Kneipenkarneval nur mit zuvor gekauften Tickets nimmt ihm seinen größten Reiz – den Zug durchs Veedel, schreibt unser Autor.

KneipenkarnevalAbzockerei alaaf!

Warteschlangen vor dem Haus Unkelbach in Sülz. In diesem Jahr kostet der Eintritt an Weiberfastnacht 111 Euro.
Copyright: Maria Gambino
Immer mehr Kölner Kneipen nehmen an den Karnevalstagen Eintritt, das Haus Unkelbach liegt 2025 mit 111 Euro an der Spitze. Tickets werden häufig Wochen vorher in aufwendigen Verfahren verkauft. Redakteurin Maria Gambino findet das positiv, ihre Begründung lesen Sie hier. Das nimmt den Spaß am Kneipenkarneval, schreibt hingegen Chefreporter Peter Berger:
So macht mir der Kneipenkarneval wirklich keinen Spaß mehr. Einfach auf gut Glück losziehen und in die Schlange stellen? Die Zeiten sind vorbei. Die Wirte haben sich ausgeklügelte Systeme ausgedacht, um den Ansturm zu bewältigen.
In einem meiner Lieblingsläden muss ich mich knapp vier Wochen vor Weiberfastnacht an einem Sonntag spätestens um zwölf Uhr anstellen, um einen Bierdeckel mit einer Wartenummer zu ergattern, mit dem ich drei Stunden später vier Karten für jeden der sechs tollen Tage kaufen kann. Für jeweils zehn Euro. Je später ich komme, desto höher die Nummer und geringer die Wahrscheinlichkeit, dass für den Wunschtermin noch Plätze frei sind. Am Ende bleibt nur der Karnevalssonntag übrig, weil da alle anscheinend aussetzen, die schon drei Tage unterwegs waren.
Für den Wirt ist das System äußerst lukrativ. Die Kneipe brummt, das Kölsch fließt in Strömen. Der Bierdeckel-Sonntag bricht alle Umsatzrekorde. Das nennt man lokale Wirtschaftsförderung. Zum Wohl dem, der einen Tisch reserviert hat. Bonus für Stammgäste? Fehlanzeige. Vor dem Karneval sind alle gleich.
Noch krasser ist es bei meiner Karnevalskneipe in Nippes. Zu Viert haben meine Freunde an einem Mittwoch in der Schlange gestanden, die einmal um den gesamten Block ging, um nach zwei Stunden zu erfahren, dass alle Karten ausverkauft sind.
Kneipenkarneval: Niemand wird gezwungen, bei der Abzockerei mitzumachen
Was soll das? Die Antworten der Wirte sind immer gleich. Nur so könne man sicherstellen, dass der Laden nicht von Karnevalstouristen geflutet wird. Die Stadt sei, was das Aufstellen von Absperrgittern angeht, sehr rigoros. Ohne Eintritt müsse man den Kölsch-Preis deutlich erhöhen.
Dabei sind zehn Euro pro Ticket, die in der Regel fällig sind, sogar ein Schnäppchen im Vergleich zu den 111 Euro, mit denen das legendäre Unkelbach auf der Luxemburger Straße seine Gäste an Weiberfastnacht zur Kasse bittet. Getränke inbegriffen. Und die Toilettenbenutzung. Jede Jeck is anders. Niemand wird gezwungen, bei dieser Abzockerei mitzumachen. Wenn das so einfach wäre.
Jonn mer in ne andere Kaschämm! Was verloren geht, ist ein gutes Stück kölschen Brauchtums, das in unzähligen Liedern besungen wird und den Fasteleer ausmacht: von Kneipe zu Kneipe durch die Veedel zu ziehen, sich in die Schlangen einzureihen und mit dem Türsteher, den man seit Jahren kennt, draußen mitzufeiern. Gemeinsam mit den Freunden, die drinnen schon schunkeln, weil sie früh genug losgezogen sind und das Kölsch vor die Türe bringen.