AboAbonnieren

KinogeschichteVor 125 Jahren wurden die allerersten Filmaufnahmen in Köln gezeigt

Lesezeit 5 Minuten
schiffsbrücke shot3 RGB

Menschen auf der Deutzer Schiffbrücke 1896

Köln – Die Filme dauerten nur wenige Sekunden. Kein Schnitt, kein Ton, nur bewegte Schwarz-Weiß-Bilder. Am Kölner Dom strömen Besucher aus dem Hauptportal auf den windigen Vorplatz, halten sich dort ihre Hüte fest, staunen über die sonderbare Apparatur des Kameramanns, laufen weiter in alle Richtungen.

In einer anderen Filmsequenz fährt ein Zug über die Dombrücke (später Hohenzollernbrücke) in Richtung Hauptbahnhof, wo Reisende aussteigen. Der dritte Film namens „Feierabend einer Kölner Fabrik“ zeigt schließlich Arbeiter der Schokoladenfabrik Stollwerck in der Kölner Südstadt. Heute macht jeder Zehnjährige mit seinem Handy anspruchsvollere Aufnahmen, doch damals, vor 125 Jahren, zahlten die Kölner sogar Geld, um sie sich ansehen zu dürfen.

Was das Publikum am 23. Mai 1896 im Haus am damaligen Augustinerplatz 12 so begeisterte, waren nichts weniger als die allerersten Filmaufnahmen von Köln. Im ersten Stock hatte die „Deutsche Automaten Gesellschaft“, ein Tochterunternehmen der Schokoladenfabrik Stollwerck, einen Saal angemietet, in dem „Operateur“ Charles Moisson im Auftrag der französischen Fotoindustriellen Lumière einen Vorführapparat bediente. Mit diesem „Kinematographen“, einer Kombination aus Filmkamera und Filmprojektor, hatte Moisson zuvor auch die Kölner Alltagsszenen aufgezeichnet.

Kleines Wunderwerk der Technik

„Das war ein kleines Wunderwerk der Technik“, sagt Marion Kranen vom Verein „Köln im Film“ und Co-Autorin des Buchs „Kino in Köln – Von Wanderkinos, Lichtspieltheatern und Filmpalästen“: „Diese laufenden Bilder waren eine Sensation, man hat gesehen, wie die Türen des Zuges aufgehen, Reisende aussteigen und wie der Wind auf dem Domplatz die Röcke bauscht. Dabei war alles viel größer als auf einer Fotografie.“ Zwei Monate lang liefen die kurzen Filme im 30-Minuten-Takt – täglich von 11 bis 13 Uhr und von 15 bis 22 Uhr. Der Spaß kostete 50 Pfennig Eintritt beziehungsweise eine Mark für reservierte Plätze.

Zunächst wurden Filme nicht in eigenen Häusern gezeigt, sondern in angemieteten Sälen, die an belebten Straßen zu finden waren. Die zunächst sehr kurzen Filme waren oft nur ein Programmpunkt unter anderen und wurden mehrfach am Tag wiederholt. Das „Apollo Varieté“ an der Schildergasse etwa zeigte 1897 „lebende Photographien“ als Höhe- und Schlusspunkt eines Galaprogramms.

Feste Abspielstätten etablierten sich laut Verein „Köln im Film“ erst ab 1906, als mit der Weiterentwicklung der Aufnahme- und Projektions-Technik auch längere Filme vorgeführt werden konnten. Das erste Kino wurde in Köln 1906 von Ludwig Stollwercks „Deutscher Automaten Gesellschaft“ eröffnet, das Biographische Institut in der Hohen Pforte. Schon vier Jahre später konnten die Kölner unter 19 Kinos auswählen.

Die so wegweisende Veranstaltungsreihe hatte bereits am 20. April 1896 an demselben Ort begonnen, als Moisson zwölf kurze Filme aus Frankreich abspulte. Zwar hatten die Brüder Skladanowsky bereits am 1. November 1895 im Berliner Varieté Wintergarten bewegte Bilder mit ihrem „Bioscop“ gezeigt. Dennoch gelten die Brüder Lumière als Erfinder des Films: Ihr Kinematograph wurde am 28. Dezember 1895 erstmals öffentlich in Paris vorgeführt, aus ihm entwickelte sich die Kinematografie. Die Kölner Vorführungen nur wenige Monate später waren die ersten auf deutschem Boden.

Stollwerck brachte Kinematographen nach Deutschland

Zu verdanken hatten die Kölner diese historische Stunde in erster Linie Ludwig Stollwerck, der für die Außendarstellung des prosperierenden Schokoladenproduzenten zuständig war. Technischen Neuerungen gegenüber war der Zweitjüngste der Brüder Stollwerck sehr aufgeschlossen. Unter anderem faszinierten ihn Automaten, die er 1887 für den Straßenverkauf einsetzte. Sie standen an Bahnhöfen, in Parkanlagen und Cafés und spuckten gegen Münzeinwurf nicht nur Schokolade, Zigarren oder Bonbons aus. Nachdem Stollwerck 1895 die „Deutsche Automaten-Gesellschaft“ gegründet hatte, eröffnete er 1895 in Köln ein „Automaten-Magazin“, in dem auch bewegte Bilder zu sehen waren.

Das könnte Sie auch interessieren:

Stollwerck interessierte sich für den „Kinetoscope“ von Thomas A. Edison, investierte in die Entwicklung eines „Elektroskops“ des Briten Birt Acres und erwarb einen „Elektrischen Schnellseher“ von der Berliner Firma Siemens & Halske. Im März 1896 besuchte Stollwerck in London eine Vorführung des „Cinématographe Lumière“ und war sofort elektrisiert. „Er erwarb kurz darauf von den Gebrüdern Lumière die Lizenz zur Präsentation ihrer Kinematographen in Deutschland“, so Marion Kranen. Im ganzen Deutschen Reich wurden daraufhin von der „Deutschen Automaten-Gesellschaft“ Kinematographen betrieben: „Das war ein Riesengeschäft und innerhalb eines Jahres sahen in Deutschland mindestens 1,4 Millionen Zuschauer die Filme“, so die Autorin.

5732098

Louis Lumière (r.) und sein Bruder galten als Filmpioniere.

Die Mitarbeiter der Firma Stollwerck hatten die „bewegten Photographien“ der Lumières bereits am 16. April 1896 bei einer internen Vorführung in der Werkskantine gesehen. Danach, vor Pfingsten 1896, machte sich Charles Moisson dann auf den Weg, um erstmals den Kölner Alltag auf jeweils 17 Meter lange Zelluloid-Streifen zu bannen, die zu Filmen von 40 bis 50 Sekunden führten. Die Aufzeichnungen des fahrenden Zugs und der Menschen vor dem Dom sind erhalten geblieben, der Film von den Arbeitern vor den Toren der Stollwerckfabrik, den Kranen als einen der ersten Werbefilme überhaupt bezeichnet, existiert jedoch nicht mehr.

Als die Bilder laufen lernten, war Köln also ganz vorn dabei. Im September 1896 dann kam Constant Girel in die Stadt, auch er ein Angestellter der Société Lumière. Er drehte die Ansicht einer Schiffsbrücke und machte Aufnahmen von einem fahrenden Schiff aus. Girel gelang damit sogar eine Weltneuheit: „Bei dieser ersten Kamerafahrt der Filmgeschichte zieht das Panorama der Stadt auf der Leinwand vorbei, die Bewegung findet also nicht vor der Kamera statt, sondern durch die sich bewegende Kamera auf dem Schiff“, so Marion Kranen.