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Verletzte sagt zu Prozessauftakt ausAugenzeugin schildert Rocker-Hinrichtung in Köln

Lesezeit 4 Minuten
Der 27-jährige Angeklagte begrüßt seinen Verteidiger beim Prozessauftakt im Landgericht Köln.

Der 27-jährige Angeklagte begrüßt seinen Verteidiger beim Prozessauftakt im Landgericht Köln.

In Köln-Mülheim wurde ein ehemaliger Rocker per Kopfschuss getötet. Welche Rolle spielt die Vergangenheit und wer sitzt auf der Anklagebank?

Eine eiskalte Hinrichtung im Rockermilieu, nur so kann man die Anklageschrift deuten, die am Freitag in Saal 112 des Kölner Landgerichts verlesen wurde. Völlig unvermittelt und per Kopfschuss sollen zwei Männer einen Bekannten in Mülheim getötet haben. Mitten am Tag, in unmittelbarer Nähe eines Biergartens. Der Prozess wird aber nicht den Tätern, sondern dem mutmaßlichen Auftraggeber des heimtückischen Mordes gemacht. Doch der bestreitet jede Beteiligung an dem Verbrechen.

Köln: Kopfschuss tötete ehemaligen „Hells Angels“-Rocker

Man kannte sich aus der aufgelösten Kölner „Hells Angels“-Gruppierung mit Namen „Rhine Area“, daher schöpfte das spätere Opfer Eren Y. (35) wohl keinen Verdacht, als zwei seiner Bekannten im Mai vergangenen Jahres an einem Fitnessstudio aufgetaucht waren, in dem er trainiert hatte. Die Männer gingen ein paar Meter zusammen spazieren, unterhielten sich, lachten und rauchten Zigaretten. Als Eren Y. einige Schritte vorausging, griff einer der Begleiter zur Pistole und schoss.

Die Polizei am Tatort, dem Böcking-Park in Köln-Mülheim

Die Polizei am Tatort, dem Böcking-Park in Köln-Mülheim.

Eine Kugel traf den früheren Rocker in den Rücken, die Wirbelsäule und das Brustbein des Mannes wurden verletzt. Tödlich war der nächste Schuss in den Kopf. Das Projektil trat in die linke Schläfe ein und an der rechten Schläfe wieder aus, so beschrieb es die Staatsanwältin. Ein weiterer Schuss verletzte die Freundin von Eren Y., die die Männer begleitet hatte. Die Kugel traf die Frau im Nacken und blieb im Kiefer stecken. Blutüberströmt konnte die 29-Jährige vom Tatort flüchten.

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Kölner Landgericht: Augenzeugin sagt per Videovernehmung aus

„Meiner Mandantin wurde das Gesicht zerfetzt“, sagte Opfer-Anwältin Funda Bicakoglu. Sie sei traumatisiert und verängstigt und wolle nicht in Anwesenheit des Angeklagten aussagen. Der Vorsitzende Richter Achim Hengstenberg ordnete daher eine Videovernehmung an. Die einzige Augenzeugin des Geschehens wurde aus einem anderen Saal des Landgerichts zugeschaltet, zu ihrem Schutz wurde sie von Polizisten ins Gerichtsgebäude begleitet.

Die 29-Jährige bestätigte, dass die Stimmung bis zur Tat völlig normal und gelöst gewesen sei. Einen der Tatverdächtigen habe sie gut gekannt, er sei Kunde in einem Sonnenstudio gewesen, in dem sie mal gearbeitet habe. Noch wenige Tage zuvor habe dieser ihren Freund zu Hause besucht. Nichts habe darauf gedeutet, dass sie in Gefahr gewesen seien. Im Augenwinkel habe sie gesehen, dass einer der Begleiter am Boden in seiner Tasche gekramt habe. Kurz darauf habe sie einen Knall gehört.

Köln-Mülheim: Brauhaus-Kellner versorgt Schussopfer

„Ich habe erst gar nicht realisiert, was das war, dann habe ich zu Eren gesehen, wie er auf die Knie gefallen ist“, so beschrieb die Zeugin die letzten Momente im Leben ihres Freundes. Sie schluchzte und auch die Mutter des Mannes weinte, die im Gerichtssaal anwesend war und ein T-Shirt mit dem Foto ihres Sohnes trug. Eren Y. habe ihr nach ihrer Wahrnehmung kurz vor seinem Tod noch einen Blick zugeworfen, als wolle er sagen: „Warum stehst Du hier noch?“ Danach sei sie losgerannt.

Erst dann habe sie gemerkt, dass sie selbst von einer Kugel getroffen worden war. „Mir lief Blut aus dem Mund und Hals, das hat richtig gezischt“, sagte sie. Der Kellner vom nahegelegenen Brauhaus habe sich um sie gekümmert, ihr die Wunde abgebunden. Im Krankenhaus folgte eine Notoperation, Polizisten wachten auf der Intensivstation. Ärzte setzten eine Platte in ihren Kiefer ein, weitere Operationen folgten. Sie habe eine Traumatherapie begonnen, leide immer noch unter Albträumen.

Kölner Tatverdächtige sollen in die Türkei geflüchtet sein

Die Tatverdächtigen, die die Zeugin benennen konnte, sollen sich über Griechenland in die Türkei abgesetzt haben. Über einen der Männer sei bekannt, dass er schon mal den Reisepass seines Bruders genutzt habe. Das Motiv ist unklar. Ein Opfer-Anwalt spricht von möglichen Schulden, womöglich einer Machtdemonstration unter Rockern. Die Eltern wollten Aufklärung: „Sie wollen wissen, warum ihr Sohn, von dem sie sich nicht verabschieden konnten, sterben musste.“

Dem Angeklagten im Prozess, der ebenfalls dem Rockermilieu zugeordnet wird, wird Anstiftung zum Mord vorgeworfen. So sollen verdächtige Telefonate ihn belasten. „Auch unser Mandant will eine volle Aufklärung“, sagte einer der Verteidiger. Der 27-Jährige sei ein Freund des Opfers gewesen und selbst erschrocken über die Tat. Er habe immer betont, unschuldig zu sein. Der Anwalt warnte, dass bloße Gerüchte nicht zu einer Verurteilung führen dürften. Der Mordprozess wird fortgesetzt.