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Mitten in der Kölner CityMann nimmt 15-Jährigen als Geisel – mildes Urteil wegen kurioser Vorgeschichte

Lesezeit 2 Minuten
Hier bedroht der Täter den 15-jährigen Jungen in der Kölner Innenstadt. Ein Polizist hat seinen Taser gezogen.

Hier bedroht der Täter den 15-jährigen Jungen in der Kölner Innenstadt. Ein Polizist hat seinen Taser gezogen.

Dem Angeklagten hatte zunächst eine viel höhere Strafe gedroht.

Für die Geiselnahme eines 15-jährigen Passanten in der Kölner Innenstadt hat das Kölner Landgericht eine Strafe von lediglich anderthalb Jahren Haft auf Bewährung ausgesprochen. Zu Beginn des Verfahrens hatte dem Angeklagten noch eine Strafe von mindestens fünf Jahren Gefängnis gedroht. Die Vorgeschichte des dramatischen Geschehens wurde aber letztlich strafmildernd zugrunde gelegt.

Köln: 15-jährigen Jungen in der City als Geisel genommen

Wie der Prozessverlauf ergab, war der Beschuldigte kurz vor der Tat im Januar aus seiner Heimat Polen nach Deutschland gereist, um in der Nähe von Köln auf einer Baustelle zu arbeiten. Nach seiner Ankunft sei ihm im Bereich des Hauptbahnhofs aber der Koffer mit all seinen Habseligkeiten gestohlen worden. Der Mann habe die Orientierung verloren und in einer Tiefgarage übernachtet.

Am Tattag hatte der 43-Jährige dann im Dorint-Hotel am Heumarkt hinter die Rezeption gegriffen, dort mehrere Kugelschreiber und auch einen Schlüssel an sich genommen. Daraufhin war es zu einem Polizeieinsatz gekommen. Die Beamten spürten den Dieb im Bereich der Pipinstraße auf. Offenbar in Panik geraten griff sich der Beschuldigte dann das nächstbeste Opfer – einen 15-jährigen Jungen.

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Köln: Polizist stoppt den Geiselnehmer mit Taser

Laut der Feststellungen im Urteil der Vorsitzenden Richterin Isabell Voßgätter hatte der Angeklagte den arglosen Teenager in eine Art Schwitzkasten genommen und ihm drohend einen der entwendeten Kugelschreiber und den Schlüssel an den Hals gehalten haben – wohl um die Polizisten dazu zu bewegen, ihn in Ruhe zu lassen. Der Junge wurde als menschlicher Schutzschild genutzt.

Fotos eines zufällig am Tatort befindlichen Fotografen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ und Bodycam-Aufnahmen der Polizisten zeigten auch, wie einer der Polizisten einen Taser zur Abgabe von Elektroschocks auf den mutmaßlichen Geiselnehmer richtete. Der Mann hatte daraufhin von seinem Opfer abgelassen und sich bedrohlich auf den Beamten zubewegt. Der setzte den Taser ein.

Köln: Vermindert schuldfähig wegen psychischen Ausnahmezustandes

Der Angreifer konnte durch den Einsatz des Distanz-Elektro-Impuls-Gerätes, so die offizielle Bezeichnung, gestoppt und überwältigt werden. Der Jugendliche blieb unverletzt. Eine psychiatrische Gutachterin hatte bereits früh festgestellt, dass sich der Angeklagte während des Tatgeschehens in einer psychischen Ausnahmesituation befunden habe. Er sei daher nur vermindert schuldfähig.

Verteidigerin Isabell Schemmel sprach in ihrem Plädoyer von einem minderschweren Fall der Geiselnahme und beantragte ein Jahr und sechs Monate Haft auf Bewährung. Dem folgte das Gericht – das Urteil wurde mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft direkt rechtskräftig. Der Angeklagte kam aus dem Gefängnis frei. Der Vater holte den Mann ab, gemeinsam fuhr man zurück nach Polen.