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Kölner AußengastronomieBretterbuden und Jägerzäune – Plötzlich scheint alles erlaubt

Lesezeit 4 Minuten

Lattenzaun vor dem Café Pause

Köln – Seitdem die Gastronomie in Köln wieder geöffnet ist, reibt man sich mitunter verwundert die Augen und fragt sich: Wie kann das sein? – Da wurde an einem Lokal im Belgischen Viertel parallel zum Bürgersteig eine mehr als zehn Meter lange Bretterbude errichtet, aus der die Gäste nun durch Plastikfolien-Fenster zur Fahrbahn schauen. An der Neusser Straße hat man zwei Parkflächen mit einem gut hüfthohen Lattenzaun umsäumt, als läge dort eine Zweigstelle der Ponderosa-Ranch. An einem Lokal am Gottesweg sind Euro-Paletten horizontal und hochkant gestellt, mit Gewürztöpfen und Lichterketten drapiert und zusätzlich mit Pflanzenkübeln verbandelt, um dem Fußgänger anzuzeigen: Hier beginnt der Servier-Bereich.

Bei „Oma Kleinmann“ auf der Zülpicher Straße stehen zwischen jedem Tisch mannshohe Gebilde aus Holz und Plexiglas, die dem Begriff „Raumteiler“ eine ganz neue Dimension verleihen. Vor einer Bar in der Maastrichter Straße wurde ein mehrere Hausfassaden umspannender, durchaus elegant wirkender Sichtschutz montiert – allerdings nicht zwischen den Tischen, sondern als Abtrennung zur Straße hin. Ein Italiener im Agnesviertel hat seinen massiven Holzzaun an der Straße zusätzlich mit rot-weißem Absperrband umwickelt, damit wirklich jeder erkennt: Hier ist der öffentliche Raum zu Ende. Seit Ende des Lockdowns drängt sich immer mehr der Eindruck auf, in Sachen Außenmöblierung ist plötzlich alles erlaubt.

Gestalterisch eine Katastrophe

„Ja, das ist toll!“, sagt Dorothee Spitz, fügt aber sofort ein „einerseits“ hinzu. Die Kölner Architektin fragt sich nämlich, weshalb erst eine Pandemie kommen musste, um Erleichterungen für Wirte zu schaffen. „Die Leute verdienen auch sonst im Sommer nur dadurch, dass sie Stühle nach draußen stellen dürfen.“ Im Süden seien diese Dinge viel einfacher, „da darf man ja auch über die Straße gehen zum Bewirten“. Dass man sich jetzt allerdings mit Europaletten und Jägerzäunen gegen den Straßenraum schütze, sei „nicht schön“ und gestalterisch eine Katastrophe.

In ihrer beruflichen Praxis erlebe sie es leider häufig, dass „die Qualität, die innen verwendet wurde, draußen nicht fortgeführt“ werde, betont die Architektin, die gemeinsam mit ihrer Berufspartnerin Regina Schönberger bereits etliche Kölner Lokale gestaltet hat – darunter die Restaurants „Acht“,„Zen“, „Via Bene“ oder „Chez Chef“. Das ebenfalls von ihr geplante „Agnes+“ ist im Übrigen ein gutes Beispiel dafür, dass sommerlicher Flair auch in Köln umsetzbar ist: Die unaufdringlichen, mit weißem Stoff bespannten Sitzelemente nach Art des Regie-Stuhls verströmen Leichtigkeit und urbanen Chic und heben sich so auffallend ab vom „Shabby Look", der in dieser Stadt augenscheinlich gerne gepflegt wird.

Bretterbude vor dem Tigermilch

Möblierung sei natürlich auch immer eine Frage des Geldes, räumt Spitz ein und betont zudem, dass bestimmte Dinge zurzeit einfach nicht lieferbar seien. Klappbare Untergestelle für Tische zum Beispiel. Die Gestaltungsexpertin glaubt aber auch, dass fehlende Mittel eine Chance für mehr Kreativität böten und sich diese nicht allein in Europaletten ausdrücken müsse.

„Die kamen sogar sonntags mit dem Zentimetermaß"

Sie verstehe die Welt nicht mehr, sagt eine erfahrene Kölner Gastronomin angesichts dessen, was seit kurzem an Außenmöblierung in der Stadt zu sehen ist. „Was war das bisher immer ein Kampf mit dem Ordnungsamt“, ereifert sich die Frau, die „auf gar keinen Fall“ namentlich in der Zeitung stehen möchte. „Wir mussten damals auf dem Antrag sogar die genaue Form unserer Blumenkübel angeben!“ Weil sie irrtümlich rund statt eckig geschrieben hatte, sollte sie eine empfindliche Strafe zahlen. „Die kamen sogar sonntags mit dem Zentimetermaß um zu kontrollieren, ob ein Stuhl außerhalb der genehmigten Fläche stand.“

Dekoration nach eigenem Gusto ist nicht gestattet

Seit Ende des Lockdowns kann man in der Gastro-Szene hingegen viel Lob vernehmen und Sätze aufschnappen wie: „Beim Amt weht plötzlich ein anderer Wind!“ Max Wagner zum Beispiel äußert sich „super happy“, dass mit seiner Außenbestuhlung alles wunschgemäß geklappt hat.

Abtrennungen dürfen nicht fest verankert sein

Der 30-Jährige hatte vor genau einem Jahr an der Lindenstraße seine „Vetrina Toscana“ eröffnet und rund vier Monate später coronabedingt wieder schließen müssen. In der Zwischenzeit habe er sich um eine Außenkonzession bemüht, die es beim Vorgänger-Lokal „Carpaccio“ nicht gab. Jetzt können 25 Gäste an hübsch eingedeckten Tischen auf dem bisherigen Parkstreifen sitzen. „Alles gut!“

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Auch Wagner hat eine Abtrennung installiert, „damit die Leute nicht den Eindruck haben, auf der Fahrbahn zu sitzen“. Allerdings besteht diese aus dunklem Stoff, der in weiße Holzpfeiler eingespannt wird. Das Ganze lässt sich in Windeseile entfernen, das hätte man kürzlich bei dem Unwetter bereits gut proben können, versichert der Gastronom.

Sanktionen bei Verstößen

Auch die Abtrennungen bei „Oma Kleinmann“ sind nicht fest verankert und erfüllen damit die Vorschriften der Stadt Köln, wonach „fest verbundene Aufbauten" unzulässig sind. Auch Aufbauten zu dekorativen Zwecken seien nicht erlaubt, teilt Sprecher Robert Baumanns auf Anfrage mit.

Plexiglasrahmen bei Oma Kleinmann

Das Ordnungsamt habe im Zuge der Corona-Pandemie zwar Erleichterungen für Wirte geschaffen und unter anderem durchgesetzt, dass bestehende Außengastronomie-Flächen „unter bestimmten Voraussetzungen unbürokratisch erweitert werden“ können. Gleichwohl lässt das Amt bei Verstößen nicht nur abbauen, sondern „wird auch sanktionierend tätig“.