Kinder unter zwölf Jahren impfen lassen möchten, weil sie die Nase voll von der Pandemie und Quarantänen haben, kann ich das zwar sehr gut verstehen, stehe aber dafür in meiner Praxis nicht zur Verfügung. Diese Familien können sich zum Beispiel an die Impfzentren wenden.“ Der Arzt hält die derzeitige Stiko-Empfehlung für sinnvoll, denn junge Kinder hätten ein geringes Risiko für einen schweren Corona-Verlauf. „Außerdem haben Kinder keine medizinische und moralische Pflicht, sich an der Pandemie-Bekämpfung zu beteiligen. Dafür sind die Millionen ungeimpften Erwachsenen zuständig.“
Der Kölner Kinderarzt Marc Neukirch impft hingegen auch Kinder, die jünger als zwölf und nicht vorerkrankt sind, wenn ihre Eltern das wünschen. Die Beweggründe seien vielfältig: „Manche Eltern haben Sorge vor einem schweren Corona-Verlauf oder fürchten Langzeitfolgen, andere wollen die Großeltern schützen und einige wollen mehr Stabilität im Familienalltag und mögliche Quarantänen vermeiden.“
Kölner Kinderarzt: „Ich mache das, wovon ich überzeugt bin“
Um die reguläre Sprechstundenzeit nicht zusätzlich zu belasten, finden die Impfungen blockweise am Wochenende statt. 120 bis 150 Kinder und Jugendliche erhielten bei einem solchen Termin ihr Vakzin. Aktuell seien die Über-Zwölfjährigen noch deutlich in der Mehrheit. Bei den Fünf- bis Elfjährigen gebe es noch häufiger Unsicherheiten. „Den Eltern, die noch unsicher sind, rate ich, auf die allgemeine Impfempfehlung der Stiko für diese Altersgruppe zu warten. Denn man sollte ein gutes Gefühl dabei haben, wenn man sein Kind impfen lässt“, sagt Neukirch. Er selbst impft mit gutem Gefühl: „Ich mache das, wovon ich überzeugt bin.“ Bisher habe er keine Anfeindungen oder Bedrohungen erlebt.
Bei Axel Gerschlauer sieht das anders aus. Durch seine Funktion als Sprecher der Kinder- und Jugendärzte taucht er regelmäßig in den Medien auf. „In den Sozialen Medien werde ich nach Interviews immer wieder wild beschimpft. Auseinandersetzungen sind für Kinder- und Jugendärzte, die impfen, grundsätzlich nichts Neues. Aber derartige Bedrohungen und Nazivergleiche kannte ich in der Form noch nicht.“