Schon am Tag bevor sie getötet wurde, hatte Olesia S. die Polizei gerufen. Ihr Mann habe sie versucht, sie mit Gewalt in der Wohnung festzuhalten.
Weitere Details bekanntProzess um den Tod von Olesia S. in Frechen – war es sogar Mord?

Olesia S. hinterlässt drei kleine Kinder.
Copyright: Olesia S.
Warum wies die Leiche von Olesia S. eine unnatürliche „Froschposition“ auf? Warum klebten die langen Haare der 35-Jährigen blutdurchtränkt um ihren Kopf, wenn doch Erwürgen todesursächlich war? Fragen, die das Landgericht Köln klären muss, denn statt der Anklage wegen Totschlag gegen den Ex-Ehemann könnte Mord infrage kommen.
Am zweiten Verhandlungstag am Mittwoch (9. April) sagte die Nachbarin aus, die Ohrenzeugin der tödlichen Ereignisse am 4. August 2024 wurde. Sie habe sich weiter keine Gedanken gemacht, berichtete sie, als sie gegen Mitternacht Gepolter wie von Gegenständen, die auf den Boden fallen, aus der Wohnung über ihr, gehört habe.
Nachbarin hörte Stöhnen und Schreie, war aber nicht besorgt
Das sei öfter vorgekommen bei der Familie, die im Februar 2022 aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet war. Auch Stöhnen, in das sich Schreie einer weiblichen Stimme mischten, beunruhigten die 44-Jährige nicht. Zumal kurz darauf Ruhe war. Was sie „Stöhnschreie“ nennt, stufte sie als sexuelle Aktivitäten ihrer 35-jährigen Nachbarin ein.
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Dennoch schrieb die Nachbarin eine Textnachricht an Olesia S. Sie wollte die Gelegenheit nutzen, freundlich zu bitten, künftig besser auf den Geräuschpegel zu achten. Dass sich die Häkchen unter der Nachricht nicht blau färbten zum Zeichen, dass die Adressatin die Nachricht empfangen hatte, erklärte sich die Absenderin mit individuellen Einstellungen solcher Chats. Sie sah auch keinen Anlass zur Sorge, als eine umgehende Antwort ausblieb.
Polizei entdeckte die Leiche hinter einem Wäscheständer
Die 44-jährige Frechenerin lernte Olesia S. gleich beim Einzug in das Mehrfamilienhaus in Frechen-Bachem kennen. Sie beschreibt die 35-Jährige als „sehr selbstbewusst, immer gut zurechtgemacht, keinesfalls ein Mäuschen“. Den 44-jährigen Mann habe sie dagegen nur vom Grüßen gekannt, er habe „ohne Mimik, aber nicht aggressiv“ gewirkt – so wie er sich auch vor Gericht präsentiert.
Die Frauen kommunizierten auf Englisch; Olesia habe manchmal um Hilfe beim Ausfüllen von Formularen gebeten und 2023 gefragt, ob sie für ihren Mann, von dem sie sich getrennt hätte, ein Appartement wüsste. Kurz danach schrieb Olesia: „Kannst du die Polizei rufen?“ Das tat die Nachbarin und erkundigte sich später, ob alles okay sei.

Der 44-Jährige beim Prozessauftakt mit einer Dolmetscherin und seinem Verteidiger.
Copyright: Ulrike Weinert
Was die Zeugin tatsächlich in der Nacht vom 4. auf den 5. August 2024 gehört hatte, erfuhr sie am Montagnachmittag. Der Ex-Ehemann hatte Olesia S.' Cousine angerufen und die Tötung gestanden, woraufhin sie die Polizei rief und mit ihrem Mann zum Tatort eilte. Die Einsatzleiterin betrat die Wohnung zusammen mit zwei jungen Kollegen. Sie entdeckte die Leiche zugedeckt hinter einem Wäscheständer in der Ecke an der Wohnzimmer-Fensterfront. „Unsere größte Befürchtung war, auch tote Kinder zu finden, denn wir wussten zu dem Zeitpunkt nicht, wo sie sich aufhielten“, berichtete die 43-jährige Polizeibeamtin.
Die beiden Beamten waren bereits am Samstag zu dem Einsatzort gerufen worden. Olesia S. hatte sie alarmiert. Ihr Mann habe versucht, sie in der Wohnung festzuhalten, weil er die Trennung nicht akzeptiere, und sie dabei schmerzhaft hart an den Oberarmen gepackt, soll sie erzählt haben. „Sie kam uns mit ihrer Sporttasche entgegen, wirkte aufgebracht, aber nicht verängstigt. Auf Nachfrage verneinte sie, verletzt worden zu sein und äußerte auch keine Sorge, dass er den Kindern etwas antut, im Gegenteil, er kümmere sich gut um sie, sagte sie“, berichtete ein 24-jähriger Beamter. „Deshalb konnten wir nur empfehlen, dass sie sich Hilfe beim Sozialen Dienst der Stadt holt.“
Der Prozess wird fortgesetzt.