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„Kölner Drogenkrieg“Kalker soll Geiselnehmern geholfen haben – schwere Misshandlungen in Villa

Lesezeit 3 Minuten
Der Angeklagte Botan I. mit seiner Verteidigerin Julia Stab beim Prozessauftakt im Kölner Landgericht

Der Angeklagte Botan I. mit seiner Verteidigerin Julia Stab beim Prozessauftakt im Kölner Landgericht

Es ist der zweite Akt einer ganzen Prozessreihe um den spektakulären „Kölner Drogenkrieg“.

Unter dem Vorwand eines lukrativen Drogengeschäfts locken zuvor geprellte Konkurrenten ein Pärchen aus dem Ruhrgebiet in die Falle, entführen es in eine Villa in Rodenkirchen und misshandeln die Geiseln schwer – bevor es zu noch schlimmeren Handlungen kommt, befreit sie das SEK. So steht es in der Anklageschrift der Kölner Staatsanwaltschaft, die am Donnerstag in Saal 5 des Landgerichts verlesen wurde. Es ist der zweite Akt einer Prozessreihe um den spektakulären „Kölner Drogenkrieg“.

Köln: Kalker Wohnung laut Anklage als Ausgangspunkt für Geiselnahme

Auf der Anklagebank saß in diesem Fall der 30-jährige Botan I. aus Kalk. Ihm werden Verstöße gegen das Waffengesetz und Beihilfetaten vorgeworfen. Seine damalige Wohnung in der Kalker Hauptstraße soll im Juli vergangenen Jahres als Dreh- und Angelpunkt von den mutmaßlichen Geiselnehmern und Auftraggebern für die Tat genutzt worden sein. So sollen die Komplizen zunächst Bargeld in Höhe von 250.000 Euro in der Wohnung von Botan I. deponiert haben, dazu mehrere Schusswaffen mit mindestens 17 Patronen.

Einer Frau hätten weitere Täter dann per Videoanruf auf dem Handy kontaktiert und ihr die Bargeldsumme präsentiert, erklärte die Staatsanwältin. „Sie wollten ihr das Kaufinteresse an einer großen Menge Marihuana vorspielen“, so heißt es in der Anklageschrift. Tatsächlich sei die Frau auf den vermeintlichen Deal eingegangen. Als Treffpunkt sei ein Industriegebiet in Bochum vereinbart worden, an dem die Frau mit Partner erschienen sei. Hier trafen sie laut Anklage auf ihre Entführer.

Köln: Video zeigt schwere Misshandlungen an Geisel

Die Männer, unter denen sich auch aus den Niederlanden akquirierte Auftragstäter befunden haben sollen, brachten ihre Opfer laut Anklage zu besagter Villa in den Eibenweg in Rodenkirchen. Ein Komplize soll das Einfamilienhaus über Umwege angemietet haben. Im Keller des Gebäudes sei vor allem der Mann erheblich misshandelt worden. Später kursierte ein Video, dass das Opfer mit verbundenen Augen und nackt am Boden zeigt. Der Mann wurde mit Schlägen und Tritten traktiert.

In dieser Villa in Rodenkirchen beendete das SEK die Geiselnahme.

In dieser Villa in Rodenkirchen beendete das SEK die Geiselnahme.

Der Angeklagte Botan I. soll in das aktive Geschehen nicht eingebunden gewesen sein. Allerdings sollen Komplizen währenddessen in dessen Kalker Wohnung aufgetaucht sein und eine Geldzählmaschine abgeholt haben. Auch sollen sie I. den Schlüssel der Villa überreicht haben. Kurz darauf wurden die verletzten Geiseln – der Mann erlitt Brüche und Platzwunden, die Frau ein Schädel-Hirn-Trauma – befreit, nachdem die Polizei den Hinweis eines Mitwissers erhalten hatte.

Verteidigerin Julia Stab kündigte eine Einlassung ihres Mandanten für den nächsten Verhandlungstag an. Am Rande des Prozesses betonte die Anwältin, dass Botan I. lediglich eine Beihilfehandlung vorgeworfen werde und sich nach Aktenlage nicht in der Entführungsvilla aufgehalten haben soll. Die Hauptverhandlung muss nun klären, ob und inwieweit der Beschuldigte in das spätere Geschehen eingebunden war. Allerdings drohen ihm allein wegen des Waffendeliktes schon mehrere Jahre Haft.

Köln: Mit dem Raub von 350 Kilo Marihuana begann der „Drogenkrieg“

Hintergrund der Geiselnahme war laut Staatsanwalt der Raub von 350 Kilogramm Marihuana aus einer Lagerhalle in Hürth – der Fall wird bereits seit Mittwoch vor dem Landgericht verhandelt. Die bestohlenen Drogenschmuggler sollen den Bruder des entführten Bochumers als einen der Drahtzieher ausgemacht haben. Mit dem aufgenommenen Video sollen sie versucht haben, Druck auszuüben, um die Drogen wiederzubekommen. Alternativ hätten sie 1,5 Millionen Euro gefordert.

Der Raub der Drogen, dem ein Verrat innerhalb einer Kalker Gruppierung vorausgegangen sein soll, war der Auftakt einer beispiellosen Gewaltserie in Köln. Auch mehrere Sprengstoffanschläge vor Hauseingängen sollten laut den Kölner Ermittlern das Ziel verfolgt haben, mögliche Drogenräuber einzuschüchtern und das Marihuana wiederzuerlangen. In dem Komplex wird laut Staatsanwaltschaft gegen mehr als 40 Beschuldigte ermittelt. 26 Beschuldigte sitzen inzwischen in Untersuchungshaft.