Der Erwerb von 700 Kilogramm Marihuana löste eine wahre Gewaltspirale aus.
„Kölner Drogenkrieg“Geiselnahme, Raub, Geldwäsche – Prozess zeigt erschreckende Dimension

Die drei Angeklagten mit ihren Verteidigern beim Prozessauftakt im Kölner Landgericht
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Der Prozessauftakt um eine mutmaßliche Drogenbande aus Kalk hat am Mittwoch im Landgericht eine erschreckende Dimension offenbart. Bis nach Frankfurt, Dresden und München reichte laut Anklage der Staatsanwaltschaft das Handelsnetzwerk, in Köln seien die Rauschmittel an Neumarkt, Friesenplatz und Appellhofplatz und in Diskotheken verkauft worden. Von einem Kiosk zur Geldwäsche war die Rede und einem spektakulären Verrat, der den „Kölner Drogenkrieg“ auslöste.
Köln: Drei Beschuldigte im ersten Prozess auf der Anklagebank
Die drei Beschuldigten im Alter von 21 bis 24 Jahren, die nun zum Auftakt einer ganzen Prozessreihe auf der Anklagebank saßen, sollen als Mitglieder der Bande an Drogenlieferungen aus den Niederlanden und Marokko ins Bundesgebiet beteiligt gewesen sein. Wöchentlich sei es zu großen Lieferungen von Marihuana, Kokain, Ecstasy und Heroin gekommen. Die Gruppe habe arbeitsteilig gehandelt. Der eine habe sich um den Transport, ein anderer um den Verkauf gekümmert.
Die aktuelle Anklageschrift listet noch viele weitere Personen auf, gegen die gesondert ermittelt wird. Vier Frauen etwa hätten die Aufgabe gehabt, die Drogen in Kölner Diskotheken zu verkaufen. Ein Büdchen soll die Gruppe erworben haben, um illegale Einnahmen zu verschleiern. Die Männer hätten Pistolen und Maschinengewehre gelagert, um Forderungen Nachdruck verleihen zu können. „Sie waren bereit, massive körperliche Gewalt einzusetzen und taten das auch“, so der Staatsanwalt.
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Köln: Mann soll seine Komplizen an weitere Bande verraten haben
Im Zentrum des Gesamtkomplexes steht eine Drogenlieferung von rund 700 Kilogramm Marihuana. Die sollten bis zum Weiterverkauf an Kunden in ganz Deutschland in einer Lagerhalle in Hürth aufbewahrt werden. Eine besondere Rolle soll in diesem Zusammenhang der 21-jährige Aymen G. gespielt haben. Der soll laut Anklageschrift seine Komplizen an eine weitere Bande verraten und so den Raub von 350 Kilogramm und somit der Hälfte des gelagerten Marihuanas ermöglicht haben.

Der Vorsitzende Richter Michael Greve führt die Verhandlung am Landgericht Köln.
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Im Juni vergangenen Jahres hätten die Konkurrenten das Hürther Gelände zunächst „ausbaldowert“, so der Staatsanwalt. Dann seien die Täter mit einem Lastwagen zur Lagerhalle in der Rodenkirchener Straße gefahren. „Sie führten Maschinenpistolen mit sich“, sagte der Staatsanwalt. Dann hätten sie den ebenfalls angeklagten 22-jährigen Saddam B., der als Bewacher eingeteilt gewesen sei, gefesselt und ihm den Lauf der Waffe in den Mund gesteckt. Danach seien sie mit den Drogen verschwunden.
Köln: Angeklagte äußerten sich zum Prozessauftakt nicht
Der dritte Angeklagte, der 25-jährige Aymen S., sei nach dem Raub benachrichtigt worden. „Er erfasste die Restmenge und tätigte Ermittlungen, wie es zu dem Raub kam und wie die Täter zur Rechenschaft gezogen werden können“, heißt es in der Anklageschrift. Auch habe er seinen Chef kontaktiert. Teile des Marihuana seien dann zu einer Wohnung in Niehl und in ein Hotel verbracht worden. Der Drogenraub in Hürth sollte in der Folge eine beispiellose Gewaltspirale in Gang setzen.
Äußern wollten sich die drei Angeklagten beim Prozessauftakt nicht. „Man wird sehen, ob die Beweisaufnahme das ergeben wird, was die Anklage meinem Mandanten vorwirft“, sagte Anwalt Wolfgang Kutsch, der den mutmaßlichen Verräter vertritt. Der Fall sei „eine Hausnummer, die man in der Form nicht gewohnt ist“, so der Strafverteidiger – auch wenn sich anfängliche Gerüchte, die berüchtigte niederländische Mocro-Mafia könnte hier beteiligt sein, nicht bestätigt hätten.
Köln: Weiterer Prozess um Vergeltungsaktion am Freitag
„Für meinen Mandanten, der noch so jung ist, ist das Verfahren eine enorme Belastung“, erklärte Verteidigerin Anne Kieven, die Saddam B. vertritt, am Rande des Prozesses. Ihr Mandant nehme eine Sonderstellung in dem Verfahren ein, da er zumindest laut Anklage ein Beschuldigter sei, aber durch das Raubgeschehen in der Hürther Lagerhalle auch gleichzeitig Opfer einer schweren Straftat. Der aktuelle Prozess (Aktenzeichen 323 KLs 2/25) soll in zwei Wochen mit Zeugen fortgesetzt werden.

Verteidigerin Anne Kieven beantwortete am Rande des Prozesses die Fragen der Reporter.
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Bereits am Freitag müssen sich drei weitere Beschuldigte vor dem Landgericht verantworten, dieser Fall beschäftigt sich mit den Auswirkungen des Marihuana-Raubes. Bei den Angeklagten handelt es sich um junge Niederländer, die laut Anklageschrift für eine Vergeltungsaktion engagiert wurden. In der Hürther Lagerhalle sollen sie insgesamt fünf Personen gefesselt haben. Unter Gewaltanwendung hätten die Täter versucht, an Information über den Verbleib der 350 Kilogramm Drogen zu kommen.
Köln: Auch Entführung in Rodenkirchener Villa wird verhandelt
Als weiterer Tatkomplex gilt die Entführung eines Mannes und einer Frau im Juli vergangenen Jahres. Bei dem männlichen Opfer, das schwer misshandelt wurde, soll es sich um den Bruder eines mutmaßlich am Raub beteiligten Täters handeln. Der sollte laut Anklage unter Zwang zur Zahlung eines siebenstelligen Geldbetrages oder zur Rückgabe des Marihuanas bewegt werden. Eine Spezialeinheit der Polizei konnte die beiden Entführten aus einer Villa in Rodenkirchen befreien. Dieser Fall wird am heutigen Donnerstag vor Gericht behandelt.
Hinter den Geiselnahmen soll der mutmaßliche Kopf der ursprünglich beraubten Kalker Bande stecken. Gegen diesen wird gesondert ermittelt. Auch mehrere Sprengstoffanschläge vor Hauseingängen sollten laut den Ermittlern das Ziel verfolgen, mögliche Drogenräuber einzuschüchtern und das Marihuana wiederzuerlangen. In dem Komplex wird laut Staatsanwaltschaft gegen mehr als 40 Beschuldigte ermittelt. 26 Beschuldigte sitzen bereits in Untersuchungshaft.